Die Politik hat mit einem Trauerstaatsakt Abschied von Wolfgang Schäuble genommen. Emmanuel Macron, Bärbel Bas und Friedrich Merz erinnerten an einen überzeugten Demokraten und Europäer. Und an einen besonderen Menschen.
Wolfgang Schäuble machte häufig einen etwas grimmigen Eindruck. Doch zu tiefgründigem Humor und Optimismus war er durchaus fähig. Wie zum Beweis lächelt er am Montag von einem großen Schwarz-Weiß-Foto im Plenarsaal des Bundestags in Richtung der Ehrengäste. "Etwas Jugendliches hatte er sich bewahrt. Bis zum Schluss blieb er wissbegierig und offen für Neues", sagt
Als
"Deutschland verliert einen großen Demokraten und Staatsmann, Europa einen Vordenker und Frankreich einen besonderen Freund", sagt Bas.
Viele Gäste auf der Tribüne
Mit dem Trauerstaatsakt hat die deutsche Politik Schäuble die letzte Ehre erwiesen. Der CDU-Politiker war am 26. Dezember im Alter von 81 Jahren gestorben und am 5. Januar in Offenburg beigesetzt worden. Viele Wegbegleiterinnen und -begleiter sitzen am Montag auf der Tribüne des Bundestags. Der frühere Fußballer Günter Netzer, Altkanzlerin
Ein halbes Jahrhundert lang war Schäuble Mitglied des Bundestags. Sechs Bundeskanzler und zehn Bundespräsidenten hat das Land in dieser Zeit erlebt. Schäuble selbst blieben diese beiden Ämter als Krönung seiner politischen Karriere zwar verwehrt. Trotzdem hat er die Bundesrepublik beeinflusst wie wenige andere.
Ein Dreiklang habe das politische Leben Schäubles geprägt, sagt der CDU-Vorsitzende
"Wir wären heute ohne Wolfgang Schäuble vermutlich nicht in dieser Stadt und nicht in diesem Haus", sagt Merz. Er verliert nicht nur einen Weggefährten, sondern auch einen Freund. Er nennt Schäuble einen "streitbaren Demokraten", eine prägende Persönlichkeit des Landes.
Als Merz 1994 erstmals in den Bundestag einzog, hatte für Schäuble dort schon der zweite Teil seiner Karriere nach einem Schicksalsschlag begonnen: Am 12. Oktober 1990 war Schäuble Opfer eines Attentats geworden. Ein Mann feuerte in Offenburg drei Schüsse auf ihn ab, zwei davon trafen. Seitdem war der CDU-Politiker auf einen Rollstuhl angewiesen.
Emmanuel Macron spricht auf Deutsch im Bundestag
Den Wiedervereinigungsvertrag hat Wolfgang Schäuble maßgeblich mitverhandelt, für die Verlegung des Regierungssitzes von Bonn nach Berlin die womöglich entscheidende Rede gehalten. Er hat die Deutsche Islamkonferenz einberufen und Deutschland und Europa mit manchmal strenger Hand durch die Finanzkrise gelotst. Auch gegen Widerstände im Süden des Kontinents.
Man hat es ihm verziehen, besonders in Frankreich. Staatspräsident Emmanuel Macron erweist Schäuble am Montag eine besondere Ehre. Er ist eigens nach Berlin gekommen. Nicht nur das ist ungewöhnlich: Seine Rede hält Macron zu großen Teilen auf Deutsch – und er bekräftigt, was Bärbel Bas zu Beginn gesagt hat: "Deutschland hat einen Staatsmann verloren, Europa hat eine Säule verloren, Frankreich hat einen Freund verloren."
Macron zeichnet Schäubles enge Beziehung zu Frankreich nach. Schäubles Liebe zur französischen Literatur, seinen Einsatz für die Schaffung eines gemeinsamen Parlaments, der Deutsch-Französischen Versammlung. Schäuble habe die Interessen Deutschlands immer hart verteidigt, aber immer gewusst, dass es in Europa keinen Ersten und Stärksten geben kann. "Er hat verstanden, dass die sensibelste, die am leichtesten verletzliche Grenze dieses Kontinents die unsere ist", so Macron.
Schäubles Leben sei geprägt gewesen von einem Davor und Danach, sagt Macron. Vor dem Zweiten Weltkrieg – und danach die Aussöhnung. Ein Leben vor dem Attentat – und ein anderes danach. Ein Leben im zerstörten und zerrissenen Europa – und auf einem gemeinsamen Kontinent. "Nun beginnt ein neues Danach für uns“, sagt Macron. "Ein Danach ohne Wolfgang Schäuble."
Am Ende singt die Versammlung die deutsche Nationalhymne. Wie Schäuble diesen Staatsakt wohl verfolgt hätte? Wahrscheinlich mit einem Lächeln.
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