Die Grünen sacken in den Umfragen ab. Ihr Hoffnungsträger wirkt in der Coronakrise fahrig und randständig. Nun positioniert er sich bei Coronabonds falsch. Damit zieht Olaf Scholz (SPD) als Kanzlerkandidat der linken Mitte an ihm vorbei.
Am 7. März erreichten die Grünen in den Umfragen noch Zustimmungswerte von 24 Prozent. Monatelang waren sie konstant die zweitstärkste Partei in Deutschland, satte acht Prozentpunkte betrug der Vorsprung vor der SPD, selbst die schwächelnde Union kam in Schlagdistanz. Ein cooler
Nun, zwei Monate später, brechen die Grünen in den Umfragen dramatisch ein. Heute messen die Umfragen nur noch 14 bis 17 Prozent. Das heißt: Die Grünen haben in wenigen Wochen mehr als ein Drittel ihrer Wählerschaft verloren. Die Union liegt jetzt so weit voraus wie die Grünen auf ihren Höhepunkt stark waren - 24 Prozentpunkte. Seit der Kampagnen-Entgleisung von
Der Einbruch ist so gewaltig, dass er kaum vorbeigehen wird wie ein Gewitter. Es dürfte sich vielmehr um einen politischen Klimawechsel in Deutschland handeln. Die Grünen verlieren ihre strategische Position im Machtgefüge der Republik: Die SPD überholt sie in den Umfragen wieder und holt sich den Nimbus als Volkspartei der linken Mitte zurück. Die diesjährigen SPD-Wahlsiege in Hamburg und in München haben den Niedergang der Grünen schon vor Ausbruch der Coronakrise offenbar werden lassen.
Grüne Themen sind in Corona-Zeiten nicht gefragt
Den Grünen kommt Deutungsmacht und Definitionshoheit abhanden. Der erste digitale Parteitag, der nun inszeniert wurde, interessierte kaum jemanden. Grüne Themen sind derzeit kaum mehr gefragt. Schlimmer noch - sie werden wahrscheinlich lange nicht mehr richtig in Mode kommen. Nach der akuten epidemischen Notlage wird Deutschland sich viele Monate mit den wirtschaftlichen Folgen befassen müssen. Bei beiden Themen sind die Grünen keine Kompetenzführer. Zudem gilt: Eine Gesellschaft, die die unmittelbare Pandemie-Katastrophe durchlebt, wird sich der mittelbaren Klimakatastrophe nicht mehr mit gleicher Inbrunst zuwenden wollen.
Die Schwäche der Grünen trifft auch das Ansehen von Robert Habeck. In den Politiker-Beliebtheitsrankings wird er in diesen Wochen nach hinten durchgereicht, von
Große Krisenlagen sind für Politiker Definitionsmomente ihrer Karrieren. Das kann - wie 1962 im Fall von Helmut Schmidt bei der Hamburger Sturmflut oder 2002 bei der Sommerflut mit Gerhard Schröder - eine Karriere positiv prägen. Bei
Das droht nun Robert Habeck. Er findet im Verlauf der Coronakrise weder eine richtige Rolle noch eine Strategie. Mal lobt die Bundesregierung wie ein Ministrant, dann kritisiert er sie wegen Kleinigkeiten wie ein Nörgler, er wagt aber keinen eigenen programmatischen Punkt - wie etwa die schwedischen Grünen, die eine ganz eigene, liberale Linie der Corona-Bekämpfung zur Verblüffung der Welt etablieren.
Robert Habeck liest "Die Pest" - andere bekämpfen sie
Habeck lässt sich "Die Pest“ (Camus) lesend fotografieren, während andere die Pest unserer Tage aktiv bekämpfen. Er postet auf Instagram ein Foto, wie er sich selbst die Haare schneidet, während Olaf Scholz einen Billionen-Rettungsschirm über der Republik aufspannt. Er wirkt inmitten der Krisengewitter wie ein Schönwetterkapitän, der zur Lösung der Probleme nichts beizutragen hat.
Für Habeck geht es dieser Tage um einiges - um die kollektive Prüfung seiner Bundestauglichkeit. Er war in den vergangenen Monaten in vielen Medien schon als denkbare Kanzlerfigur der Zukunft stilisiert worden, jetzt gilt es, dieser Erwartung gerecht zu werden. Doch das tut in Wahrheit sein größter Konkurrent: Olaf Scholz gewinnt in der Krise enorm an Statur. So wie Armin Laschet und Markus Söder um die künftige Führung des bürgerlichen Lagers ringen, so tun dies - unbemerkt, aber nicht minder breitbeinig - auch Habeck und Scholz für das linke Lager.
Dabei hat Scholz als Vizekanzler und Finanzminister allerlei Handlungsinstrumente in der Hand, er verkörpert die Exekutive, und jede Krise ist die Stunde der Exekutive. Anders als Habeck findet Scholz einen stimmigen Krisentonfall der seriösen Verantwortung. Was ihm lange als politischer Nachteil angekreidet wurde - die spröde Sachlichkeit - wird nun zu seinem Trumpf. Genau andersherum verhält es sich bei Robert Habeck. Seine blumige Intellektuellensprache wirkt momentan entrückt und passt nicht mehr in den Krisenmodus der Republik.
Robert Habeck stellt sich gegen deutsche Interessen
Habeck hat lange gebraucht, bis er in der Krise endlich ein Thema gefunden hat, das ihn vom Handeln der Bundesregierung unterscheidet. Ausgerechnet die Coronabonds sucht er sich nun aus. Deutschland müsse diesen endlich zustimmen: "Gemeinsame Anleihen wären ein demokratischerer und transparenterer Weg für mehr Stabilität in Europa", tönt Habeck plötzlich im staatsmännischen Tonfall, um gleich noch eine Attacke nachzuschieben: "Ich verstehe da Herrn Scholz und Frau Merkel wirklich nicht."
Tatsächlich widersetzt sich die Bundesregierung tapfer den Forderungen aus Italien nach einer Vergemeinschaftung der Schulden. Sie tut dies mit guten Argumenten, denn Eurobonds sind schon seit Jahren ein machtpolitisches Ziel der Südstaaten, um Deutschland in die Haftung der eigenen Schulden zu zwingen. Dies aber widerspricht der No-Bail-Out-Klausel der geltenden EU-Verträge. Coronabonds würden also viele Monate und ein langwieriges Ratifizierungsverfahren dauern, ehe sie Realität werden könnten. Sie können also in der Krise kaum helfen.
Es geht Rom daher nicht um eine Nothilfe, sondern um eine Verschiebung der Euro-Verfassung zu Deutschlands Nachteil. Coronabonds würden der Grundabmachung des Euro-Systems verstoßen, die insbesondere der deutschen Bevölkerung bei Aufgabe der D-Mark einst versprochen wurde. Damit stellt sich Habeck offen gegen deutsches Interesse. Aber eben auch gegen Olaf Scholz.
Diese Positionierung dürfte Habecks Probleme eher vertiefen als lösen. Denn die Mehrheit der Deutschen lehnt Coronabonds einer Insa-Umfrage zufolge zu 64,1 Prozent ab. Scholz kann nun diese Mehrheit vertreten und sich als Verteidiger von Recht und deutschen Ersparnissen, als Retter in der Krise perfekt in Szene setzen. Punktsieg für Scholz im Zweikampf um die Führung der linken Mitte in Deutschland.
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