Mecklenburg-Vorpommern ist vorangeprescht: Der dortige Wirtschaftsminister Harry Glawe will die coronabedingte Maskenpflicht im Handel abschaffen. Einige Bundesländer wollen nun nachziehen – doch die Kritik an dem Vorhaben ist groß.
Zuletzt waren es täglich nur noch zwischen 200 und 500 Neuinfizierte. In ganz Deutschland. Angesichts der weiter abflachenden Kurve scheint die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie weitestgehend abgebremst zu sein. Besiegt ist SARS-CoV-2 freilich nicht, auch ein Impfstoff ist nach wie vor nicht in Sicht.
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern ist nun vorangeprescht: Das Bundesland will die Maskenpflicht im Einzelhandel abschaffen.
Wenn das Infektionsgeschehen in seinem Bundesland so gering bleibe wie derzeit, sehe er keinen Grund für diese Auflage, sagte Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) der "Welt am Sonntag" (WamS). Er könne "die Ungeduld des Handels sehr gut nachvollziehen, die Maskenpflicht abzuschaffen", sagte Glawe. Etliche andere Bundesländer wollen nun nachziehen und zumindest prüfen, ob sie Gegenmaßnahmen weiter lockern können.
Das sind die Positionen der einzelnen Bundesländer:
- Baden-Württemberg: "Grundsätzlich bleibt die Maskenpflicht zentraler Baustein im Kampf gegen das Coronavirus", sagte eine Regierungssprecherin unserer Redaktion. Neben den Abstands- und Kontaktregeln zähle der Mund-Nasen-Schutz zu den "wirksamsten Mitteln" im Alltag. Auch angesichts weltweit steigender Infizierten-Zahlen gebe es "keinen Anlass zur Entwarnung", betonte die Sprecherin. Das Virus sei weiterhin gefährlich.
- Bayern: Ministerpräsident
Markus Söder (CSU) lehnt ein Ende der Maskenpflicht strikt ab. Man werde die Maskenpflicht auf keinen Fall lockern oder abschaffen, sagte der am Montag vor einer Videokonferenz des CSU-Vorstands in München. Schleswig-Holstein, Brandenburg und Hamburg aus. - Berlin: Angesichts vieler anderer Lockerungen seien die Abstandsregeln und der Mund-Nasen-Schutz umso wichtiger, betonte Senatssprecherin Melanie Reinsch gegenüber dem RBB.
- Brandenburg: Das Bundesland spricht sich gegen ein zeitnahes Ende der Pflicht für den Mund-Nasen-Schutz in Geschäften aus.
- Bremen: Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) will das Thema nach eigenen Angaben im Senat diskutieren.
- Hamburg: Bürgermeister
Peter Tschentscher (SPD) reagierte skeptisch auf den Vorschlag. "Das Tragen einer Gesichtsmaske im öffentlichen Nahverkehr und im Einzelhandel ist eine Voraussetzung für die seit vergangenen Mittwoch geltenden Lockerungen in Hamburg", sagte Tschentschers Sprecher der "Süddeutschen Zeitung". Erst Ende August, wenn die Menschen aus ihrem Urlaub zurückgekehrt seien, könne beurteilt werden, wie sich die Corona-Infektionszahlen entwickelten. Bis mindestens dann würden auch noch die Hygienevorschriften in Hamburg gelten. - Hessen: Bisher keine Positionierung.
- Mecklenburg-Vorpommern: Die Landesregierung will die Maskenpflicht in Geschäften abschaffen. Die Abstandsregel werde aber grundsätzlich fortbestehen.
- Niedersachsen: Wirtschaftsminister
Bernd Althusmann (CDU) plädierte dafür, die Pflicht in eine Empfehlung umzuwandeln. - Nordrhein-Westfalen: Die Landesregierung lehnt derzeit eine Lockerung ab. "Solange wir ohne wirksamen Impfstoff und Medikamente mit dieser neuen, ungewohnten Situation leben, werden die Menschen weiterhin mit Regeln und Veränderungen umgehen müssen", sagte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums der "Rheinischen Post". Dazu gehören noch für einige Zeit unter anderem Kontaktbeschränkungen, Abstandsregeln und die Mund-Nasen-Bedeckung.
- Rheinland-Pfalz: Eine jetzige Aufhebung der Maskenpflicht wäre laut einer Sprecherin des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums das falsche Signal: "Gerade die Ferienzeit und die Zeit nach den Ferien werden entscheidend sein, um zu beurteilen, wie sich das Infektionsgeschehen weiter entwickelt", sagte sie der "Rheinischen Post".
- Saarland: "Solange es weder ein Medikament noch einen Impfstoff gibt, ist die Kombination aus Abstand, Hygiene, Alltagsmasken und der Nachverfolgung von Infektionsketten das wirksamste Mittel gegen SARS-CoV-2. Aus diesem Grund werden wir auch im Saarland weiterhin an der Maskenpflicht festhalten", erklärte Regierungssprecher Alexander Zeyer auf eine Anfrage unserer Redaktion. Mehrere Studien hätten die Wirksamkeit von einfachem Mund-Nasen-Schutz beim Eindämmen der Pandemie bestätigt – allerdings haben die Alltagsmasken nur dann eine Schutzfunktion, wenn alle eine tragen.
- Sachsen: "Wir schauen uns gerade an, ob wir beim Einkaufen auf die Maskenpflicht verzichten können", sagte Sozialministerin Petra Köpping (SPD) der "WamS".
- Sachsen-Anhalt: Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) hält eine Änderung mittelfristig für denkbar. "Wir müssen darüber diskutieren, ob die Maskenpflicht im Handel dort zurückgenommen werden kann, wo es möglich ist, Abstand zu halten", sagte sie der "WamS".
- Schleswig-Holstein: Die Landesregierung will "die aktuelle Lage Anfang August bewerten und auf das Infektionsgeschehen angepasste Maßnahmen umsetzen", teilte das Gesundheitsministerium mit.
- Thüringen: Die Thüringer Landesregierung werde am Dienstag über eine neue Corona-Verordnung entscheiden, dabei werde sich aber an den meisten Regeln nichts ändern. "Das gilt auch für die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Einzelhandel und im öffentlichen Personennahverkehr", sagte Gesundheitsministerin Heike Werner (Die Linke) unserer Redaktion. Das Gebot habe sich bewährt, ebenso würden Beispiele aus der ganzen Welt zeigen, dass die Pandemie nicht vorbei ist.
Unsere Redaktion hat bei der hessischen Landesregierung angefragt und diese um eine Stellungnahme gebeten.
Gesundheitsminister Spahn lehnt Lockerung der Maskenpflicht ab
Bundesgesundheitsminister
Wo in geschlossenen Räumen der nötige Abstand nicht immer gesichert sei, bleibe deshalb die Alltagsmaske geboten, betonte der Bundesgesundheitsminister.
Im Deutschlandfunk wies Spahn am Montagmorgen zudem darauf hin, dass Deutschland die Erfolge im Kampf gegen die Pandemie "unter großen Kosten erreicht" habe. "Das ist Grund genug, das zu sichern und nicht zu sorglos zu sein".
Die Gefahr einer weiteren Infektionswelle sei noch nicht gebannt, warnte der Minister. "Da, wo wir es dem Virus zu leicht machen, kann es schnell wieder losgehen", sagte er. Eine Maskenpflicht sei "vor allem in geschlossenen Räumen" weiter sinnvoll. "Da macht es einen Unterschied."
Ähnlich äußerte sich der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. "Es wäre das völlig falsche Signal, diese Pflicht jetzt schon wieder aufzuheben", sagte Lauterbach der "Rheinischen Post". "Wenn es keine Maskenpflicht im Handel mehr gibt, kontaminieren Infizierte auch die Ware, und Kunden wie Beschäftigte werden durch die Aerosole stark gefährdet."
Glawe will bundesweites Ende der Maskenpflicht im Handel
Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Glawe kündigte Gespräche mit seinen Kollegen in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein an. "Wir versuchen, für alle norddeutschen Bundesländer eine einheitliche Regelung hinzubekommen", sagte der CDU-Politiker. "Noch lieber wäre mir ein bundesweites Ende der Maskenpflicht im Handel."
Glawes niedersächsischer Kollege Bernd Althusmann (CDU) hat für die Zeit nach den Sommerferien eine Debatte über die teilweise Abschaffung der Maskenpflicht angeregt. "Ich glaube, wir werden weiterhin eine Maskenpflicht im ÖPNV benötigen", sagte der Politiker am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Anders als im öffentlichen Nahverkehr könnten aber etwa im Einzelhandel Mindestabstände gewahrt werden. Daher wolle er Ende August, nach Ablauf der Sommerferien, erörtern, "ob wir aus einer Maskenpflicht am Ende eine Empfehlung machen".
Wenn das Infektionsgeschehen weiter so sinke wie derzeit, müsse darüber nachgedacht werden, "ob staatliche Vorgaben durch eine Freiwilligkeit und durch Verantwortung eines jeden von uns dann auch ersetzt werden können", sagte Althusmann. Er betonte: Der Einzelhandel in Niedersachsen leide massiv. (afp/dpa/mf)
Update 6. Juli, 16:50 Uhr: Die 16 Gesundheitsminister der Länder haben sich laut Deutscher Presse-Agentur darauf geeinigt, dass die Maskenpflicht auch im Einzelhandel wie bisher gelten soll. Es dürfe nicht der falsche Eindruck entstehen, die Pandemie wäre vorbei, hieß es nach einer Schalte der Ressortchefs mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn aus Kreisen der Gesundheitsminister.
Update 6. Juli 17:20 Uhr: Wir haben den Artikel um die Stellungnahme der Thüringer Gesundheitsministerin ergänzt.
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