Eine Woche ist die Bundestagswahl nun alt und die erste Aufregung dürfte sich gelegt haben. Zeit also, eine Regierungskoalition auf die Beine zu stellen. Nach dem Gang der SPD in die Opposition bleibt als Option eigentlich nur Schwarz-Gelb-Grün. Doch wäre das gut fürs Land? Das fragte gestern Abend Anne Will ihre Gäste. Die Antwort ist ein entschiedenes Jein.

Christian Vock
Eine Kritik
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Genau eine Woche ist es her, dass Anne Will mit ihren Gästen die Ergebnisse der Bundestagswahl ausgewertet hat. Nun trifft man sich an gleicher Stelle, aber mit anderer Besetzung, um die wahrscheinlich einzig verbliebene Regierungsoption durchzusprechen: die Jamaika-Koalition aus CDU, CSU, FDP und den Grünen: "Nach der Protestwahl – Wäre Jamaika die richtige Antwort?", fragt Anne Will.

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Die Ausgangslage vor "Anne Will":

Bereits in der vergangenen Woche hatte die Vertreterin der SPD, Manuela Schwesig, einen ebenso trotzigen wie angriffslustigen Auftritt bei "Anne Will" hingelegt: Die SPD wolle in die Opposition gehen, nun seien FDP und Grüne am Zug, erklärte Schwesig. Und als Wolfgang Kubicki der SPD deshalb Verantwortungslosigkeit vorwarf, fragte ihn Schwesig spitz: "Denken Sie, dass sie es nicht können?"

Am mangelnden Selbstbewusstsein eines Wolfgang Kubicki dürfte die Regierungsbildung nicht scheitern, eher schon an den unterschiedlichen Positionen von CDU, CSU, FDP und Grünen. Das wurde auch gestern Abend ein ums andere Mal deutlich.

Wer waren die Gäste bei "Anne Will"?

  • Markus Söder (CSU), Minister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat in Bayern.
  • Robert Habeck (B'90/Die Grünen), stellvertretender Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.
  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP.
  • Petra Köpping (SPD), Sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration.
  • Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der "Süddeutschen Zeitung".

Worüber wurde bei "Anne Will" gesprochen?

"Nach der Protestwahl – Wäre Jamaika die richtige Antwort?" lautete das Thema bei "Anne Will". Das klingt erst einmal ganz gut, aber was war denn die Frage? Worauf wäre Jamaika die richtige Antwort? Auf die große Koalition? Auf die Protestwahl? Auf vier Jahre Stillstand? Auf die drängenden Zukunftsfragen?

Ja, auch. Anne Will meinte damit aber vor allem die Spaltung des Landes, insbesondere die in Ost und West. Im Osten habe eine Jamaika-Koalition keinen Rückhalt, nur in Westdeutschland erfahre sie Zustimmung. "Kann Jamaika ein Integrationsmodell für ganz Deutschland sein?", fragt Anne Will also gestern die Runde.

Darüber wollte sich Markus Söder erst einmal keine Gedanken machen, sondern lieber weiter das Wahlergebnis analysieren, um zu sehen, was die Leute wollen. Damit war er zum Missfallen Wills wieder beim Thema Migration und kam im weiteren Verlauf auch nicht wirklich davon los.

Die Integrationsministerin Sachsens, Köpping, wies angesichts der vermeintlichen Zerrissenheit Deutschlands auf die krassen Biografieumbrüche vieler Ostdeutscher als eine Erklärung der Wahl hin. Ihrer Erfahrung nach gehe es vielen nicht um Flüchtlinge, sondern darum, dass sie selbst und "ihr Lebensbruch" wahrgenommen werden.

Mit ihren Ausführungen stieß sie in der Runde zwar auf Verständnis, aber nicht auf bedingungslose Zustimmung, schließlich hätten auch im Westen viele Menschen ähnliche Umbrüche erleben müssen. Einig war man sich aber in dem Punkt, dass man den Menschen wieder stärker zuhören müsse, insbesondere auf kommunaler Ebene.

Worüber wurde bei "Anne Will" nicht gesprochen?

Es war dementsprechend viel vom Menschen verstehen die Rede am gestrigen Abend. Man müsse seinen Blick darauf richten, was die Menschen wollen, man müsse ihnen zuhören. Petra Köpping warb dafür, die krassen Lebensumbrüche der Ostdeutschen besser zu verstehen. Und Markus Söder war der Meinung, man müsse die Menschen "ernster nehmen", ohne zu verraten, was das konkret bedeuten soll.

Nun ist Menschen verstehen an sich eine gute Sache, aber das gilt nicht nur für diejenigen, die vergangene Woche die AfD gewählt haben. Wenn, dann muss man auch die Menschen verstehen, die sich von der AfD bedroht fühlen.

Es war gestern Abend an Heribert Prantl, diesem Umstand Rechnung zu tragen. Als Markus Söder als Wahlauftrag der Menschen die Begrenzung der Zuwanderung sah, fragte ihn Prantl: "Sind die Deutschen die 12,6 Prozent AfD?"

Wo liegt das Dilemma der Jamaika-Koalition?

Robert Habeck war es, der die drei großen Probleme der künftigen Regierungskoalition benannte, egal, wie diese nun aussehen wird: "Politik muss auch eine Idee formulieren. Das ist bisher nicht gelungen", erklärte der Grünen-Politiker und meinte, dass die neue Regierung eine gemeinsame Vision finden muss, unter der sie das Land vereinen kann. Der Begriff der Heimat, wäre laut Habeck hierfür sehr gut geeignet.

Gleichzeitig wies er auf die soziale Frage hin, und gab sich auch hier selbstkritisch, denn keine der vier möglichen Koalitionspartner, die Grünen eingeschlossen, werde als "Schutzmacht der kleinen Leute" wahrgenommen. Man müsse sich deshalb auch in der Jamaika-Koalition der Gerechtigkeitsfrage annehmen.

Das dritte große Problem sei laut Habeck, dass der gemeinsame Nenner der möglichen Koalitionspartner der Wunsch nach Dynamik und Veränderung sei. Aber genau das würden eben viele Menschen nicht wollen. Hier gelte es, eine Balance aus Dynamik und gleichzeitigem Halt geben zu finden.

Wird es nun eine Jamaika-Koalition geben?

Die Antwort auf diese Frage liefert natürlich keine Politiktalkshow, sondern die anstehenden Koalitionsverhandlungen. Trotzdem ließen die gestrigen Gäste bei "Anne Will" ein bisschen mitschwingen, wie sie sich die Reise nach Jamaika vorstellen.

"Was wäre aus Ihrer Sicht wirklich toll an Jamaika?", fragt Anne Will gleich zu Beginn Markus Söder. "Puuh", entfährt es dem Bayer. Das größte Hindernis, so scheint es, wird der CSU-Fetisch Obergrenze sein.

Auch bei der FDP ist der Drops noch nicht gelutscht: "Ich sehe nicht, dass es so kommt", erklärt FDP-Vize Strack-Zimmermann und sagt weiter: "Der Ball liegt bei der CDU und der CSU. Wenn die CDU anruft, werden wir mit der CDU sprechen."

Robert Habeck, so macht es gestern Abend den Anschein, könnte der Brückenbauer bei den Verhandlungen sein. Habeck bringt seine Erfahrungen aus der schleswig-holsteinischen Jamaika-Koalition mit: "Wir müssen uns darauf einlassen. Jetzt ist die Frage, wie es gehen kann. Wie kann man seine eigenen Ziele erreichen, auf einem Weg, der für die anderen gangbar ist. Bei uns entstand dann Neues. Das setzt aber die Bereitschaft voraus, Fehler zu machen."

Das Fazit:

Es war eine interessante, aber auch etwas zerfahrene Runde gestern Abend, die zeigte, dass eine Jamaika-Koalition durchaus eine Chance für Deutschland sein kann. Erster gemeinsamer Nenner ist das Eingeständnis, mehr auf die Sorgen und Ängste der Menschen eingehen zu wollen – wie auch immer das jede Partei für sich selbst definiert.

Der gestrige Abend zeigte aber auch, dass es noch ein bisschen braucht, damit sich die Parteien selbst von der Chance, die eine Jamaika-Koalition bietet, begeistern können. Einen großen visionären Wurf wird man, Stand jetzt, also eher nicht erwarten dürfen.

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