Nach einem kurzen Zwischenhoch spielt Mesut Özil beim FC Arsenal mal wieder keine Rolle mehr. Wie geht es nun weiter mit dem Rio-Weltmeister? Um seine Karriere wiederzubeleben, bleibt dem 31-Jährigen wohl nur ein Wechsel. Doch das hohe Gehalt lädt zum Verweilen ein.

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Es war heiß am 25. Juni im St. Mary's Stadium in Southampton an der südenglischen Küste. Und so hielt sich Tribünengast Mesut Özil einen roten Klubschirm über den Kopf, um sich vor der gleißenden Sonne zu schützen. "350.000 Pfund die Woche fürs Unterm-Schirm-Sitzen", spottete der populäre britische Moderator Piers Morgan bei Twitter über den teuersten Edelreservisten der Premier League.

Gut zwei Wochen nachdem das Foto von "Tourist" Özil entstand, ist er nicht mal mehr das. Beim enttäuschenden 1:1-Unentschieden seines FC Arsenal gegen Leicester City am Dienstagabend fehlte der Ex-Nationalspieler im vierten Pflichtspiel in Folge im Gunners-Kader.

Kein Einsatz für Özil seit der Corona-Pause

Seit Ende der Corona-Pause in der Premier League Mitte Juni kam Özil keine Sekunde zum Einsatz, nur in zwei der sieben Pflichtspiele hat es für den höchstbezahlten Profi der Klubgeschichte überhaupt fürs Aufgebot gereicht. Auch wenn das teilweise an leichten Rückenbeschwerden lag: Özils Zeit bei den Gunners ist nach sieben Jahren abgelaufen. Teammanager Mikel Arteta hat keine Verwendung mehr für ihn. Dabei war Özil Anfang des Jahres unter dem damals neuen Trainer wieder aufgeblüht.

Doch seit dem Restart spielt der 31-Jährige in den Planungen von Arteta offenbar keine Rolle mehr. Angesprochen auf Özil und Teamkollege Matteo Guendouzi sagte der Spanier am Montag, er setze auf Spieler, "die die Werte respektieren, denen wir uns verschrieben haben, die sich unserer Kultur zu 100 Prozent verpflichtet fühlen und jeden Tag dem gerecht werden, was wir von ihnen erwarten".

Er erwarte, dass die Spieler "bereit sind, sich gegenseitig zu helfen, füreinander zu kämpfen, und dass sie es genießen, miteinander zu spielen". Für Özil gilt das nach 254 Spielen für Arsenal mit 44 Toren und 77 Vorlagen offenbar nicht mehr.

Özil war mal unverzichtbar

Es gab Zeiten, da war Özil unverzichtbar für seine Mannschaften. In seiner letzten Saison für Werder Bremen gelangen ihm zehn Tore und sagenhafte 29 Vorlagen in 46 Pflichtspielen. Diese Leistungen reichten im Jahr 2010, um für rund 18 Millionen zu Real Madrid zu wechseln. Manch einer in Madrid mag sich verwundert die Augen gerieben haben. Wie soll es denn ein Spieler von Werder Bremen beim Weltklub Real Madrid zu etwas bringen?

Das Augenreiben sollte ein Jahr später noch etwas ausgiebiger ausfallen. Der damals 22-Jährige wischte alle Bedenken beiseite und wurde auch bei den Königlichen schnell unverzichtbar. Auch in Madrid gelangen ihm zehn Tore und 29 Vorlagen, diesmal in 54 Pflichtspielen. Nach zwei weiteren erfolgreichen Jahren, unter anderem mit dem Gewinn der spanischen Meisterschaft im Jahr 2012, zog Özil schließlich weiter nach England zum FC Arsenal.

Der "Wizard of Öz" zaubert

Auch wenn seine ersten beiden Saisons bei den Gunners für seine Verhältnisse – hauptsächlich aufgrund von Verletzungen – eher durchschnittlich verliefen, reichte es auf internationalem Terrain für den ganz großen Wurf, als Mesut Özil und die deutsche Nationalmannschaft 2014 Weltmeister in Brasilien wurden.

Auch bei Arsenal platzte in Özils dritter Saison, die auch seine bisher beste in London werden sollte, der Knoten. Mit seinen 19 Torvorlagen in der Premier League hätte er seinerzeit fast den Rekord von Vereinslegende Thierry Henry (20 Vorlagen) eingestellt. Sechs Tore rundeten eine überragende Saison des "Wizard of Öz", wie er in guten Zeiten von seinen Fans genannt wurde, ab.

Soweit also alles bestens. Was war nun geschehen, dass dieser feine Fußballer, der stets durch starke Scorerwerte bestochen hatte, plötzlich so gar keine Rolle mehr spielte?

Nach einer weiteren sehr guten Saison 2016/2017 mit zwölf Toren und 14 Vorlagen, in der Özil nach 2014 und 2015 zum dritten Mal mit Arsenal den FA Cup gewinnen konnte, ging beim geborenen Gelsenkirchener in den folgenden Spielzeiten die Leistungskurve langsam nach unten. In der Saison vor der Fußball Weltmeisterschaft 2018 gelangen ihm immerhin noch fünf Tore und 14 Vorlagen, doch dann folgte die vollkommen verkorkste WM inklusive Erdogan-Affäre und anschließendem Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft.

Für Özil ging es sportlich nur noch bergab

Seitdem ging es für Özil sportlich nur noch bergab. Erst 18 Mal stand Özil in dieser Saison in der Premier League für die "Gunners" auf dem Platz. In der Vorsaison kam er auf 24 Premier-League-Einsätze.

Für Klublegende Paul Merson passt der 31-Jährige schlicht nicht mehr in Artetas laufintensives 3-4-3-System. "Wenn er nicht den Ball hat, ist er einer der schlechtesten Spieler der Welt. Nennt mir einen schlechteren!", sagte Merson kürzlich bei Sky Sports. Özil sei "das Paradebeispiel" eines Stars, der in einer ballbesitzorientierten Top-Mannschaft brillieren kann. Aber: "Wenn du den Ball nicht hast, wird er ihn dir nicht zurückgewinnen, weder für Liebe noch für Geld. Ich habe niemals einen Spieler gesehen, der dann so desinteressiert ist."

Arteta hatte kürzlich noch versucht, Özil bei der Ehre zu packen. "Ich glaube, dass er nicht besonders glücklich ist, weil er nicht spielt", sagte er Ende Juni, "und ich erwarte von einem Spieler, der nicht spielt, dass er gekränkt und enttäuscht ist." Nur drei Tage später betonte er: "Für Spieler mit seiner Qualität gibt es immer einen Platz. Spieler können sich Systemen anpassen - und wir können unser System Spielern anpassen." Doch seine Spielerwahl strafte diese Worte Lügen.

Özil könnte sich Wechsel in die USA oder in die Türkei vorstellen

Britische Medien spekulieren schon länger, dass Arsenal seinen Topverdiener Özil vorzeitig loswerden will. Wie die englische Boulevard-Zeitung "Sun" jüngst berichtete, kämen für den deutschen Weltmeister von 2014 nur zwei Varianten infrage, sollte es beim FC Arsenal nicht mehr weitergehen.

Eine Rückkehr in die Bundesliga, worüber immer mal wieder spekuliert wurde, soll keine Option für Özil sein, der in der Bundesliga nicht nur für Werder Bremen, sondern auch für den FC Schalke 04 spielte.

Wie die Zeitung aus dem direkten Umfeld des 31-Jährigen erfahren haben will, sieht sich der Kreativspieler selbst, wenn überhaupt, in der US-amerikanischen MLS oder in der türkischen SüperLig - allerdings erst im Herbst seiner Karriere.

Für Merson steht jedenfalls fest: "In diesem Arsenal-Team kann er nicht spielen." Özil bleibt nur ein Wechsel, wenn er seine Karriere wiederbeleben will. Doch sein Berater hat noch im März bekräftigt, dass Özil seinen Vertrag, der noch bis Sommer 2021 läuft, "ganz sicher" erfüllen werde.

Kein Wunder, meinte Merson: "Er kassiert seine 350.000 Pfund die Woche und alles ist rosarot." Özil wäre "verrückt", vorzeitig zu gehen und auf Geld zu verzichten. Aber, betonte der frühere Stürmer: "Wenn er den Fußball liebt, muss er sich mit Arsenal (über einen Abschied, Anm. d. Red.) einigen." Sonst drohen weitere Spieltage unter dem Sonnenschirm. (lh/AFP/dpa)

Baby-Überraschung: Mesut Özil zeigt neugeborene Tochter

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