Journalist Hasnain Kazim erklärte bei "Maybrit Illner", warum ein AfD-Ministerpräsident für ihn schlimm wäre, aber nicht den Untergang Deutschlands bedeuten würde. Eine Rechtsexpertin wies auf sehr hohe Hürden für ein AfD-Parteiverbot hin. Und CDU-Politiker Jens Spahn teilte gegen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Sachsen-SPD aus.

Eine Kritik
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Das war das Thema bei "Maybrit Illner"

Im vergangenen Jahr stellten rund 350.000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag. Die Ampel-Regierung will die Zahlen unbedingt senken. Aber werden die Verschärfungen im Asylrecht wirklich zum Befreiungsschlag? Oder droht Rot-Grün-Gelb wieder im Streit zu versinken?

Maybrit Illner diskutierte mit ihren Gästen darüber, ob jetzt wirklich die Asylwende kommt und wie die Politik mit der AfD und ihrem Umfragehoch umgehen soll. Das Thema am Donnerstagabend im ZDF: "Regieren unter Protest – Migrationskrise ungelöst?"

Das waren die Gäste

  • Nancy Faeser: Die SPD-Bundesinnenministerin erklärte, dass die Regierung schon viel gegen die illegale Migration unternommen habe. Etwa die Einführung von Grenzkontrollen an vier Außengrenzen oder die Schaffung eines "Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen". Sie verneinte, dass die Ampel das Problem "zu spät" angegangen sei. Zudem lobte sie den EU-Asylkompromiss, wobei dessen Beschlüsse wie die Schaffung von Asylzentren an den europäischen Außengrenzen ja noch gar nicht umgesetzt sind. Faeser sprach sich gegen ein AfD-Verbot aus. Man könne eine Partei nicht einfach verbieten, nur weil sie in Wahlumfragen oben stehe und einem ihre Politik nicht gefalle.
  • Jens Spahn (CDU): Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hatte für das kurz vor der Sendung beschlossene "Gesetz für vereinfachte Abschiebungen" nur Spott übrig. Gerade einmal 600 Abschiebungen mehr seien darin als Ziel festgehalten, so Spahn. "Nicht am Tag, nicht in der Woche, im Jahr!" Dadurch würden die Abschiebezahlen nicht steigen und die Zugangszahlen nicht sinken - aber "der Frust entsteht". Später gab Spahn aber selbst zu, dass die Migrationsfrage durch Abschieben allein nicht zu lösen ist. Sondern? "Wir müssen – es ist hart, es ist furchtbar, man will es eigentlich nicht, aber es wird notwendig sein – jeden an der EU-Grenze aufhalten und an der EU-Grenze sagen: Hier geht es nicht weiter, bevor wir nicht eine Entscheidung getroffen haben. Und aus bestimmten Ländern und bestimmten Situationen geht’s hier gar nicht weiter." Ein AfD-Verbot sah Spahn skeptisch: "Zuerst muss man einfach bessere Politik machen." Er warf der Ampel vor, hauptverantwortlich für die derzeitige Stärke der Rechtsaußenpartei zu sein.
  • Eva Quadbeck: Die Chefredakteurin des "Redaktions-Netzwerk Deutschland" (RND) gab Jens Spahn Recht. Das neu beschlossene Abschiebegesetz "wird die Zahlen nicht substanziell verändern". Das viel größere Problem sieht sie ohnehin in der schlechten Integration: Kitaplätze und Schulplätze fehlen zuhauf. Auch beim von Nancy Faeser oft gelobten EU-Asylkompromiss war Quadbeck skeptisch. Sie glaubt nicht, dass vor der Europawahl im Juni noch was passiert. Quadbeck sprach sich ebenfalls gegen ein AfD-Verbot aus. "Dennoch glaube ich, dass sich die Demokratie wehrhafter zeigen muss." Etwa bei rechtsextremistischen Straftätern im Netz. "Die brauchen auch Razzien zuhause."
  • Hasnain Kazim: Den Journalisten und Schriftsteller haben die Enthüllungen über die Remigrationspläne der AfD "überhaupt nicht" überrascht. Das sei lange bekannt gewesen. Dass einige Menschen denken, dass Menschen wie er "nicht volksdeutsch" seien, nannte der Sohn pakistanischer und indischer Einwanderer mit Verweis auf das Treffen von Rechtsextremen mit AfD-Mitgliedern in Potsdam "gefährlich und bedenklich". Auch Kazim war der Meinung, dass ein AfD-Verbot, wenn es scheitert, mehr schadet als nützt. Und ein Scheitern wäre derzeit wohl vorprogrammiert, weil in seinen Augen nicht alle führenden Köpfe der Partei stramm rechtsextrem sind – auch wenn es unzählige derartige Wortmeldungen von Parteimitgliedern gibt.
  • Sarah Tacke: Die ZDF-Rechtsexpertin erklärte, dass die Hürden für ein AfD-Verbot extrem hoch sind. "Ganz grundsätzlich ist es sehr sehr schwer, eine Partei zu verbieten." So müsste man den führenden Mitgliedern, auch der Führungsspitze, nachweisen, dass sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen wollen. Etwas besser stünden dagegen die Chancen, dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, der nach einem Gerichtsurteil als Faschist bezeichnet werden darf, nach Artikel 18 einen Teil seiner Grundrechte zu entziehen. So könnte Höcke theoretisch die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt werden.

Das war der Moment des Abends

Die SPD steht derzeit in Sachsen in den Umfragen klar unter der Fünf-Prozent-Hürde. Jens Spahn nutzte das bei der Debatte um den Umgang mit der AfD als Vorlage für eine Seitenhieb gegen Nancy Faeser. "Sie sind doch maximal noch ein Bollwerk gegen Feldhamster in Sachsen mit drei Prozent." Sollte heißen: Bei der Bekämpfung der AfD haben die Sozialdemokraten nicht mehr viel an Geschützen aufzufahren in Teilen Ostdeutschlands. Faeser überhörte die Spahn-Spitze einfach.

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Das war das Rededuell des Abends

Als Nancy Faeser am Ende der Sendung noch einmal ein Loblied auf die Regierung anstimmen wollte ("Die Ampel ist besser als ihr Ruf") ging erst Maybrit Illner dazwischen. Dann legte Jens Spahn los. "Das ist doch nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass wir eine Regierung haben, die Tag und Nacht streitet. Ein Bundeskanzler ... in diesem Jahr habe ich ihn persönlich noch gar nicht gesehen. Ich weiß gar nicht, ob der dieses Jahr schon im Bundestag war, ich weiß gar nicht, ob der überhaupt noch da ist. Ich weiß nicht, was er will, ich weiß nicht, was er macht."

Faeser fragte: "Lassen Sie mich nochmal ausreden, Herr Spahn!?" Der war aber noch nicht fertig: "Ich wollte ihnen ja nur nochmal sagen, bevor sie sagen: 'Wir haben alles super gemacht ...'" Faeser unterbrach nun Spahn: "Nein, das sage ich ja gar nicht!" Spahn: "Es ist ziemlich viel Frust im Land. Ich habe den Eindruck, Sie leben in ihrer eigenen Wirklichkeit hier." Das wiederum wollte sich die Ministerin nicht bieten lassen: "Das müssen Sie auch nicht unterstellen, weil ich eigentlich gerade sehr selbstkritisch was sagen wollte." In diesem Rededuell hatte der CDU-Mann die Nase vorn.

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Es war ein sehr engagierter Auftritt der Gastgeberin. Sie war sichtlich bemüht, die Spitzenpolitiker in ihrer Runde mit keinen einfachen Antworten durchkommen zu lassen. Kurz vor Schluss war sie besonders hartnäckig, als sie aus Jens Spahn eine Antwort zu einer möglichen Koalition mit der Linkspartei in den ostdeutschen Ländern herauskitzeln wollte. Gute zwei Minuten dauerte das Rededuell, doch der CDU-Fraktionsvize blieb hart.

Das ist das Fazit

Besonders Jens Spahn legte am Donnerstagabend im ZDF einen engagierten Auftritt hin. Er machte seinen Punkt immer wieder deutlich, dass es in Deutschland wirklich eine andere Migrationspolitik braucht und keine weiteren leeren Versprechungen. Genau so schätzt er aber das neue Abschiebegesetz der Ampel ein. Ein Papiertiger. Spahn forderte Entscheidungen, die im Alltag etwas verändern. Sonst "ist das der letzte Schuss der demokratischen Mitte".

Mit diesen dramatischen Worten wollte Journalist Hazain Kazim nicht mitgehen. Er lebt in Österreich und sieht die Lage nüchterner. In der Alpenrepublik hat die rechtspopulistische FPÖ schon Landeshauptmänner, wie die Ministerpräsidenten dort heißen, gestellt und war auch an der Bundesregierung beteiligt. Das Land steht noch, die Demokratie wurde nicht abgeschafft. Eine Ministerpräsident der AfD würde für ihn daher nicht den Untergang Deutschlands bedeuten. "Untergang ist ein großes Wort", sagte Kazim. "Es wäre schlimm, es wäre furchtbar, es wäre fatal, es würde kein gutes Bild abgeben".

Er freute sich, dass die Zivilgesellschaft nun aufwacht und bundesweit gegen die AfD demonstriert. "Da tun sich Demokraten zusammen gegen Extremisten. Und ich hoffe und wünsche mir, dass das bis zu den Wahlen noch viel stärker wird." Für die Ampel könnten es dagegen acht lange Monate werden.

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