Am 3. September 1999 ging "Wer wird Millionär?" erstmals in Deutschland auf Sendung – mit Günther Jauch als Moderator. Noch heute sitzt der 68-Jährige auf dem "WWM"-Stuhl und ist damit der dienstälteste Host des weltweit erfolgreichen Showformats. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Sendung in diesem Jahr strahlt RTL am 17.10. (20.15 Uhr) eine Spezialausgabe aus.
Herr
Günther Jauch: Eher, dass es die Sendung seit 25 Jahren gibt. Denn: Als ich "Wer wird Millionär?" zum ersten Mal – damals übrigens probeweise für nur vier Sendungen – gemacht habe, hielt ich die Geschichte des Genres "Quiz" im Fernsehen für auserzählt. Quiz, das war für mich "Einer wird gewinnen" mit Hans-Joachim Kulenkampff oder "Was ich bin ich?" mit Robert Lembke.
À la "Welches Schweinderl hätten Sie denn gern" …
Ganz genau. Quizsendungen hatten für mich eine Schwarz/Weiß-Anmutung. Daher hatte ich nicht gedacht, dass das Quiz im TV noch einmal eine Chance bekommen würde. Offensichtlich hatte ich mich getäuscht, schließlich ging die Sendung in ganz kurzer Zeit völlig durch die Decke – und zwar weltweit. Das spricht letztlich für die Qualität der Erfindung dieser Quizshow. Dass ich "Wer wird Millionär?" so lange machen würde, hatte ich eigentlich auch nicht erwartet. Wobei ich schon eher die lange Strecke gehe, wenn ich mich einmal mit einem Format angefreundet habe. "Stern TV" habe ich über 21 Jahre moderiert und den großen Jahresrückblick 34 Jahre lang. Insofern habe ich da mit Blick auf "Wer wird Millionär?" noch Luft.
Eine Quizfrage für Günther Jauch
Da ich im "WWM?"-Studio heute auf Ihrem Stuhl Platz nehmen darf, stelle ich Ihnen natürlich auch eine Quizfrage. Welches Ereignis fand nicht 1999, also im Jahr des "WWM"-Debüts, statt?
- A: Günther Jauch moderiert mit 43 Jahren seine erste "WWM"-Sendung.
- B:
Steffi Graf gewinnt die US Open. - C: Johannes Rau wird Bundespräsident.
- D: Die Gruppe Sürpriz vertritt Deutschland beim ESC und schneidet besser ab als Guildo Horn und Stefan Raab?
Ich weiß, dass sowohl
Das ist leider falsch. Die Gruppe Sürpriz wurde 1999 mit dem Ralph-Siegel-Titel "Reise nach Jerusalem" Dritter. Richtig wäre die Antwort "B" gewesen, da Steffi Graf in dem Jahr die French Open, nicht aber die US Open gewonnen hat.
Und schon ertönt die Melodie "Dideli dideli dum" (lacht).
Wie viele der bisher 15 richtig beantworteten Millionenfragen hätten Sie lösen können?
Gewusst hätte ich die Antwort auf die Frage, die den Gastwirt Ralf Schnoor (im November 2010; Anm. d. Red.) letztendlich zur Million führen sollte. Da ich als Kind selbst ein leidenschaftlicher Briefmarkensammler war, wusste ich, dass der "Schwarze Einser" damals in Bayern als erste deutsche Briefmarke herausgegeben worden war. Für mich persönlich war das eine absolute "Lulli-Frage". Ralf Schnoor erging es ja ähnlich. Schließlich war er derjenige, der seinen Telefonjoker nutzte, nur um der Person in der Leitung zu verkünden, dass er gleich die Million gewinnen werde. Darüber hinaus fällt mir keine Millionenfrage ein, die ich hätte richtig beantworten können.
Auch nicht die "Europaletten"-Frage des bis dato letzten "WWM"-Millionärs Ronald Tenholte im März 2020?
Nein, um Gottes willen. Keine Chance! Ich wusste auch nicht, aus wie vielen Steinchen der klassische Zauberwürfel besteht (26, richtig beantwortet von Leon Windscheid 2015; Anm. d. Red.). Ebenso wäre ich nicht darauf gekommen, dass Tenzing Norgay derjenige war, der 1953 neben Edmund Hillary auf dem Gipfel des Mount Everest stand. Diese Frage konnte Eckhard Freise richtig beantworten und wurde so zum ersten Millionär der Sendung.
Sind Sie Eckhard Freise dafür bis heute dankbar?
Die Sendung hieß zwar von Anfang an "Wer wird Millionär?", doch erst Eckhard Freise konnte beweisen, dass man in dieser Sendung auch wirklich Millionär werden kann. In diesem Moment hatte sich der Mythos endlich erfüllt.
Warum warten wir mittlerweile seit mehr als vier Jahren auf eine weitere Millionärin oder einen weiteren Millionär?
Es stimmt, im Schnitt wird bei uns alle gut drei Jahre jemand Millionär. Daher wäre es mal wieder an der Zeit. Allerdings fallen die Millionäre nicht einfach so vom Himmel. Man könnte natürlich behaupten, dass der Weg zur Million schwerer geworden ist, doch das liegt im Auge des Betrachters. Wir hatten Millionenfragen dabei, die sogar fünfjährige Kinder beantworten konnten – ich erinnere mich da an eine Märchen-Frage, die viele Erwachsene vor enorme Herausforderungen gestellt hat. Es kann andere Gründe geben, warum es mit der Million momentan stockt.
Welche Gründe könnten das sein?
Ich stelle fest, dass die Anzahl der Menschen, die von vornherein ganz bewusst etwas riskieren wollen und mit einer fast schon hasardeurhaften Spiellaune in die Sendung gehen, zurückgegangen ist.
Woran machen Sie diesen Wandel fest? Und mit welchen Zielen im Hinterkopf geht die Mehrheit heute in die Show?
Viele haben einen festen Auftrag im Gepäck. Die einen brauchen für Omas Wintergarten 16.000 Euro, die anderen wollen sich ein Auto zulegen oder eine Hochzeit finanzieren. Dieser klaren Agenda entsprechend setzen sie dann ihre Joker ein. Auch wenn sie die Antwort eigentlich wissen, wollen sie diese absichern. Die Joker fehlen dann unter Umständen bei den späteren Fragen, in denen es um die ganz großen Summen geht. Niemand will mit 500 Euro oder gar komplett ohne Gewinn wieder nach Hause gehen. Die Angst vor dem Absturz und der Blamage ist selbst bei niedrigeren Beträgen vielleicht größer als früher. Zudem spielt in schwierigen Zeiten wie diesen der Sicherheitsaspekt ohnehin eine wichtige Rolle.
Günther Jauch: "Ich habe keine Agenda – bei niemandem"
Hat sich Ihre Herangehensweise im Umgang mit den Kandidatinnen und Kandidaten über die Jahre verändert? Wollen Sie eher helfen oder verunsichern?
Ich habe keine Agenda – bei niemandem. Weder möchte ich jemandem aus Sympathie zu einem Gewinn verhelfen, noch möchte ich aus einer Antipathie heraus einen Gewinn verhindern. Das bedeutet aber nicht, dass ich alle Menschen gleich gerecht behandele. Ich bin hart, aber ungerecht. Stellen Sie sich einmal vor, was passieren würde, wenn ich bei jeder falschen Antwort mit gramzerfurchtem Gesicht fragen würde: "Möchten Sie sich diese Antwort nicht noch einmal ganz genau überlegen?" In diesem Fall würde doch auch der letzte Fernsehzuschauer wissen, dass die Antwort grundsätzlich falsch sein muss, sobald ich diese Frage stelle. Außerdem heißt die Sendung nicht "Betreutes Gewinnen".
Führt das manchmal auch zu Missverständnissen?
Ja, das tut es. Es kommt vor, dass mir 50-jährige Männer gegenübersitzen und zu mir sagen: "Zu der 25-jährigen Blondine waren Sie vor drei Wochen aber viel netter." Man versucht dann, daraus ein System zu konstruieren. Es gibt aber kein System.
Was macht für Sie heute, 25 Jahre nach dem Start, den Reiz von "Wer wird Millionär?" aus?
Es sind nach wie vor die unterschiedlichen Menschen und ihre Geschichten. Man könnte auch einen Computer hinstellen und diesen mit einer KI-Stimme die Fragen stellen lassen. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Sendung auf diese Weise nicht funktionieren würde. Ich wage sogar zu behaupten, dass es für den Erfolg von "Wer wird Millionär?" nicht entscheidend ist, ob jemand mit 4.000 Euro oder mit 125.000 Euro nach Hause geht. Für den Einzelnen ist das natürlich entscheidend, für das Publikum jedoch nicht.
Was ist für das Publikum dann entscheidend? Warum schalten die Menschen nach wie vor ein?
Das Publikum möchte die Spannung hautnah mitbekommen. Es möchte erleben, wie jemand völligen Unsinn erzählt und dann – vielleicht durch Zufall – doch noch auf die richtige Lösung kommt. Das Publikum möchte verzweifelte Menschen sehen, die innerhalb kurzer Zeit zu Helden werden. Auch wenn es kitschig klingen mag: In der Sendung steckt so viel Leben. Wenn etwa jemand in Tränen ausbricht, weil er sich einen großen Wunsch erfüllen kann, dann sind das die Momente, die auch mich immer wieder neu motivieren. Von zehn Menschen, die mir in der Sendung gegenübersitzen, kann ich im Nachhinein sagen, dass es sich bei mindestens acht Menschen gelohnt hat – im Positiven wie im Negativen. "Wer wird Millionär?" ist auch ein Spiel mit dem Klischee.
Wie meinen Sie das?
Man steckt die Kandidatinnen und Kandidaten zu Beginn unweigerlich in eine Schublade und beobachtet im weiteren Verlauf, ob sie wieder aus dieser Schublade herausspringen werden. Manche wirken auf den ersten Blick überheblich, scheitern dann auch früh. Andere wiederum können sich am Anfang gar nicht verkaufen, wachsen von Frage zu Frage aber über sich hinaus.
Welche Momente in 25 Jahren "Wer wird Millionär?" haben Sie am nachhaltigsten geprägt?
Neben dem Zauber um den ersten Millionengewinner Eckhard Freise ist mir ein Moment in Erinnerung geblieben, als jemand von 750.000 auf 1.000 Euro heruntergefallen ist. Dieser Kandidat hat es tatsächlich sportlich genommen und in einer späteren Sendung tatsächlich doch noch mehr als 100.000 Euro abgeräumt. Auf der anderen Seite habe ich Menschen getroffen, mit denen es das Leben bis dahin nicht allzu gut gemeint hat – und plötzlich fallen mitten in der Sendung sämtliche Benachteiligungen und wirtschaftlichen Sorgen von der jeweiligen Person ab.
Welches war die bisher kurioseste Reaktion einer Kandidatin oder eines Kandidaten – abgesehen von Ralf Schnoors Anruf bei seinem Telefonjoker?
Da kommt mir ein Kandidat in den Sinn, der seinen Gewinn in Höhe von 125.000 Euro nahezu gleichmütig aufgenommen hat. Auf meine Frage, ob er sich denn gar nicht darüber freue, antwortete er: "Ne, das Geld kriegt morgen sowieso das Finanzamt." Er wurde im Anschluss an die Sendung tatsächlich auch sofort gepfändet. Auch diese Geschichte ist ein Spiegelbild des Lebens.
"Wenn ich die Sendung nicht mehr machen will, ist sie nicht zwangsläufig erledigt"
Was halten Sie für wahrscheinlicher: Dass die Sendung "Wer wird Millionär?" eines Tages ohne Sie weitergehen oder mit Ihnen enden wird?
Wenn das Publikum die Sendung nicht mehr will, ist sie erledigt. Wenn der Sender die Sendung nicht mehr will, ist sie erledigt. Aber wenn ich die Sendung nicht mehr machen will, ist sie nicht zwangsläufig erledigt. Denn die Friedhöfe sind voll von unersetzlichen TV-Moderatoren. Auch ich werde mich da irgendwann mal einreihen.
Als ich seinerzeit mit "stern TV" aufgehört habe, hat man mir versichert, dass dies mit dem Ende der Sendung einhergehen würde. Mit Steffen Hallaschka wurde jedoch ein ausgezeichneter Nachfolger gefunden – eine hervorragende Wahl. Und auch bei ProSieben dachte man eine Zeit lang, dass es den Sender ohne Stefan Raab in Zukunft nicht mehr geben würde. Die Wahrheit ist eine andere.
Wie denken Sie über das Raab-Comeback? Und würden Sie sich wünschen, dass er Ihnen vielleicht mal bei einem Prominenten-Special von "Wer wird Millionär?" gegenübersitzt?
Das muss jeder selber wissen. Meine Leidenschaft, mich alle paar Jahre mit einer Frau zu prügeln, ist eher begrenzt. Aber beim Prominenten-Special kommen die meisten Protagonisten mit einem blauen Auge davon…
Über den Gesprächspartner
- Günther Jauch ist ein deutscher Moderator und Journalist. Zu Beginn seiner Laufbahn machte er sich vor allem als Sportmoderator einen Namen – erst beim Bayerischen Rundfunk, später (ab 1988) beim ZDF in der Sendung "das aktuelle sportstudio". Von 1990 bis 2011 führte der gebürtige Münsteraner durch das von RTL ausgestrahlte Magazin "stern TV". Im September 1999 begann dann seine bis heute andauernde "Wer wird Millionär?"-Ära. Dafür wurde der 68-Jährige unter anderem mit dem Bambi und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Seit 2018 ist Jauch an der Seite von Barbara Schöneberger und Thomas Gottschalk fester Kandidat in der Spielshow "Denn sie wissen nicht, was passiert".
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