Vor der Thüringer Landtagswahl trafen sich die Vertreter der Parteien zum TV-Duell. Dabei wurde AfD-Landeschef Björn Höcke vorgeworfen, ein Zerrbild zu verbreiten und Thüringen und seine Bewohner schlechtzureden. Einen makaberen Versprecher leistete sich der FDP-Spitzenkandidat.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Erst lieferten sich der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und sein größter Konkurrent, der jüngst von einer Krebserkrankung genesene CDU-Politiker Mike Mohring, ein wenig inspirierendes TV-Duell. Im Anschluss waren die Spitzenkandidaten der anderen vier Parteien, die es bei der Wahl in Thüringen in den Landtag schaffen dürften, im MDR an der Reihe.

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In der Debatte zwischen Björn Höcke (AfD), Anja Siegesmund (Bündnis 90/Grüne), dem früheren Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Thomas Kemmerich (FDP) war schon deutlich mehr Spannung spürbar – was wie erwartet vor allem am AfD-Rechtsaußen Höcke lag.

Landtagswahl Thüringen: Was waren die Themen des Abends?

Gleich in seinem Eingangsstatement stellte Höcke klar, mit welchem Thema er bei den Thüringer Wählern punkten will. Der AfD-Fraktionschef im Landtag forderte eine Abschiebeinitiative 2020, durch die seine Partei alle "illegalen Einwanderer, die sich in Thüringen aufhalten, für die Heimreise fit machen" will. Zudem warf er der ersten linksgeführten Landesregierung in Deutschland vor, mit dem Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit "Millionen Euro in linksextreme Projekte" zu stecken.

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Vor allem die Thüringer Umweltministerin Anja Siegesmund gab Höcke Contra. Bezug auf den rechten Terroranschlag von Halle nehmend, kritisierte sie den Sprachgebrauch von AfD-Politikern wie Alexander Gauland ("Merkel jagen") und bezeichnete Höckes politische Idee der "Umvolkung" als "antisemitisch und faschistisch". Der Angesprochene schüttelte mit dem Kopf.

"Ich möchte nicht, dass jemand, der im Geschichtsunterricht offenbar nicht aufgepasst hat, unser Land schlecht redet, spaltet und hetzt", ergänzte die Thüringer Grünen-Chefin.

Vorwurf: Höcke verfälscht die Wahrheit

Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee rieb sich angesichts der Arbeitslosenzahlen von 5,3 Prozent an Höckes Bezeichnung "abgehängt" – für Teile Thüringens und seiner Bewohner. "Ich plädiere dafür, dass wir unser Land nicht schlechtreden", forderte der frühere Oberbürgermeister von Leipzig. "Wer das Land schlechtredet, verfälscht die Wahrheit."

Thomas Kemmerich griff den umstrittenen Politiker ebenfalls scharf an. "Herr Höcke, Sie zeichnen in mehreren Punkten ein Zerrbild dieses Landes. Sie stellen Thüringen und ganz Ostdeutschland immer so dar, als ob es hier nur abgehängte Menschen gibt."

Daraufhin zitierte der Chef der Landes-AfD eine Untersuchung, wonach drei Thüringer Regionen (Nord, Süd, Ost) wirtschaftlich abgehängt seien. Dabei ist der Süden – auch wegen der Nähe zu Bayern – die Region mit der niedrigsten Arbeitslosenquote überhaupt.

Beim Thema Abschiebung forderten Kemmerich und Tiefensee dagegen wie Höcke ein konsequentes Vorgehen des Staates. Siegesmund war die einzige in der Runde, die die Praxis der Thüringer Regierung, auf Rückführungen von Flüchtlingen weitgehend zu verzichten, verteidigte.

Kemmerich kritisierte die Haltung der Grünen, Länder wie Tunesien nicht als sichere Herkunftsländer anzuerkennen, obwohl Tausende Deutsche dort jedes Jahr Urlaub machen. Wer die Realität leugne, treibe die Leute in die Hände der Populisten, warf er Siegesmund vor.

Die Grünen wollen Sitzenbleiben abschaffen

Das Thema, was die Thüringer laut Umfragen am meisten beschäftigt, ist die Bildungspolitik. Kemmerich sprach aufgrund von Unterrichtsausfall und Lehrermangel von einer "Versündigung an der nächste Generation". Siegesmund will eine Ausbildungsinitiative für Lehrer auf den Weg bringen – und wollte als einzige das Sitzenbleiben abschaffen.

Höcke forderte eine Stärkung der Regelschulen, um mehr Kinder und Jugendliche für Handwerksberufe zu begeistern. Der frühere Lehrer sprach beim Thema Bildung von einem "massiven Versagen der etablierten Politik".

Erst am Ende der Sendung spielte auch das Thema Umwelt eine Rolle. Die AfD war dabei die einzige Partei, die den Menschen gemachten Klimawandel nicht anerkannte.

Was war der Versprecher des Abends?

Der kam ganz eindeutig von Thomas Kemmerich von der FDP. Der Unternehmer forderte eine konsequente Abschiebepraxis bei Menschen, die kein Asyl bekommen, und begründete das mit einer makaberen Aussage. "Das ist es, glaube ich, was die Leute umbringt und aufbringt!" Vermutlich hatte er "umtreibt" gemeint ...

Welche Koalitionen sind in Thüringen denkbar?

Thüringen steuert auf die Unregierbarkeit zu. Die rot-rot-grüne Koalition hat laut aktuellen Umfragen keine eigene Mehrheit, was vor allem an der Schwäche der SPD (7 Prozent) liegt. Laut Infratest Dimap liegt die Linke aktuell bei 28 Prozent und die Grünen bei 8 Prozent. Sollte die FDP den Einzug in den Landtag schaffen, könnte sie Rot-Rot-Grün theoretisch zur Mehrheit verhelfen. Davon wollte Thomas Kemmerich aber nichts wissen. Sein Ziel ist es, die Regierung zu beenden.

Dank der starken Umfragewerte der AfD, für die sich aktuell 25 Prozent der Wähler entscheiden, würde es nur für die Zweierbündnisse Linke/CDU und AfD/CDU reichen. Die haben die Parteien jedoch ausgeschlossen – auch wenn Ministerpräsident Bodo Ramelow in seinem TV-Duell mit Mike Mohring durchaus kompromissbereit klang.

Selbst Altbundespräsident Joachim Gauck hatte die CDU kürzlich aufgefordert, nach der Wahl auch mit der Linken zu sprechen. Ein Bündnis zwischen der SED-Nachfolgepartei und den Christdemokraten wäre 30 Jahre nach dem Mauerfall ein versöhnliches Zeichen – aber die Widerstände in beiden Parteien wären gewaltig. Nicht nur in Thüringen.

Das kleine Bundesland in der Mitte Deutschlands hat vor dem Urnengang am 27. Oktober noch zwei spannende Wochen vor sich.

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