• Ende März wählt das Saarland einen neuen Landtag. Schon jetzt scheint ein Machtwechsel so gut wie ausgemacht.
  • Nach über 20 Jahren könnte die CDU die Staatskanzlei an die SPD verlieren.
  • Was das bedeuten würde, welche Koalitionen dann wahrscheinlich wären und wer noch überraschen könnte, analysiert Politikwissenschaftler Marius Minas.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen der Autorin bzw. des zu Wort kommenden Experten einfließen. Hier finden Sie Informationen über die verschiedenen journalistischen Textarten.

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Das Saarland macht im Wahljahr 2022 den Aufschlag: Am 27. März wählt das kleine Bundesland im Südwesten Deutschlands einen neuen Landtag. Stimmungstest ist die Wahl im Saarland gleich aus mehreren Gründen: Es ist die erste Landtagswahl seit Amtsantritt der Ampel-Koalition und seit dem Wechsel an der Parteispitze der Union.

Seit über 20 Jahren ist das Bundesland CDU-geführt, zuletzt als Große Koalition mit der SPD. 2018 übernahm Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) das Ruder von Annegret Kramp-Karrenbauer, als sie wiederum Generalsekretärin wurde. Nun aber wackelt die Staatskanzlei für die CDU gewaltig.

Landtagswahl 2022 im Saarland: Machtwechsel deutet sich an

"Derzeit deutet alles darauf hin, dass es zu einem Machtwechsel im Saarland zugunsten der SPD kommt", sagt Politikwissenschaftler Marius Minas. Im Wahltrend lag die SPD (37,4 Prozent) zuletzt ganze 7 Prozentpunkte vor der Union (30,4 Prozent).

"Auch bei der fiktiven Direktwahlumfrage liegt Anke Rehlinger deutlich vor Tobias Hans, sowie bei den Kompetenzen in den unterschiedlichen Politikfeldern hat die SPD die CDU in den meisten Fällen überholt", sagt Minas. Die Herausforderin des Amtsinhabers kommt aus seinem eigenen Kabinett: Wirtschaftsministerin Rehlinger (SPD), bislang stellvertretende Ministerpräsidentin, tritt gegen den Vorsitzenden der CDU Saar an.

Hans leistete sich Patzer im Wahlkampf

"Sein Wahlkampf scheint punktuell schlecht organisiert und startete schon mit einem Patzer", erinnert Experte Minas. Kurz nach der Vorstellung seines "Kompetenzteams" tauchten Fotos der Kulturbeauftragten Marisa Winter ohne Maske auf einer Corona-Demonstration auf. Sie musste zurücktreten.

"Auch das Tankstellen-Video war ein Fauxpas", ist sich Minas sicher. Hans hatte darin in einem populistischen Ton für eine Senkung der Spritpreise geworben. Für seine Aussage "Das trifft jetzt nicht nur Geringverdiener. Das trifft wirklich die vielen fleißigen Leute, die tanken müssen", erntete er jede Menge Empörung.

Merz-Effekt bleibt aus

Dass die CDU am Ende doch noch das Rennen machen könnte, hält Minas für äußerst unwahrscheinlich. "Wenn es einen Merz-Effekt gäbe, hätte man ihn jetzt schon in den Umfragen sehen müssen", schätzt er. Gleichzeitig habe Hans es in seiner Amtszeit nicht geschafft, sich als Landesvater zu etablieren.

"Der SPD ist es im Saarland hingegen gelungen, den Eindruck zu vermitteln, dass sie in den zentralen Themen die höheren Kompetenzen hat", so Minas. Debattiert wird im Saarland neben Themen wie Energiepreisen und Coronapandemie auch über Mobilitätsfragen in der Verkehrspolitik, Problematiken am Arbeitsmarkt und den notwendigen Strukturwandel der saarländischen Wirtschaft.

"Gleichzeitig hat die Bundespolitik eine gewisse Strahlkraft, auch hier ist ein Machtwechsel zugunsten der SPD erfolgt", so der Experte. Die SPD hatte damals im Saarland alle Direktmandate gewonnen.

Ministerpräsident Tobias Hans: Politische Karriere in Gefahr

Sollte Hans das Land nun an die SPD verlieren, dürften seine politischen Karrierechancen mehr als geschmälert sein. Mit Kramp-Karrenbauer war die CDU im Jahr 2017 immerhin noch auf 40,7 Prozent der Wählerstimmen gekommen, die SPD nur auf 29,6 Prozent.

"Zwar steht Hans immer noch auf dem ersten Platz der Landesliste und wird sein Landtagsmandat nicht verlieren, innerparteilich wird eine Niederlage seine Rolle aber definitiv schmälern", sagt auch Minas.

Linke könnte rausfliegen

Der Linkspartei, die damals die 5-Prozent-Hürde mit 12,8 Prozent noch locker nahm, droht nun das Ausscheiden aus dem Landtag. Im aktuellen Wahltrend landen die Linken im Saarland nur bei 4,4 Prozent. "Die Wähler strafen wohl innerparteilichen Zwist ab, außerdem fehlt die Galionsfigur Oskar Lafontaine", analysiert Minas.

Wer als Juniorpartner in die künftige Regierung eintreten wird, dürfte sich aus Sicht von Minas vor allem zwischen zwei Optionen entscheiden: Einer Großen Koalition unter SPD-Führung oder einer Ampel-Koalition nach Bundesvorbild.

GroKo bei Wählern beliebt

"Die GroKo wäre mit Abstand der größte Favorit der saarländischen Wähler und Wählerinnen", sagt Minas. Er glaubt, dass die Union gewillt wäre, auch als Juniorpartner politisch Verantwortung zu übernehmen. "Mit welchem Personal, das bleibt dann natürlich noch offen", ergänzt der Experte.

Argumente sprechen laut Minas aber auch für eine Ampel-Koalition. "Das würde die Stabilität der Dreier-Koalition noch einmal bestätigen, wenn es nach dem Bund und Rheinland-Pfalz eine weitere Ampel-Koalition gibt", erklärt er. Auch, wenn Regierungen unter AfD-Beteiligung rechnerisch möglich wären, kann man sie aus Sicht des Experten von vornherein ausschließen.

AfD-Beteiligung ausgeschlossen

"Das wird kein anderer politischer Partner mitmachen, außerdem ist die AfD im Saarland intern so zerstritten, dass mit ihr neben programmatischen Gründen sowieso keine stabile Koalition vorstellbar ist, ähnlich wie derzeit mit der Linkspartei", sagt er. Die AfD war bei der letzten Landtagswahl bei 6,2 Prozent gelandet. In aktuellen Umfragen liegt sie bei 6,7 Prozent.

Die Grünen, die vor fünf Jahren mit 4 Prozent nicht in den Landtag einzogen, dürften den Sprung nun wieder schaffen: Der Wahltrend sieht sie bei 5,9 Prozent. Gleiches gilt für die FDP: Sie liegt in aktuellen Umfragen bei 5,4 Prozent. "Je nachdem, welche Parteien aus dem Landtag fliegen, wäre auch eine Koalition aus SPD und FDP oder SPD und Grünen denkbar", sagt Minas. Das sei zum jetzigen Zeitpunkt aber reine Spekulation und hänge von der Sitzverteilung ab.

Wer noch überraschen könnte

"Ein rot-rotes Bündnis hat Rehlinger bereits ausgeschlossen. Hierfür besteht auch kein Bedarf, wenn sich ihr mit einer GroKo oder Ampel zwei andere Optionen bieten", schätzt Minas. Überraschung könnte dann höchstens noch die Wählervereinigung "bunt.saar" bringen. Sie wurde 2021 nach innerparteilichen Konflikten in den linken und grünen Landesverbänden und der Nicht-Zulassung der Landesliste der Grünen zur Bundestagswahl gegründet.

"In den Wahlumfragen wird sie immerhin nicht mehr unter den sonstigen Parteien gehandelt, sondern eigenständig mit etwa drei Prozent aufgeführt", sagt Minas. Das sei zwar noch weit weg von der 5-Prozent-Hürde, aber: "Es macht die Wähler und Wählerinnen auf die Partei aufmerksam. Das könnte einen neuen Effekt bringen."

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Über den Experten:
Marius Minas ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Westliche Regierungssysteme und das politische System Deutschlands an der Universität Trier. Er studierte Politikwissenschaft, Mathematik und Bildungswissenschaften. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Parteien, Parteiorganisation und Parteiensysteme.

Verwendete Quellen:

  • Darstellung und Auswertung von Wahlumfragen (DAWUM): Wahlumfragen im Wahltrend zur Landtagswahl im Saarland. Stand 18.03.2022

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