Mit der Einführung des CO2-Preises in Deutschland sollte es auch einen finanziellen Ausgleich für die Bürger geben. Nur: Das sogenannte Klimageld lässt weiter auf sich warten. Jetzt machen Ampel-Politiker Druck. Ökonomen warnen aber vor zu großen Erwartungen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Hartmann und Fabian Busch sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

In Österreich bekommen alle dort dauerhaft lebenden Menschen einmal im Jahr Geld vom Staat direkt aufs Konto: Im vergangenen Jahr gab es 110 Euro – eine vierköpfige Familie bekam also 440 Euro. Wer in Regionen mit schlechter öffentlicher Verkehrsanbindung wohnt, bekam pro Person noch einen Aufschlag zwischen 40 und 110 Euro.

Mehr aktuelle News

Klimabonus heißt diese Zahlung: Der Staat hat in Österreich dem Klimagas CO2 einen Preis gegeben und damit Tanken und Heizen teurer gemacht. Das eingenommene Geld fließt aber über den Klimabonus zurück an die Bürgerinnen und Bürger.

Lesen Sie auch: Gastronomie: Zurück zu 19 Prozent Mehrwertsteuer – mit deutlich spürbaren Folgen

Und in Deutschland? Einen Teil des Konzepts gibt es auch hier: den CO2-Preis, der eigentlich eine CO2-Steuer ist. Seit 2021 macht er Tanken und Heizen teurer, in diesem Jahr wird er von 30 auf 45 Euro pro Tonne CO2 deutlich steigen. Das hatte schon die früher regierende Koalition aus CDU/CSU und SPD so geplant. Der ADAC rechnet dadurch mit einer Steigerung des Benzinpreises um 4,3 Cent pro Liter. Für die Gaskosten sagt das Vergleichsportal Check24 eine Mehrbelastung von 60 Euro pro Jahr für einen Musterhaushalt voraus.

Eigentlich haben die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag auch den zweiten Schritt versprochen: Sie wollten ein Klimageld einführen – also ein deutsches Pendant zum österreichischen Klimabonus. Der Gedanke dahinter: Das vom Staat überwiesene Geld gleicht die Belastungen durch gestiegene Preise aus, wovon vor allem Menschen mit geringen Einkommen profitieren. Der Anreiz zu klimafreundlichem Verhalten bleibt trotzdem erhalten. Denn wer zum Beispiel weniger tankt, hat mehr vom Klimageld.

Doch das Klimageld lässt auf sich warten. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) begründet das mit technischen Herausforderungen: Bislang kann der Staat nicht jedem seiner Bürgerinnen und Bürger eine Kontonummer zuordnen. Sein Ministerium arbeitet nun schon seit rund zwei Jahren daran, das zu ändern. 2025 könnte es so weit sein und das Klimageld ausgezahlt werden, hieß es zuletzt.

Also vier Jahren später als geplant, fast ein halbes Jahrzehnt, in dem die Deutschen bereits durch Mehrausgaben belastet worden sind – ohne die versprochene Kompensation. Doch was bedeutet es für den Klimaschutz, wenn der soziale Ausgleich fehlt? Kann er dann gelingen?

Klimageld: DIW-Chef Fratzscher kritisiert fehlenden sozialen Ausgleich

Die Frage beschäftigt auch die Wissenschaft. Der Ökonom Marcel Fratzscher hat kein Verständnis dafür, dass das Klimageld noch nicht da ist. Vor allem aus sozialer Sicht sei das ein Problem, sagt der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Vom Klimageld sollte auch das Signal ausgehen: Ja, Klimaschutz ist wichtig. Aber wir entlasten auch zielgenau Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen", so Fratzscher im Gespräch mit unserer Redaktion.

Dass dies nicht passiere, sei fatal. "So entsteht der Eindruck, dass die Politik teure Dinge wie den C02-Preis beschließt und die Bürger dann mit den Folgen alleine lässt", sagt Fratzscher. Es sei höchste Zeit, das Klimageld umzusetzen.

Darauf beharren auch die Grünen. "Das Klimageld muss kommen. In 2024 muss dazu der Auszahlungsmechanismus fertiggestellt werden", sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch unserer Redaktion. "Christian Lindner hat versprochen, dass das bis Anfang 2025 möglich sein wird. Darauf bauen wir."

Auch Nina Scheer (SPD) erwartet, dass zügig ein Auszahlungsinstrument geschaffen wird. "Es geht darum, dass die Menschen ökonomisch insgesamt nicht überfordert werden", sagt die klimapolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion unserer Redaktion. Die SPD setzt auf ein etwas anderes Modell als in Österreich, nämlich unterschiedliche Beträge für unterschiedliche Einkommen. "Eine soziale Staffelung des Klimageldes ermöglicht uns, denen mehr zu geben, die es stärker brauchen", sagt Scheer. "Wir alle wissen, dass es Menschen in diesem Land gibt, die keinen Ausgleich brauchen. Deswegen wäre eine soziale Staffelung nur gerecht."

Ökonom hält Erwartung an Klimageld für überzogen

Was da mitschwingt: Das Klimageld gleicht die Belastungen durch hohe Preise aus – zumindest bei denen, die es brauchen. Das aber glaubt Sebastian Dullien nicht. Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hält die Erwartungen an das Klimageld für überzogen.

"Es dämpft Belastungen sicherlich ab", sagt Dullien im Gespräch mit unserer Redaktion. "Aber es kann nicht alles ausgleichen, was an Mehrkosten auf die Deutschen zukommt."

Das hat das IMK in einer Studie aus dem Dezember berechnet. Das Ergebnis: Der CO2-Preis wirkt nicht überall gleich, innerhalb der Einkommensgruppen gibt es große Spreizungen. Konkret heißt das: Wer auf dem Land in einem unsanierten Haus wohnt und auf das Auto angewiesen ist, wird deutlich stärker belastet als jemand, der in der Großstadt in einer modernen Wohnung lebt und mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Büro fährt.

Wenn man so will: Der gut verdienende Städter merkt vom CO2-Preis zunächst relativ wenig. Anders als jemand in einer strukturschwachen Region auf dem Land.

Hinzu kommt: Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts muss die Politik Löcher im Etat stopfen. Die Einnahmen aus dem CO2-Preis kommen da gerade recht. Zumindest in diesem Jahr.

Sozialer Ausgleich? Grünen-Fraktionsvize Audretsch findet, dass der Bund die Menschen vorerst auch ohne Klimageld entlaste: "Die EEG-Umlage haben wir bereits abgeschafft, damit zahlen die Menschen in Deutschland in 2024 über zehn Milliarden Euro weniger an Abgaben."

Der Opposition reicht das nicht. "Die Ampel erhöht den CO2-Preis, entlastet die Bürgerinnen und Bürger allerdings nicht durch die gleichzeitige Rückgabe der Einnahmen. Sie schafft so ein soziales Ungleichgewicht, das die Akzeptanz dieses wichtigen Instruments für Klimaschutz beschädigt", sagt der stellvertretende CDU-Vorsitzende und Klimapolitiker Andreas Jung unserer Redaktion. Auf die Abschaffung der EEG-Umlage könne sich die Koalition nicht berufen, findet er. "Diese wurde ja auch ohne die anstehende CO2-Preiserhöhung bereits abgeschafft."

Aus Sicht des CDU-Politikers müsste die Regierung jetzt einen "durchgerechneten Plan" zur Rückgabe der Mittel an die Bürgerinnen und Bürger vorlegen.

© AFP/THORSTEN EBERDING

Doch selbst wenn das Klimageld kommt: Wirtschaftsforscher Dullien hat ermittelt, dass 18,6 Millionen Haushalte trotzdem draufzahlen, darunter sind 4,7 Millionen, die sogar stark belastet werden. Heißt: Sie müssten mehr als zwei Prozent ihres Nettoeinkommens aufwenden, um den steigenden CO2-Preis zu bezahlen.

Immerhin: Nach Dulliens Berechnungen würden auch 49 Prozent der Haushalte von der CO2-Bepreisung profitieren. Zumindest dann, wenn die Einnahmen komplett an die Bürger zurückfließen.

Die Gefahr der sozialen Verwerfungen aber bleibt – vor allem, wenn der CO2-Preis ab 2027 nicht mehr politisch bestimmt, sondern in ein freies Marktsystem überführt wird. Experten gehen davon aus, dass dann nicht mehr 30 bis 40 Euro pro Tonne CO2 fällig werden, sondern bis zu 300 Euro.

Ökonomen für Reform der Schuldenbremse

Was also tun? Klimageld: ja. "Aber es kann nur ein Instrument von vielen sein", sagt Dullien unserer Redaktion. Man müsse sich zusätzlich anschauen, welche Gruppen besonders belastet werden. Dazu gehören auch Hauseigentümer ohne großes Vermögen. Denkbar sei es, Kredite mit niedrigen Zinsen und leichter Zugänglichkeit zu schaffen und diese staatlich abzusichern.

Auch DIW-Chef Fratzscher wünscht sich "gezielte Hilfen" und spricht von "einer ganzen Palette von Unterstützungsmaßnahmen", die man brauche – etwa bei der energetischen Gebäudesanierung.

Das Problem: All das kostet Geld. Oder wie es Sebastian Dullien ausdrückt: "Das wird fiskalpolitisch nicht netto null sein". Und ob die Einnahmen aus dem CO2-Preis für eine groß angelegte ökologische Transformation des Landes reichen, ist ungewiss.

"Wir brauchen finanzielle Spielräume", sagt Dullien und nimmt die Schuldenbremse in den Blick. Sie gehöre reformiert. Das findet auch sein Kollege Fratzscher.

Beide meinen: Klimaschutz braucht sozialen Ausgleich – und eine weniger restriktive Finanzpolitik.

Verwendete Quellen

  • Gespräche mit Prof. Dr. Marcel Fratzscher und Prof. Dr. Sebastian Dullien
  • Stellungnahmen von Andreas Audretsch, Andreas Jung und Nina Scheer
  • klimabonus.gv.at
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.