• Frank Stäbler war auf dem besten Weg zu Olympia-Gold, doch dann erkrankte er im Oktober an Covid-19.
  • Eigentlich fühlte er sich gut, doch als er wieder ins Training einsteigen will, kommt der Schock: Stäbler hat rund 20 Prozent seiner Leistungsfähigkeit eingebüßt.
  • Im Interview erzählt er, wie es ihm seit seiner Diagnose ergangen ist und wie er weiter für seinen großen Traum kämpft: Gold bei den Olympischen Spielen in Japan.

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Der Ringer Frank Stäbler ist dreifacher Weltmeister sowie zweifacher Europameister im griechisch-römischen Stil. Bei den nächsten Olympischen Spielen will er seine Karriere mit einer Goldmedaille krönen, er ist auf dem besten Weg dahin. Auch die Verschiebung der Spiele wirft ihn nicht aus der Bahn - doch dann kommt Corona. Im Interview mit unserer Redaktion erzählt Stäbler, wie es ihm seit seiner Diagnose geht und wie er weiter für seinen großen Traum kämpft.

Es ist vermutlich die Frage, die Ihnen seit Oktober am häufigsten gestellt wird: Herr Stäbler, wie geht es Ihnen?

Frank Stäbler: Das ist immer so zweideutig. Ich frage mich langsam, wollen die Leute wirklich wissen, wie es mir geht, oder wollen Sie nur wissen, was Corona anrichtet. (lacht)

Aber vielen Dank, mir geht's sehr gut. Ich habe, was den normalen Alltag angeht, durch Corona gar keine Probleme oder Einschränkungen. Da bin ich wieder bei 100 Prozent.

Was den Leistungssport anbelangt, kämpfe ich trotzdem noch ganz schön. Da hat die Krankheit ihre Spuren hinterlassen. Ich komme sehr schwer in die höheren Belastungslevel, kämpfe mit starken Schmerzen im Brustraum, sobald es anstrengend wird. Ich bin zwar schon auf dem Weg der Besserung, aber es ist noch ein langer Weg.

Bislang gibt es noch wenige belastbare Studien zu möglichen Langzeitschäden bei Coronaerkrankungen. Wie "Quarks.de" berichtet, rechnen Experten damit, dass grob 10 bis 20 Prozent aller Erkrankten mit Spätfolgen zu kämpfen haben. Besonders häufig tritt dabei eine Schädigung der Lunge auf, aber auch beispielsweise Gedächtnisprobleme sind nicht selten.

"Die Ärzte haben gesagt, ich wäre Belastungsasthmatiker"

Mediziner haben Ihnen bescheinigt, dass Sie ungefähr 20 Prozent Ihrer Leistungsfähigkeit eingebüßt haben. Ist davon schon wieder etwas zurückgekommen?

Das ist schwer messbar. Die Ärzte sprechen von guten 20 Prozent Leistungseinbruch, was die ganze Belastungsfähigkeit und die Lungenfunktionstests anbelangt.

Ich habe mir damals geschworen, ich werde alles tun für meinen letzten großen Traum, eine olympische Medaille. Meine Ärzte haben gesagt, ich sei Belastungsasthmatiker und könne in Zukunft nur noch mit starken Medikamenten und Asthma- und Cortisonsprays an meine alte Leistungsfähigkeit anknüpfen. Aber ich war noch nie ein Freund von solchen Medikamenten und habe deswegen einen Freund und Mentor von mir aufgesucht, der auch Atmungscoach ist. Ich arbeite seit einem Monat sehr intensiv im Bereich Atmung und habe auch schon die ersten großen Erfolge, was die Lungenfunktion anbelangt. Das hilft mir für den Alltag ungemein und auch für den Sport.

Aber wir reden hier von absolutem Spitzensport und ich kämpfe immer um die letzten ein, zwei Prozent, die man braucht, um Weltmeister und Olympiasieger zu werden. Und davon bin ich noch meilenweit entfernt.

Aber: Ich konnte auch schon zeigen, dass es geht, dass es einen Weg zurück ohne Arznei gibt, auch wenn er ein bisschen anstrengender ist. Das lässt mich optimistisch bleiben.

"Dann ist es umso unglaublicher, wenn ich Olympiasieger werde"

Wenn man diese Prognose der Ärzte das erste Mal hört, diese Aussage, es wird nur mit Medikamenten gehen, was geht da in einem vor?

Das Körperliche kommt da erst in der zweiten Reihe, in der ersten Reihe steht wirklich das Mentale. Sie müssen sich vorstellen, wenn Sie das Potential haben, Olympiasieger zu werden und dann über Nacht 20 Prozent Ihres Leistungsvermögens verlieren, dann bröckelt der Traum ungemein. Ich habe erst einmal ein paar Tage gebraucht, um mich mental so einzustellen, dass ich mir selbst sagen kann: Jetzt ist es halt so und dafür ist es dann umso unglaublicher, wenn ich mit nur 80 Prozent im Herbst dann sieben Monate später Olympiasieger werde.

Sie sind ja nicht der erste Sportler, der eine Covid-Erkrankung durchmachen musste. Auch bei Fußballern gab es beispielsweise einige Fälle. Verfolgen Sie das? Und hadern Sie manchmal, wenn Sie sehen, dass beispielsweise Zlatan Ibrahimovic nach einem positiven Test einfach so weitermachen kann wie bisher? Oder blenden Sie das aus?

Am Anfang habe ich das wirklich nur am Rande verfolgt, aber seitdem ich selber erkrankt bin, habe ich mich extrem in die Krankheit eingearbeitet. Auch was die Lungenfunktionstests und die wissenschaftlichen Werte anbelangt. Und dabei ist ganz krass deutlich geworden, dass diese Krankheit höchst individuell ist.

Manche haben das Virus, aber spüren gar nichts, wissen gar nicht, dass sie es haben. Das ist dann natürlich das Gefährliche für die Übertragung. Und genauso ist es auch im Sport. Ich habe auch in meinem engsten Umfeld viele Freunde, von denen hat es manche komplett zerlegt, die waren richtig fertig, eine Woche ans Bett gefesselt, hatten kaum Kraft aufzustehen. Und dann kenne ich auch Fälle, die positiv waren und überhaupt nichts gemerkt haben. Da ist es nur durch Zufall rausgekommen, weil eben getestet wurde.

Die Auswirkungen sind wirklich individuell und extrem vom Immunsystem abhängig. Deshalb kann man diese Quervergleiche auch nicht machen und sagen: Der steht jetzt nach drei Wochen wieder auf dem Feld, wieso habe ich 20 Prozent Leistungseinbruch? Das ist schwierig bei dieser Krankheit.

Natürlich gab es auch im Fußball Menschen, die ihre COVID-19-Erkrankung nicht einfach so wegstecken konnten. Ilkay Gündogan berichtete von starken Symptomen, und auch Kai Havertz war laut seinem Trainer Frank Lampard "wirklich sehr krank und kämpfte eine ganze Weile".

"Dann kam der Mann mit dem Hammer"

Es gibt viele Menschen, die nach einem vermeintlich leichten Verlauf von heftigen Spätfolgen berichten. Ist das etwas, was Sie beschäftigt?

Ich muss sagen, ich habe Corona am Anfang zwar nicht unterschätzt, aber es war nicht greifbar für mich. Ich hatte in meinem Umfeld keine Erkrankten und habe es zwar in den Medien verfolgt, aber es war nicht augenfällig. Dann bin ich erkrankt, als der erste Ringer aus meinem Umfeld, hatte leichte Symptome, die nach ein paar Tagen wieder verflogen waren. Und selbst als ich positiv war, konnte ich es nicht wirklich spüren.

Erst als ich nach der Quarantäne wieder mit der Nationalmannschaft unterwegs war, hat der Bundestrainer gesagt, bevor ich wieder voll ins Training einsteige, müsse ich einen Komplettcheck machen. Da ich mich gut gefühlt habe, wäre ich von mir aus gar nicht auf die Idee gekommen.

Dann habe ich mich diesem Leistungstest unterzogen - und dann kam der Mann mit dem Hammer. Ich war auf dem Laufband und plötzlich hat es mir die Brust zugeschnürt, ich wäre fast umgekippt. In dem Moment ist mir bewusst geworden, wie heimtückisch und gefährlich Corona ist. Und dass man es so schwer greifen kann und damit auch gerade diese Langzeitfolgen unterschätzt. Ich habe es in diesem Moment selbst unterschätzt, und dann wurden mir ganz böse die Augen geöffnet.

Und deshalb habe ich mich in den sozialen Medien auch gerne für die Bundesregierung und das Gesundheitsministerium als Botschafter engagiert, weil ich warnen möchte mit erhobenem Zeigefinger, dass man frühzeitig, das, was man kann, tun muss und vorsichtig sein muss. Nur so kann man sich selbst und seine Familie und Freunde schützen. Das ist elementar wichtig.

Allein in der letzten Woche gab es elf Coronafälle in meinem Umfeld. Da ich selbst damit extrem zu kämpfen habe, geht ganz klar die Warnung an alle: Corona ist da, Corona gibt es, Corona ist gefährlich. Das ist auch der Aufruf an die noch immer Ungläubigen. Ich glaube, das Schlimmste, was passieren kann, ist die Sache schönzureden oder nicht wahrhaben zu wollen.

Hatten Sie schon direkten Kontakt mit Maskenverweigerern oder Coronaleugnern?

Anfangs ganz extrem, wobei, da muss man nur drei, vier Monate zurückgehen. Ich glaube, das ging jedem so in Gegenden, in denen es einfach nicht greifbar war. Selbst für mich. Das muss ich ganz ehrlich sagen, dass auch ich die Sache unterschätzt habe.

Da war überall diese Diskussion, "Gibt es das wirklich?", "Ist es nur politisch?", "Will man nur einen Impfstoff verkaufen?", und und und. Das war omnipräsent.

Ich musste da selbst meine Denkweise anpassen. Manchmal versteht der Mensch erst, was er hat, wenn er es verliert, zum Beispiel die Gesundheit. Ich bin kein Freund von einem Leben in Angst. Dann hat man nämlich so eine große Lebensqualitätseinbuße, das steht dann auch nicht mehr im Verhältnis. Aber man sollte auf das verzichten und das vermeiden, was nicht unbedingt sein muss. Und das fängt an mit dem 18. Geburtstag im Keller mit 30 Leuten, oder große Freundeskreise treffen, die Feiertage und Silvester ohne Maß begehen, das muss man jetzt einfach runterfahren. Und verstehen, dass man es im Endeffekt für sich selbst tut.

Werden Sie sich impfen lassen?

Das ist ein ganz großes Fragezeichen. Weil ich schon Corona hatte und momentan auch starke Antikörper und, Stand heute, nicht angreifbar bin. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Antikörper-T-Zellen wieder abbauen, ob ich in ein paar Monaten wieder von null starte, was meine Ärzte aber nicht glauben. Ob ich eine Impfung also überhaupt brauche, steht noch in den Sternen.

Aber mit großer Wahrscheinlichkeit werde ich nicht darum herumkommen. Auch wenn ich sie nicht bräuchte, gesundheitlich. Wir sind so viel in der Weltgeschichte unterwegs, und wahrscheinlich wird es schon irgendwas in Richtung Impfpass oder Eintrag im Ausweis geben, den man dann an jeder Kontrolle, an jedem Flughafen vorzeigen muss.

Das wird noch spannend bleiben. Das kann ich gerade nicht abschließend beantworten.

Noch steht nicht fest, ob es eine Art Impfausweis geben wird, mit dem sich die Menschen dann frei bewegen dürfen. Kritiker warnen vor einer Zweiklassengesellschaft. Was die Politik jedoch schon öfter bekräftigt hat: Eine Impfpflicht wird es in Deutschland nicht geben.

Das wird natürlich in Bezug auf die Olympischen Spiele auch spannend. Ich habe vor Kurzem gelesen, dass Japan möglichst viele ausländische Zuschauer zulassen will. Wäre das für Sie als Sportler ein Grund zu sagen, "Ich fahre da nicht hin, wenn ich das Gefühl habe, die Sicherheitsvorkehrungen passen nicht"?

(räuspert sich und lacht) Ganz schwierige Frage. Fürs Leben allgemein gilt natürlich immer, wenn die Sicherheit nicht gewährleistet ist, sollte man das Risiko nicht eingehen.

Was die Olympischen Spiele angeht - ein Ziel, ein Traum, für den ich mein ganzes Leben gearbeitet habe - da müsste schon noch mehr kommen, damit ich das absage.

Ich bin guter Dinge, dass das Risiko bei den Großveranstaltungen vor Ort viel geringer sein wird als in meinem normalen Trainingsalltag, wo ich meinen Gegner nicht jeden Tag testen kann.

Wenn man es objektiv betrachtet, ist die Vorbereitungszeit deshalb viel risikoreicher als das Hauptevent.

Sie glauben also, es wird wie in der Bundesliga aktuell ...

Wahrscheinlich sogar noch krasser.

Stäbler glaubt zu "100 Prozent", dass die Olympischen Spiele stattfinden

Wie, glauben Sie, werden die Olympischen Spiele stattfinden? Werden Sie vor Zuschauern ringen?

Das ist auch eine ganz große mentale Geschichte. Seit das Thema losging vor ein paar Monaten und ich wirklich jeden Tag mit der Frage konfrontiert werde, ob die Spiele überhaupt stattfinden, ob ich vielleicht alles umsonst mache, ist für mich ganz klar die Programmierung vom Kopf her, dass die Spiele zu 100 Prozent stattfinden werden. Aus zwei Gründen:

Der erste Grund ist, wenn ich nicht zu 100 Prozent daran glaube, sondern nur zu 98 oder 99 Prozent, dann habe ich nicht die Kraft, Tag für Tag im roten Bereich zu arbeiten und über meine Grenzen zu gehen.

Der zweite Grund: Das Schicksal hat mir Corona hingeschmissen, außerdem wurde für Olympia auch noch meine Gewichtsklasse gestrichen und ich muss noch extrem viel abnehmen. Das sind zwei Riesenbaustellen. Wenn ich da nicht zu 100 Prozent daran glaube, dass die Spiele stattfinden und immer im Hinterkopf habe, es könnte alles umsonst sein, dann kann ich es gleich lassen.

Ich habe viele Kumpels bei der Nationalmannschaft, die fahren gerade nur Halbgas. Wir führen viele Gespräche, in denen ich sage, "Hey Jungs, es ist nur noch ein dreiviertel Jahr, jetzt lasst es uns durchziehen" - und dann als Antwort höre: "Ja, aber was soll das Ganze, wahrscheinlich wird es eh abgesagt, ist alles umsonst, und warum soll ich mich dann quälen?" Nach diesen Gesprächen habe ich für mich selbst festgestellt, dass das der große Unterschied sein wird.

Gerade jetzt braucht man die Energie, um in diese ungewisse Zeit mutig reinzugehen. Ich glaube, nur wer das macht, ist dann später, wenn es losgeht, wirklich vorbereitet.

Mal abgesehen von Ihrer Erkrankung war ja das ganze Jahr schwierig für Sportler, die nicht die finanziellen Möglichkeiten haben wie beispielsweise die Fußballer. Haben Sie sich genug unterstützt gefühlt von Ihrem Verband, von der Bundesregierung, oder sehen Sie da noch Potential nach oben?

Ich denke, Potential nach oben ist immer gegeben, aber ich habe auch großes Verständnis. Wir sind in einer Situation, die es weltweit so noch nie gab. Jeder Mensch lebt momentan in Angst, in Verunsicherung, in Drucksituationen, die man sonst nicht kennt.

Deshalb ist es auch schwer, egal ob für den Verband oder die Politik, Entscheidungen zu fällen. Da muss sich jeder rantasten. Das hat das ganze Jahr, die ganze Vorbereitung außergewöhnlich und verrückt gestaltet.

Aber auch in dieser Lage - und Sie merken sicher schon, man muss sich mental damit auseinandersetzen (lacht) - habe ich mich darauf programmiert, dass wenn alles einfach ist und es super läuft, dann kann das jeder. Aber es kommt darauf an - und das ist auch der Unterschied, ob du Gold gewinnst, oder nur Silber - wer weitermacht, wenn es mal nicht so läuft, wenn sich alles gegen einen verschwört. Wer dann nicht den Kopf nach unten senkt, sondern trotzdem weitermacht, der wird am Ende immer oben stehen.

Diese Einstellung hat mich immer erfolgreich gemacht, und es gilt auch für die Coronazeit, dass ich versuche voranzugehen, das Beste daraus zu machen. Derjenige, der die Situation am schnellsten akzeptieren kann, der wird auch gewinnen.

Was erhoffen Sie sich für das Jahr 2021, auch wenn ich es mir schon fast denken kann?

Es sind drei Dinge: Punkt Nummer eins - und das ist wirklich das Wichtigste - ist wieder gesund zu werden und es zu bleiben. Punkt Nummer zwei: Im Februar werde ich zum zweiten Mal Vater. Das wird die Welt kurz vor Olympia auch nochmal auf den Kopf stellen.

Und der letzte Punkt: Am 4. August 2021 wird meine Karriere in Tokio enden. Egal, was passiert, es wird das Ende sein. Es wird alles sehr spannend werden - aber meine Laufbahn wird mit einer strahlenden Medaille enden.

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