Hessen hat gewählt. Während noch die allerletzten Stimmen ausgezählt werden, diskutiert Anne Will mit ihren Gästen, was das Ergebnis für die Bundespolitik bedeutet. Während die Runde übers Regieren und die Regierung spricht, fällt ein Gast besonders unangenehm auf, der einst ebendieses Regieren verweigert hatte.

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Dass – unabhängig vom Ergebnis – jeder die Wahl irgendwie gewonnen hat, gehört eigentlich zur traditionellen Nachwahlbetrachtung durch die Gewählten. In Hessen ist das anders. Hier prognostizierten die Umfragen einen deutlichen Verlust bei CDU und SPD und ein starkes Ergebnis für die Grünen.

Und wie schon bei der Bayern-Wahl zeigten die Finger bei den Verlierern auch hier Richtung Berlin, schönzureden gab es diesmal nichts. Nur ein Grund, bei "Anne Will" über das Ergebnis der Landtagswahl in Hessen und dessen Folgen zu sprechen. Stand Sonntagabend, 21.45 Uhr, ist dort eigentlich nur eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen denkbar.

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Mit diesen Gästen diskutierte Anne Will:

Darüber diskutierte Anne Will:

Fahrplan der SPD:

SPD-Chefin Andrea Nahles möchte einen Fahrplan aufstellen, um nach der Halbzeit der Legislaturperiode zu sehen, wie weit man damit gekommen ist und dann entscheiden, welche Konsequenzen man für die Regierungskoalition zieht.

Olaf Scholz findet diesen Fahrplan gut, denn man müsse sehen, "ob es doch noch noch klappt". Annegret Kramp-Karrenbauer will ebenfalls an der Großen Koalition festhalten: "Wir stehen zu dieser Koalition. Wir wollen sie auch zu einem Erfolg führen."

Für Christiane Hoffmann vom "Spiegel" ist der Nahles-Plan der falsche Weg, das Fortbestehen der Großen Koalition sieht die Journalistin kritisch: "Es wird nichts mehr heil in dieser Koalition." Auch Politikwissenschaftler Vorländer sieht im Nahles-Plan nicht den nötigen Aufbruch, sondern "die Vertagung einer Entscheidung".

Der Zustand der Volksparteien:

Hans Vorländer erkennt zum einen eine "Hyperpersonalisierung", bei der es vor allem um Personen gehe, weniger um Parteien. Zum anderen stellt der Politikwissenschaftler eine Vervielfältigung in der Gesellschaft fest. Dadurch würden die verschiedenen Meinungen zwar besser repräsentiert, Koalitionsbildungsprozesse seien dadurch aber schwieriger.

Für die SPD diagnostiziert Vorländer strukturelle Probleme. Anders sehe es bei der Union aus, meint Hoffmann: "Ich glaube, dass im Gegensatz zur SPD, die Union in erster Linie im Moment ein personelles Problem hat. Wie schafft die Bundeskanzlerin ihren Abgang aus der Politik zu organisieren?"

Die Erfolge der Grünen:

Zeitgeist-Phänomen oder neue Volkspartei? Das wisse man natürlich nie, meint Robert Habeck, findet aber eine Erklärung für die guten Ergebnisse seiner Partei: "Was die Zustimmung für die Grünen generiert, ist, dass die Menschen Politikfähigkeit erwarten und von der Großen Koalition genau das Gegenteil bekommen."

Als Beispiel führt Habeck die Diesel-Affäre und den Klimawandel an: "Wir geben radikale Antworten, weil wir einen radikalen Wandel in der Wirklichkeit haben. Das wiederum ist Bedingung dafür, dass Menschen wieder Vertrauen in Politik zurück bekommen."

Vorländer sieht, wie Habeck auch, noch einen Grund: Die Grünen sind im Augenblick unbelastet von den Querelen in Berlin". "Die FDP aber auch", wirft Will ein, doch Vorländer weist auf die Tatsache bei der FDP hin, "die Alternative nach der letzten Bundestagswahl nicht realisiert zu haben." Vorländers Resümee: "Die Grünen zeigen sich pragmatisch. Das kommt bei den Leuten gut an."

Das Rededuell des Abends:

Robert Habeck gegen Christian Lindner. "Ist cremig gleichbedeutend mit beliebig?", fragt Anne Will Robert Habeck. "So verstehe ich Christian Lindner", antwortet Habeck und wendet sich direkt an Lindner: "Aber du könntest dich mal entscheiden, ob wir der Steigbügelhalter der AfD sind, was du ja auch sagst, oder ob wir cremig sind. Es kann nur eins von beiden richtig sein."

Bei seiner Erklärung bezeichnet Lindner Habecks Grüne als "Klimanationalisten". "Dann nehme ich lieber cremig", entgegnet Habeck und erklärt wenig später seine Auffassung vom gegenseitigen Umgang in der Politik: "Wenn du sagst 'Klimanationalist', dann ist das Populismus. Das würde ich niemals zur FDP sagen. Ich will diese Sprache raus haben aus der Politik."

Zunächst versucht Lindner noch dagegen zu argumentieren, später versteift er sich darauf, Habeck so oft wie möglich ins Wort zu fallen und den Spaßvogel zu geben: "Da oben sind deine drei Fans", lacht Lindner, als das Publikum bei Habecks Ausführungen klatscht.

Das Fazit:

Es war ein Abend der Analyse, bei der sowohl den Wahlverlierern SPD und CDU, als auch den Gewinnern FDP und Grünen unter die Haube geschaut wurde. Während bei der SPD strukturelle Probleme diagnostiziert wurden, geht es bei der Union eher ums Personelle, insbesondere um die Gestaltung der Nach-Merkel-Zeit.

Bei den Grünen wird sich zeigen, ob es sich bei den jüngsten Erfolgen tatsächlich nur um das Ausnutzen der Schwäche der Volksparteien handelt, oder ob es als Antwort auf den "radikalen Wandel in der Wirklichkeit" zu verstehen ist.

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