Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang hat sich im ARD-Sommerinterview für eine neue Investitionspolitik ausgesprochen. Der Standort Deutschland müsse gesichert werden, forderte sie. Außerdem erklärte sie die Parteilinie der Grünen in Bezug auf die AfD und gab zu, welche politische Entscheidung sie bis heute bereut. Vom Moderator musste sie harsche Kritik aushalten.
Es waren raue Töne, mit denen
Die Ampel sei anderthalb Jahre am Ruder. "Das ist Ihre Bilanz", folgerte er und wollte wissen: "Was machen wir schlechter als andere?" Dabei sei die Ampel sich wieder einmal nicht einig, wie man der deutschen Wirtschaft helfen könne.
Lang: "Geht jetzt darum, den Standort zu sichern"
Lang verteidigte sich: "Ich wehre mich dagegen, unsere Wirtschaft und damit auch unser Land schlechtzureden." Für die Ausgangssituation, bei der man innerhalb kurzer Zeit von Russland habe unabhängig werden müssen, sei man stabil durch den Winter gekommen. Sie gab allerdings zu: "Wir sind noch lange nicht über den Berg." Andere Länder würden mehr investieren.
"Es geht jetzt darum, den Standort zu sichern", forderte die Grünen-Vorsitzende. Neue Technologien müssten sich in Deutschland ansiedeln, dafür sei Bürokratie-Abbau, ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz und eine "neue Investitionsagenda" nötig. Zudem wiederholte sie den Vorschlag eines Industriestroms.
Kompromissbereit für Lindners Vorschläge
Wie genau die "Investitionsagenda" aussehen soll, erläuterte Lang nicht – zeigte sich aber kompromissbereit in Bezug auf
Scharf erinnerte Deiß sie daran, dass Parteikollege
Auch als es um die Energiepolitik ging, übte Deiß harsche Kritik: "Um die Ausbauziele zu erreichen, bräuchten wir jedes Jahr 2.000 neue Windräder in Deutschland. Wir haben in der ersten Jahreshälfte knapp über 300 geschafft. So wenig – wird Ihnen da nicht selbst Angst und Bange?"
Deiß erstaunt über Langs Aussage zur "Krisenbewältigung"
Lang entgegnete: "Nein, ich glaube daran, was dieses Land kann." Es habe im letzten Jahr bewiesen, was es könne. 100 Prozent erneuerbarer Strom bis ins Jahr 2035 sei machbar. Die Grünen hätten dafür eine Planungsbeschleunigung auf den Weg gebracht. Der Ausbau der Stromtrassen von Süd nach Nord sei aktuell noch das Nadelöhr.
Deiß kommentierte bissig: "Das sind Wunschvorstellungen, die Sie beschreiben. Die Fakten sehen anders aus." Kurz darauf sagte Lang: "Wir sind jetzt nicht mehr im Modus der Krisenbewältigung, jetzt geht es darum, das Land wirklich grundlegend zu modernisieren", woraufhin der sichtlich erstaunte Moderator korrigierte: "Wir sind nicht im Modus der Krisenbewältigung, sondern wir sind in einer handfesten Krise."
Zu viel Moralisierung in der Klimadebatte?
Bei der Klimadebatte räumte Lang ein, dass zu viel Moralisierung nicht zielführend sei. "Es geht nicht darum, wie ein Einzelner isst, welches Auto er fährt, ob er fliegt oder nicht", meinte sie. Es gehe darum, ob es gelinge, eine Infrastruktur zu schaffen, klimaneutral zu wirtschaften und Energie zu erzeugen. "Bei Klimaschutz geht es am Ende um nichts anderes als Wohlstand", meinte sie. Es gehe um die Frage, ob Europa bei dem Wettrennen um die Klimatechnologien am Seitenrand stehe oder mit durchs Ziel gehe.
Auch hier erntete Lang wieder einen stichelnden Kommentar von Moderator Deiß: "Da macht sich der Bundespräsident Sorgen, ob Sie als Ampel das schaffen – und viele Bürgerinnen und Bürger machen sich diese Sorgen mit ihm."
Moderator: "Wie konnte Ihnen das passieren?"
Er leitete zum Thema soziale Gerechtigkeit über. Lang hatte bei ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden gesagt, das Thema und seine Verbindung mit der Klimapolitik sei zentral für den Erfolg der Grünen und des Landes. "Über dem Land liegt ein Gefühl der Überforderung", attestierte Deiß nun und wollte wissen. "Jetzt mussten Sie vor wenigen Wochen eingestehen, dass Sie beim Heizungsgesetz genau das außer Acht gelassen haben. Wie konnte Ihnen das passieren?"
"Das ist für mich eine ganz klare Lehre, die ich daraus mitnehme", gab Lang zu und fuhr fort: "Es tut mir leid, dass wir es nicht geschafft haben, hier die soziale Frage von Anfang an zu klären. Wenn es darum geht, wie wir den Menschen in Zukunft Sicherheit geben, muss das die Devise sein."
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Mitverantwortung am AfD-Aufstieg
Deiß wollte daraufhin wissen, wie es mit dem Projekt des Klimageldes aussehe. "Die Mehrbelastungen sind schon da, aber vom Klimageld keine Spur", sagte er. Lang antwortete, man setze sich weiterhin dafür ein. "Was jetzt noch fehlt, ist der Auszahlmechanismus."
Deiß kam auch auf die AfD zu sprechen. "Wo sehen Sie denn einen Eigenanteil an den Umfragen der AfD?", wollte er wissen. Lang hielt fest: "Die gefährlichste Partei in diesem Land ist die AfD." Sie fordere unter anderem einen EU-Ausstieg und die Erhöhung des Renteneintrittsalters. "Es ist im Kern eine unsoziale Partei, die dieses Land destabilisieren will", zog sie Bilanz.
Als Deiß erneut nachfragte, welchen Eigenanteil die Grünen hätten, berichtete Lang, Bürger spiegelten ihr: "Wir wollen, dass ihr euch einfach mal zusammenreißt." Alle demokratischen Parteien müssten sich fragen, welchen "Teil sie bei der Lösung bieten können, dass diese Prozente wieder runtergehen", so Lang. Man brauche Aufstiegsversprechen statt Abstiegsängste.
Keine Anträge mit der AfD
Sie erklärte noch einmal die eigene Parteilinie in Bezug auf die AfD: "Das heißt, dass man keinen Anträgen der AfD zustimmt, das heißt, dass man keine Anträge mit der AfD durchbringt, nur weil sie eine Mehrheit mit der AfD bekommen."
In der Schnellfrage-Runde erfuhr man: Wenn sie nicht Politikerin geworden wäre, wäre sie Wissenschaftlerin geworden, mit der FDP kann sie am besten mit Johannes Vogel und in den Urlaub fliegen und das Klima schützen – ja, das geht gleichzeitig.
Stellen die Grünen Kanzlerkandidat auf?
Als Deiß fragte: "Welche politische Entscheidung haben Sie bereut?", sprach Lang von der Corona-Zeit, als Menschen nicht zu sterbenden Angehörigen in Hospize gehen konnten.
Lang wollte das gesamte Interview über nicht über Kanzlerkandidaten spekulieren – weder bei der Union noch bei den Grünen. Die CDU sei gerade alles andere als stabil, als Demokratin sei das ein Trauerspiel, sagte sie.
"Sollten die Grünen noch einen Kanzlerkandidaten stellen, wenn die Umfragen so bleiben?", wollte der Moderator wissen. Es sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, darüber zu debattieren, so Lang. "Jetzt tun wir alles dafür, damit wir dafür in der Lage sind."
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