Wenn Anton Hofreiter und Alexander Dobrindt bei Sandra Maischberger den Zustand der Ampel-Regierung diskutieren und Gregor Gysi seine Sicht zum Ukraine-Krieg ausbreitet, dann muss man kein Prophet sein, um das Ergebnis zu kennen. Und so zeigte die jüngste Ausgabe von "maischberger" am Dienstagabend einmal mehr, dass man in eine Polittalkshow nicht zwingend Politiker einladen sollte.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Themen des Abends:

Natürlich war auch diesmal der Krieg in der Ukraine Thema bei Maischberger. Darüber diskutierten Gregor Gysi und Alexander Rodnyansky. Thema zwischen Anton Hofreiter und Alexander Dobrindt war das Koalitionstreffen von FDP, SPD und Grünen. Diese beiden Themen diskutierte Maischberger mit Jagoda Marinić, Hubertus Meyer-Burckhardt und Nikolaus Blome schon einmal vor.

Mit diesen Gästen diskutierte Sandra Maischberger:

  • Alexander Dobrindt (CSU): Der Landesgruppenchef und ehemalige Verkehrsminister sieht in der Wahlrechtsreform nicht nur einen Angriff auf die CSU: "Es ist viel größer. Es ist ein Angriff auf die Opposition insgesamt", erklärt Dobrindt und bezeichnet die Reform als "verfassungswidrig" und "respektlos". Über das Ergebnis der Ampel-Verhandlungen sagt Dobrindt: "Im Ergebnis ist es nach 30 Stunden deutlich zu wenig und zu unkonkret." Zur Aufweichung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz hat Dobrindt eine gegenteilige Meinung als die Regierung: "Die Sektorziele snd vernünftig, man sollte sie im Einzelnen erreichen – auch übrigens im Verkehr." Hier lägen die Investitionen der aktuelle Regierung im Bahn- und Straßenbereich aber bisher deutlich unter denen der Vorgängerregierungen.
  • Anton Hofreiter (B’90/Die Grünen): Hofreiter sagt über die Verhandlungen der Ampel-Koalition: "Ich habe das Ergebnis ausgiebig studiert und bin positiv überrascht." Vorher habe er sich Sorgen über Naturschutz gemacht, sehe aber nun einen "Riesenfortschritt zum Biotopverbund." Natürlich habe es Streit gegeben, aber mit Blick auf den Streit zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel sagt Hofreiter: "Da sind wir noch nicht." Hofreiter sieht aber noch einen weiteren Unterschied: "Es langt nicht, nur Ziele zu vereinbaren, sondern man muss halt die Maßnahmen auch umsetzen […] Und das unterscheidet die Koalition von der letzten Koalition." Zur Wahlrechtsreform und einer angeblichen Benachteiligung der CSU sagt Hofreiter, man wolle niemanden mundtot machen, es müssten lediglich alle die 5-Prozent-Hürde schaffen. Alle bisherigen Reformversuche seien von der CSU verhindert worden: "Das ist immer alles boykottiert worden." Zudem habe die Vorgängerregierung eine Wahlrechtsreform gemacht, "die das Ergebnis so verzerren kann, dass diejenigen, die die Mehrheit der Stimmen haben, nicht die Mehrheit der Sitze bekommen."
  • Gregor Gysi (Die Linke): Gysi ist inzwischen außenpolitischer Sprecher seiner Partei und meint mit Blick auf die Vergangenheit: "Wir dürfen nicht mehr an Kriegen gewinnen." Die Ukraine habe das Recht auf Selbstverteidigung und er habe auch nichts gegen Waffenlieferungen, nur gegen Waffenlieferungen aus Deutschland. Er akzeptiere hier zwar andere Meinungen, aber sagt: "Meine Sicht ist durch meine Kindheit, durch meine Herkunft geprägt." Putin habe den Fehler gemacht, die Ukraine und den Westen zu unterschätzen, meint Gysi, warnt aber gleichzeitig Rodnyansky: "Begehen Sie nicht den Fehler, dass Sie die russischen Streitkräfte unterschätzen!" Gysi hat einen Vorschlag für einen Waffenstillstand mitgebracht. Man solle Putin anbieten, keine Waffen mehr zu liefern, im Gegenzug dürfe kein einziger Schuss mehr fallen. Wenn sich Putin darauf einlässt, gäbe es keine Toten mehr, wenn nicht, sage Putin damit indirekt, dass weitere Waffen geliefert werden sollen.
  • Alexander Rodnyansky. Der ukrainische Präsidentenberater Rodnyansky ist wie mancher Militär-Experte überzeugt, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinnt. Dementsprechend interpretiert Rodnyansky die Worte von US-Außenminister Antony Blinken, die Ukraine könne auf dem Boden, aber auch auf anderem Weg gewinnen: "Wenn wir es schaffen, die Krim zum Beispiel militärisch zurückzuerobern, dann wird das russische Regime kollabieren. Das wird er seinen Bürgern nicht erklären können." Die übrigen besetzten Gebiete wie den Donbass müsse man dann vielleicht gar nicht mehr militärisch befreien. Den Waffenstillstandsvorschlag von Gregor Gysi hält Rodnyansky für "ein unnötiges und abstraktes Gedankenexperiment". Wenn man aufhöre, würde sich Putin freuen. "Dieses Regime will doch gar nicht verhandeln", meint Rodnyansky. Seine Bedingung für einen Waffenstillstand ist: "Wir müssen einen Punkt erreichen, an dem die Russen verstehen, dass sie nicht mehr gewinnen können."
  • Jagoda Marinić: Marinić ist Autorin und sieht in den langen Verhandlungen und dem Richtungsstreit der Ampel "ein Zeichen, dass wir die Ära Merkel und Hinterzimmer beendet haben." Mit Blick auf die FDP habe Marinić großes Misstrauen: "Ich weiß im Moment nicht, wo die FDP hinwill." Über die Änderung, dass nun einzelne Sektoren wie die Industrie, anderen Sektoren wie dem Verkehr beim Erreichen der Klimaziele "aushelfen" können, sagt Marinić: "Heißt das dann: Wir bescheinigen Herrn Wissing dann, dass er nicht arbeiten muss, weil andere werden arbeiten?" Marinić habe das Gefühl, dass die FDP schon früher als andere im Wahlkampf sei – allerdings mit inhaltlichen Lücken: "Ich bin mir nicht sicher, wo die FDP vor allem in den nächsten Jahren sein möchte und ob sie die Klimakrise in ihrer Gänze verstanden hat." Beim Krieg in der Ukraine gebe es für Marinić ein großes Missverständnis in Deutschland. Die Menschen in der Ukraine würden denken: "Je schneller wir Russland deutlich machen, dass wir uns gut verteidigen können, desto mehr werden wir von Russland ernst genommen." In Deutschland denke man indes: "Je schneller wir helfen, desto mehr wird Russland denken, wir bedrohen sie", meint Marinić und erinnert in puncto rote Linien: "Als wir angefangen haben, waren die rote Linie die Helme."
  • Hubertus Meyer-Burckhardt (TV-Produzent): Meyer-Burckhardt sieht die langen Verhandlungen eher gelassen: "CDU und CSU haben damals länger gebraucht, um sich wieder zu einigen." Für Meyer-Burckhardt steht fest: "Der Gewinner diese Abends heißt Olaf Scholz." Es sei ein "ziemlich guter Kompromiss aus der Sicht des Bundeskanzlers". Allerdings brauche Scholz dringend einen Regierungssprecher wie in den 1980er Jahren, denn Scholz sei aus seiner Sicht ein guter Kanzler, der aber schlecht kommuniziert. Offene Fragen wie die nach den genauen Regelungen bei Heizungen würden sich finden, meint Meyer-Burckhardt. Beim Einsatz von Kampfjets in der Ukraine ist Meyer-Burckhardt skeptisch, sagt aber über die Lieferungen von Leopard-2-Panzern: "Alles, was hilft, diesen Mann an den Verhandlungstisch zu kriegen, weil er einsieht, dass er auf dem militärische Weg nicht weiterkommt, ist legitim."
  • Nikolaus Blome: Der Leiter des Politik-Ressorts von RTL/n-tv sagt über die Diskussionen der Regierung: "Es hat sich herausgestellt, dass das Vertrauen mit dem sie gestartet sind, weg ist." Deshalb habe es so lange gedauert. Blome findet die neue Regelung zur sektorenübergreifenden Gesamtrechnung bei den Klimazielen gut und sagt: "Da würde ich immer unter den Strich gucken." Über das vorgelegte Papier der Ampel sagt Blome beim Punkt Heizungen: "Das steht außer Prosa nichts." Blome fehlt hier Konkretes, er sagt aber auch, im Papier stehe, wie man vieles schneller machen werde. Wenn diese Beschleunigung das Ergebnis der Verhandlungen ist, "wäre echt was gewonnen", so Blome. Die Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus ist für Blome nicht relevant, denn woher die Atomraketen kommen, mache keinen Unterschied. Allerdings gebe es „solche Debatten immer, wenn es auf dem Schlachtfeld für die Russen nicht so gut ausschaut“, so Blome. Von der Bundesregierung vermisst Blome eindeutige Aussagen über die Kriegsziele, zum Beispiel, ob sie gerne hätte, dass die Krim frei von Russland ist: "Das wissen wir alle nicht."

Der entlarvendste "Witz" des Abends:

Es beginnt mit der Bemerkung Maischbergers, dass nun neben jedem neuen Autobahnkilometer Solarpanels verlegt werden müssen, doch sollte er zeigen, was beim Klimaschutz in Deutschland immer noch falsch läuft. Meyer-Burckardt findet die Idee gut, Jagoda Marinić hat indes "große Sorgen, ob wir die Lernkurve kriegen beim Thema Klima." Es sei sehr leicht, mit einfachen Maßnahmen, die niemandem wehtäten "außer einer kleinen Klientelgruppe", CO2 einzusparen, etwa durch ein Tempolimit. Eine Gesellschaft müsse Dinge lernen, tue sie das nicht, bleibe sie außen vor, wie etwa bei der Digitalisierung, so Marinić.

Beim Thema Klima sei es aber so, dass "wenn wir nicht so schnell lernen, werden die Probleme sehr groß, aber wir bleiben nicht nur außen vor, sondern wir berauben uns unserer Lebensgrundlage." Im Publikum gibt es Applaus dafür, doch dann zeigt Nikolaus Blome seine persönliche Lernkurve in Sachen Klimaschutz: "Ich fänd' neben den Schienen ein Handy-Netz fast noch interessanter." Das ist er also, der Klimaschutz des Nikolaus Blome: Ein müder Witz für seine konservative Boomer-Klientel.

Die Verschwörungs-Theorie des Abends:

Ob die Ampel-Regierung den Wegfall der Grundmandatsklausel in ihrer Wahlrechtsreform beschlossen habe, "um der CSU vorsätzlich zu schaden", will Maischberger von Nikolaus Blome wissen und der ehemalige Springer-Journalist meint: "Das müssen Sie die Ampel fragen. Umgekehrt wird aber auch ein Schuh draus: Zur Verkleinerung des Bundestages, und das war ja das Ziel der Übung und zwar vollkommen zu Recht, trägt das Streichen dieser Klausel nichts bei. Und den Rest können Sie sich jetzt denken."

Deutlich weniger Verschwörungsgedanken sieht Jagoda Marinić in der Wahlrechtsreform: "Ich finde eine Debatte über die Rolle einer Regionalpartei im 21. Jahrhundert durchaus interessant. Dass wir auch einmal darüber reden, ob man von der CSU nicht grundsätzlich verlangen muss, dass sie über die 5-Prozent-Hürde kommt." Wenn sie an die bisherigen CSU-Ministerien denke, dann seien die "nicht immer eindeutig im Interesse des Bundes, manchmal waren sie sehr im Interesse des Landes."

Der Déjà-vu-Moment des Abends:

Egal, ob Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine oder nun Gregor Gysi: Die Szenen, in denen ein Vertreter der Linken bei Maischberger die immer gleichen Thesen über Russland ausbreitet, ähneln sich. Gleichzeitig scheint die Ungeduld ukrainischer Vertreter wie zuletzt Wladimir Klitschko und nun Alexander Rodnyansky beim Widerlegen dieser Thesen zu wachsen: "Was muss eigentlich passieren, damit endlich mal begriffen wird, dass mit diesem Regime nicht verhandelt werden kann? Dass keine Abmachung getroffen wird, die dann auch hält", schimpft Rodnyansky dementsprechend am Dienstagabend.

Verständlich, denn wie wenig Gysi das bisherige Verhalten Putins deuten kann, zeigt sich, als er Rodnyanysky an das Minsk-II-Abkommen erinnert, nach dem ja noch über den Status der Krim mit Russland gesprochen werden soll. Rodnyansky blickt verständnislos und geht Gysi verwundert an: "Was hat jetzt Minsk II damit zu tun? Russland hat Minsk II beerdigt."

Der Spruch des Abends:

Alexander Dobrindt will das kommende Gesetz zu Öl- und Gasheizungen auseinandernehmen und vermeintliche Änderungen aufzählen. Da grätscht Hofreiter dazwischen: "Das Lustige ist, dass Sie jetzt das Gesetz, das sich nicht geändert hat, so darstellen, wie es von Anfang an war. Man hat halt den Geschichten, die die CSU verbreitet hat, dass de facto den Leuten die Heizungen rausgerissen werden und sie sozusagen zwangsbeglückt werden – die Geschichten haben halt damals schon nicht gestimmt." Hofreiters Fazit: "Man darf halt nicht auf seine eigene Propaganda reinfallen, um sie jetzt großzügig zurückzunehmen. Das ist einfach nur ein rhetorischer Trick."

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Das Fazit:

So interessant die Themen diesmal auch waren, so irritierend war die Gästezusammenstellung an diesem Abend. Nikolaus Blome, Jagoda Marinić und Hubertus Meyer-Burckhardt bildeten ein vergleichsweise breites Meinungsspektrum ab, so dass die Diskussionen hier am spannendsten waren. Meinungsstark waren auch die beiden anderen Gespräche – allerdings auch sehr vorhersehbar.

Die Diskussion zwischen Alexander Rodnyansky und Gregor Gysi dürfte nur für die Zuschauer interessant gewesen sein, die dadurch zum ersten Mal vom Krieg in der Ukraine erfahren haben. Das ist überspitzt, ja, aber während Gysi fröhlich und und unermüdlich seine so oft gehörten Argumente ausbreitete, konnte man anhand der Reaktionen von Rodnyansky erkennen, wie mühsam es für die ukrainische Seite sein muss, diesen Argumenten immer wieder in deutschen Talkshows entgegen zu treten.

Irritierend auf ganz andere Weise war das Gespräch zwischen Anton Hofreiter und Alexander Dobrindt, vor allem, wenn man nach dem Sinn der Gästeauswahl fragt. Ein inhaltlicher kann es jedenfalls nicht gewesen sein: Einführung der Pkw-Maut, Versagen bei der Aufklärung des Abgas-Skandals, Desaster beim Breitbandausbau, Scheitern beim Ausbau der Elektromobilität, von einer Verkehrswende und Klimaschutz ganz zu schweigen – Alexander Dobrindt bekommt von fast allen Seiten ein verheerendes Zeugnis als Verkehrsminister ausgestellt – außer von der Autoindustrie.

Statt mit Kompetenz fiel Dobrindt dagegen immer wieder als Sprücheklopfer auf. Daher muss sich Sandra Maischberger die Frage gefallen lassen, warum ausgerechnet Alexander Dobrindt eine Analyse der Regierungsarbeit vornehmen sollte. Den Auftritt Hofreiters hätte man vielleicht noch mit der Vertretung der Regierung rechtfertigen können, dann wäre es aber Maischbergers Aufgabe gewesen, ihn in die Mangel zu nehmen. Doch das überließ sie Dobrindt, der wiederum von Hofreiter auseinander genommen wurde.

Man kann also davon ausgehen, dass Maischberger von Dobrindt und Hofreiter keine scharfe Analyse erwartet hatte, sondern einfach nur parteipolitisches Remmidemmi – und so kam es am Ende dann auch. Eine Einladung zum Beispiel an Politikwissenschaftler wäre hier sicher die bessere Wahl gewesen. Ihren Zuschauern hat Maischberger so jedenfalls keinen Gefallen getan.

Verwendete Quellen:

  • manager-magazin.de: "Dobrindts größte Desaster"
  • netzpolitik.org: "Nun offiziell: Bundesrechnungshof zerpflückt Ex-Minister Alexander Dobrindt"
  • magazin.spiegel.de: "Erst die CSU, dann nichts"
  • Bericht des Bundesrechnungshofs
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