Dass Vernunft und Logik nicht unbedingt die Maßstäbe in der Verkehrspolitik sind, zeigt seit Jahren der Widerstand im Verkehrsministerium gegen ein Tempolimit auf Autobahnen. In der neuesten Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" widmet sich Jan Böhmermann einem weiteren Irrsinn deutscher Verkehrspolitik: dem desolaten Zustand von Brücken.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Jan Böhmermann hat seit dem Umzug des "Neo Magazin Royale" ins ZDF-Hauptprogramm inhaltlich abgespeckt und konzentriert sich seit vier Jahren vor allem auf ein Schwerpunktthema, das er satirisch aufarbeitet.

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Das heißt aber nicht, dass Böhmermann sich gar nicht mehr um Tagesaktuelles kümmert, im Gegenteil. Das wird nur inzwischen mit einem kurzen Stand-up-Part gleich zu Beginn abgeräumt und auch an diesem Freitagabend zeigt Böhmermann, dass es dafür manchmal nur einen oder zwei Sätze braucht.

"Herzlich willkommen an Tag zwei nach dem Abschied von Elton bei ProSieben", stichelt Böhmermann staatstragend ironisch gegen die Relevanzgewichtung mancher Themen und holt dann mit einem einzigen Satz sowohl gegen Moderator Elton als auch gegen den Bundeskanzler aus. "Aber es gibt auch schlechte Nachrichten diese Woche: Olaf Scholz ist jetzt bei TikTok." Für die nächste Attacke braucht Böhmermann ein paar Worte mehr, die aber nicht weniger treffen. Das Ziel: der Populismus und die Doppelmoral des bayerischen Ministerpräsidenten.

"Markus Söder will ein Cannabis-Verbot für das Oktoberfest. Das war bereits der Witz", beginnt Böhmermann und fährt dann fort: "Aber keine Sorge: Das bayerische Kulturgut, besoffen vollgekotzte Dirndl-Dekolletés begrabschen, während man versucht, vorübergehenden Kellnern mit dem Firmen-Blackberry unter den Rock zu fotografieren, bleibt natürlich weiterhin legal und erwünscht auf dem Oktoberfest."

"Brückentag" beim ZDF Magazin Royale

In der Tat zeugt es von einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet der, der immer am lautesten "Verbotspartei" in Richtung der Grünen schreit, nach dem Gendern nun wieder etwas verbieten lassen möchte – wenn es doch nur genügend Applaus von den Stammtischen dafür gibt. Umso entlarvender, wenn Böhmermann die Absicht und die Doppelmoral, die hinter solchen Vorschlägen Söders steckt, mit nur zwei, drei Sätzen entlarvt.

So weit, so Stand-up, bleiben noch gut zwei Drittel der Show, um sich einem neuen Thema zu widmen und das beginnt wie so oft mit ein paar Schlagzeilen: "Verkehrschaos wegen maroder Autobahnbrücken", heißt es dort, oder "Wie marode Brücken die Wirtschaft bedrohen" oder auch "Warum baufällige Brücken ein Dauerproblem bleiben."

Das Thema ist also nicht schwer zu erraten, Böhmermann erklärt es aber noch einmal auf seine Weise: "Fußgängerbrücken, Bahnbrücken oder die deutscheste unter den deutschen Brücken, die Autobahnbrücke: Deutsche Brücken sind da, wo das deutsche Huhn ihr Frühstücksei herstellt – im Arsch."

Böhmermanns Erzählung zu Deutschlands Brücken und deren Zustand geht in etwa so: Land auf, Land ab sind Brücken kaputt und deshalb wichtige Verkehrsknotenpunkte für LKW gesperrt. Das sorgt für Dauerstau und damit neben Stress für Pendler auch für wirtschaftliche Einbußen.

"Autobahnbrücken sind kritische Infrastruktur", erkennt Böhmermann, dementsprechend groß sei das Problem. Damit wäre die Geschichte der kaputten deutschen Autobahn eigentlich bereits erzählt, aber Böhmermann streckt das Thema naturgemäß mit allerlei Einspielern zur Veranschaulichung, obwohl die Zusammenhänge nicht allzu schwer zu verstehen sind, vor allem aber als Reservoir für Gags.

Warum die Brücken so aussehen, wie sie aussehen

Einer davon ist, dass Brücken wohl nicht mit Hightech-Instrumenten geprüft werden, wie man sich das vielleicht vorstellt, sondern mit einem Geologen-Hammer. Ob das wirklich so ist, spielt im Grunde keine Rolle, als Gag funktioniert die Sache einigermaßen.

Inhaltlich bedeutsamer sind da die Fakten, die Böhmermann rund um die Gründe für den Zustand der Brücken gesammelt hat. Zum Beispiel, dass fast jede zweite Brücke zur selben Zeit, also etwa in der 1960er Jahren gebaut wurde und dementsprechend auch zur gleichen Zeit renovierungsbedürftig geworden ist.

Gleichzeitig habe man damals durch den eisernen Vorhang nicht eingeplant, dass Deutschland eines Tages wiedervereinigt und damit Transitland mitten in Europa wird. Das ist aber nun der Fall, so erklärt sich, dass die Brücken in Deutschland derart marode sind.

Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit, der andere ist, dass man die Brücken ja in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hätte renovieren können. "Ich habe die Verkehrsinfrastruktur in einem desolaten Zustand von meinen Amtsvorgängern übernommen", zitiert Böhmermann dementsprechend Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) aus dem Juni 2022.

Die für diese desolaten Zustände seit 2000 verantwortlichen Minister führt Böhmermann mit Bodewig (SPD), Stolpe (SPD), Tiefensee (SPD), Ramsauer (CSU), Dobrindt (CSU) und Scheuer (CSU) auf und fragt: "Warum also haben die unsere Brücken so lange vor sich hin krümeln lassen?"

Die Antwort Böhermanns: Neue Verkehrsprojekte gäben "geilere Fotos" als die von renovierten Autobahnen, die Investitionssummen seien zu klein, die Zahl der Ingenieure für die Umsetzung zu niedrig. Und so wuchs der Renovierungsstau und mit ihm die Staus durch gesperrte Brücken.

"Die fossilen Fossilien im Bundesverkehrsministerium"

So undankbar die Aufgabe für Volker Wissing angesichts der Fehler seiner Vorgänger auch sein mag: Böhmermann hat in seiner Brücken-Ausgabe auch Platz für Fehler des aktuellen Verkehrsministers gefunden.

Dass die Verkehrsinfrastruktur seit Jahrzehnten von den Vorgängerregierungen auf Verschleiß gefahren wurde, müssten inzwischen auch die verstanden haben, die gerne die Ampel-Koalition für alles und jeden verantwortlich machen. Dennoch ist es eine Frage, wie man mit dem Scherbenhaufen seiner Vorgänger umgeht und da sieht Böhmermann Wissing auf dem falschen Weg.

Denn statt sich der Zukunft zuzuwenden und eine dringend nötige, weil klimafreundliche Mobilitätswende anzustoßen, wiederhole Wissing die Fehler aus der Vergangenheit. Obwohl Mobilitätsforscher warnten: "Er kann es einfach nicht lassen mit dem guten alten Neubau", so Böhmermann.

Neue Fahrstreifen oder breitere Straßen sorgten nur für eine stärkere Nachfrage und damit für noch größere Staus. "Die fossilen Fossilien im Bundesverkehrsministerium kommen zwar mit der Sanierung all der Brücken nicht hinterher, aber bauen mehr Autobahnen, die eines Tages ja auch wieder saniert werden müssen", erklärt Böhmermann.

Dass all die Probleme seit Jahren bekannt sind, zeigt, wie wenig innovativ das Thema ist, das sich Böhmermann und seine Redaktion für die aktuelle Ausgabe ausgesucht haben. Es zeigt aber auch, wie wichtig eine Lösung ist, damit die Zukunft nicht aussieht, wie die Vergangenheit.

Oder wie es Böhmermann formuliert: "Die Benzinköpfe im traditionell benzinbetriebenen Bundesbenzinverkehrsministerium haben vor lauter Angst vor der Autobahnapokalypse vergessen, dass es ja auch eine Welt jenseits der Autobahn gibt."

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