Der Wahl-O-Mat ist Ihnen nicht genug, um eine Wahlentscheidung zu treffen? Wir haben im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 mit den Spitzenkandidaten der etablierten Parteien Interviews geführt. Darin erklären sie ihr politisches Programm für die kommenden vier Jahre.

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Am 24. September ist Bundestagswahl. Sechs Parteien dürften in den Bundestag einziehen. Welche Koalition im Anschluss Deutschland regieren wird, ist völlig offen - selten war die politische Lage wenige Tage vor einer Wahl unübersichtlicher.

Stärkste Partei dürfte die Union werden, der Abstand auf die SPD ist laut Umfragen groß. Dahinter kämpfen in der Linken, den Grünen, der FDP und der AfD vier Parteien um Platz drei.

Was die Spitzenkandidaten wollen

Doch wofür stehen die Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel eigentlich? Was planen die Spitzenkandidaten und ihre Parteien politisch für die kommenden vier Jahre?

Um das herauszufinden, haben wir im Vorfeld der Bundestagswahl mit den Spitzenkandidaten der etablierten Parteien Interviews geführt. Lediglich Angela Merkel stand nicht für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.

Was die Parteien bei den den Wahlkampf bestimmenden Themen wie Steuern und Rente, soziale Gerechtigkeit, innere Sicherheit und Flüchtlingspolitik, Klimapolitik und Dieselskandal sowie in der Außenpolitik für die kommenden vier Jahre planen.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz über ...

... das SPD-Wahlkampf-Thema Gerechtigkeit: "Wir haben Milliarden-Überschüsse, aber Schulen, die vor sich hinrotten. Altenheime, in denen Pflegenotstand herrscht. Explodierende Mieten, weil der soziale Wohnungsbau zu wenig gefördert wird. Fehlende Investitionen in die digitale Infrastruktur. Gebühren für Kitas. Wir sind ein Land, in dem Menschen, die Kinder großziehen, dafür bezahlen müssen. Ein Land, in dem Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer und, und, und. Deshalb ist Frau Merkels Parole 'Deutschland geht es gut, wir brauchen nichts zu tun' so falsch. Ja, Deutschland geht es gut, aber eben nicht allen Deutschen geht es gut."

... Kanzlerin Angela Merkel: "Frau Merkel ist weniger Regierungschefin als Reagierungschefin, sie reagiert nur. Und das ist ein Risiko für unser Land. Mich ärgern also nicht die taktischen Varianten von Merkel, die kenne ich seit Jahren. Mich ärgert dieses selbstgefällige Zurücklehnen. Denn das gefährdet die Zukunft unseres Landes."

... den Umgang mit US-Präsident Trump: "Wie lange wollen wir einem Mann, der in seinem Beraterstab Nazi-Verehrer hatte, tatenlos zusehen? Wir müssen auf die Leute setzen, die mit ihm nicht einverstanden sind. Die Leute im US-Kongress, auch die Republikaner, die sagen, so geht das nicht. Wir brauchen unsere transatlantischen Bündnispartner. Aber Kuschen vor so einem Mann und ständiges taktisches Herumlavieren brauchen wir nicht."

Das komplette Interview:

CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann über ...

… Fehler und Versäumnisse in der Flüchtlingskrise: Die Lage rund um Syrien und in diesem schrecklichen Bürgerkrieg wurde letztendlich zu wenig beachtet. Man hat zwar die Nachrichten zur Kenntnis genommen, aber was sich in den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern Jordanien, Libanon, Türkei entwickelt hat und dass dann die Welternährungsorganisation im Winter 2014/2015 nicht mehr genügend Geld hatte, um überhaupt noch für ausreichend Nahrung zu sorgen – da hätte sich Europa wesentlich früher und stärker kümmern müssen. (…) Auch die Kanzlerin sagt, dass das ein Versäumnis war."

… über die Forderung nach einer Obergrenze: "Klar ist, dass wir den Zuzug von Flüchtlingen begrenzen müssen, weil wir die Aufnahmefähigkeit Deutschlands nicht überstrapazieren dürfen. Das ist ja auch der Lerneffekt aus dem Jahr 2015. (…) Es gibt auch Stimmen, die sagen, dass 200.000 zu hoch ist. Ich denke, dass diese Zahl über die Jahre hinweg ein Erfahrungswert ist, mit dem Deutschland umgehen kann."

… über eine europäische Quote für die Verteilung von Flüchtlingen: "Viele europäische Länder [werden] nur mitmachen, wenn nicht nur eine Quote für sie festgelegt wird, sondern eine konkrete Höchstzahl benannt wird, wie viel sie aufnehmen können und sollen."

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Linke-Spitzenkandidaten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch über ...

… ein mögliches Koalitionsangebot an die SPD: "Wir sagen: Wenn ihr euch aus der Gefangenschaft der Union lösen wollt, wenn ihr eure Agenda-2010-Politik, die viele Menschen in Armut gestürzt hat, korrigieren wollt, dann sind wir gerne ein Partner. Ist das kein Angebot?"

... über die Forderung nach einer Vermögenssteuer: "Andere europäische Länder haben auch eine Vermögenssteuer, man sollte also auch nicht so tun, als sei das eine völlig exotische Idee. Ich halte es für wesentlich besser, mit einer Vermögenssteuer bei den wirklich Reichen Geld abzuholen, als mit hohen Mehrwertsteuern oder einer hohen Einkommenssteuer bei Niedrigverdienern zuzugreifen."

… die Sanktionspolitik gegenüber Russland: "Die Annexion der Krim war völkerrechtswidrig. Ich würde aber davon abraten, dass dies jetzt innenpolitisch und für den Wahlkampf ausgeschlachtet wird. Sehen Sie, Lindner sagt jetzt Dinge zur Krim, um zu zeigen: "Ich bin fähig, Außenminister zu sein." Andere nutzen das, um die FDP zu kritisieren. Ich möchte da nicht mitspielen. Wir als die Linke glauben einfach, dass mit Russland ein Weg des Dialogs und der Entspannung mehr bringt als Konfrontation."

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Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir über ...

… die Klimapolitik: "Vor allem müssen wir die CO2-Emissionen, die ja beim Klimawandel entscheidend sind, senken, die gehen seit acht Jahren nicht zurück. Wir sind Weltmeister im Verbrennen der Braunkohle. Dem schmelzenden Eis in der Arktis ist es egal, ob es schmilzt wegen amerikanischer Blödheit unter Donald Trump oder großkoalitionärer Trägheit unter Angela Merkel."

... den Dieselskandal: "Der Dieselskandal gefährdet hunderttausende Jobs. (…) Die Frage ist doch nicht mehr, ob das abgasfreie Auto kommt, sondern wer es baut. Porsche hat gerade angekündigt, dass sie bis 2030 50 Prozent der Produktion auf emissionsfreie Autos umstellen wollen. (...) Und wenn sie das schaffen, schaffen sie auch 100 Prozent bis 2030. (…) Ich will nicht in Ingolstadt, Stuttgart, Wolfsburg oder München ins Bett gehen und in der Industrieruine Detroit aufwachen. Das wird aber passieren, wenn wir nicht schnell den Schalter umlegen."

... den Umgang mit dem türkischen Präsidenten Erdogan: "Der Kuschelkurs hat eindeutig zu lange angehalten. Und er hat ja auch keineswegs zum Einlenken von Erdogan geführt – sondern ihn ermutigt, noch unverschämter aufzutreten. (...) Sollte die Todesstrafe in der Türkei tatsächlich eingeführt werden, müssen die Beitrittsverhandlungen mit der EU sofort gestoppt werden. Es ist klar: Eine demokratische Türkei hat ihren Platz in Europa, eine Erdogan-Türkei nicht."

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FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner über ...

... die Rolle der FDP: "Alle anderen Parteien rücken den Staat in das Zentrum ihrer Pläne. Wir stellen uns gegen diesen Mainstream. Natürlich wissen wir, dass das bedeutet, dass politische Gegner versuchen, das umzudeuten. Die versuchen dich dann sofort zu brandmarken als eiskalten, neoliberalen Minimalstaatsanhänger."

... Steuer-Entlastungen für die Bürger: "Der Staat schwimmt im Geld, aber auf die Idee, dass man daran auch die Mitte der Gesellschaft teilhaben lässt, kommt ohne uns keiner. (…) Der Staat nimmt bis zum Jahr 2021 insgesamt 145 Milliarden mehr ein – pro Jahr. Da ist eine Entlastung in Höhe von 30 bis 40 Milliarden Euro problemlos machbar. Selbst Herr Schäuble will ja sogar 15 Milliarden entlasten. Und der gönnt Ihnen keinen Cent."

... das Verhältnis zu Russland: "Es muss glasklar sein, dass wir unseren Nato-Partnern beistehen. Ich denke da vor allem an die baltischen Staaten. Und es darf natürlich auch keinen Bruch des Völkerrechts geben. Das muss man mit Robustheit darlegen. Wir brauchen aber auch neue Kooperationsangebote an Russland. Putin wird seine Politik nicht verändern, wenn er einen Gesichtsverlust befürchten muss. Sprechen wir also wieder über Freihandel mit Russland, über kulturellen Austausch."

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AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel über ...

... über eine Obergrenze: "Die Höhe hängt von den Aufnahmekapazitäten ab. Man kann da nicht – wie die CSU – mit einer starren Zahl reingehen. 200.000 ist auch schon ziemlich hoch. In den USA liegt das Kontingent bei 50.000 bis 70.000. Wir haben 2015 und 2016 Hunderttausende aufgenommen. Und ich sehe da auch keine Trendumkehr und kein langfristiges Konzept. Das fordern wir ein."

… Asylzentren in Afrika: "Europa muss sich mit den nordafrikanischen Ländern an einen Tisch setzen. Oder in Bezug auf Syrien mit den Nachbarländern Jordanien und Libanon. Dort brauchen wir Flüchtlingscamps, die teilweise von UN-Blauhelmen geschützt werden müssen. Und das UN-Hilfswerk muss dafür mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Dort sollen dann die Asylanträge gestellt werden können – aber nur unter Vorlage von gültigen Papieren."

... über Mauern und Zäune an deutschen Grenzen: "Sie müssen die Grenzen effektiv sichern und kontrollieren, wer reinkommt. Das macht die Schweiz ja auch, eigentlich sogar jedes vernünftige Land, das nachhaltig denkt. Und dabei müssen wir eben unterscheiden zwischen gewünschter Einwanderung und Asyl."

Das komplette Interview:

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