Die Niederlande wollen vor der Insel Borkum Gas fördern, davon ist auch Deutschland betroffen. Die zuständige Behörde in Niedersachsen hat ihre Zustimmung gegeben und Umwelt- und Klimschützer gegen sich aufgebracht. Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke ist skeptisch.

Mehr aktuelle News

Mehrere Umweltverbände haben Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, die umstrittene Gasförderung vor Borkum zu verhindern. Das Vorhaben widerspreche "allen Klimazielen und der Energiewende" und sei energiepolitisch "bedeutungslos", erklärten die acht Verbände am Donnerstag.

Das niederländische Projekt hatte am Mittwoch grünes Licht vom niedersächsischen Bergbauamt erhalten. Damit tatsächlich Gas gefördert werden kann, ist aber noch ein zwischenstaatliches Abkommen nötig.

Das niederländische Unternehmen One Dyas will auf niederländischem Hoheitsgebiet eine Gasförderplattform installieren. Die Bohrungen unter dem Meeresboden sollen teilweise auf deutschem Hoheitsgebiet verlaufen, weshalb die deutsche Seite in die Planungen einbezogen wurde. Das mit Umweltprüfungen betraute niedersächsische Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) erhob keine Einwände.

Lesen Sie auch

Umweltschützer warnen vor Zerstörung von Steinriffen

Acht Umweltverbänden, darunter der Deutsche Naturschutzring (DNR), die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Greenpeace, kritisierten dies scharf. "Wir können uns keine neuen fossilen Projekte mehr leisten", sagte Mira Jäger von Greenpeace. Hinzukomme, dass es keinen Gasmangel gebe, der den Aufbau neuer Infrastruktur rechtfertigen könnte. Durch die Bohrungen und die Verlegung von Seekabeln drohe zugleich eine "irreversible Zerstörung" besonders geschützter Steinriffe.

Dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) warf Jäger vor, sich "vor seiner Verantwortung weggeduckt" zu haben, indem er das Projekt nicht verhindert habe. Lies selbst erklärte bereits am Mittwoch, dass die Genehmigung eine "gebundene Entscheidung" sei und es "keinen politischen oder sonst irgendeinen Ermessensspielraum" gebe.

Seit dem weitgehenden Stopp russischer Energielieferungen versucht die Bundesregierung, Gas aus anderen Quellen zu importieren oder zu fördern. Das niedersächsische Landesamt erteilte die Genehmigung für die Gasbohrungen und -förderung für 18 Jahre.

Demnach ist außerdem geregelt, dass die Förderung vorzeitig endet, sollte in Deutschland kein Erdgas mehr benötigt werden. Nach Angaben der Behörde werden die geplanten Bohrungen in einer Tiefe von 1500 Metern bis 4000 Metern unter dem Meeresgrund keine Schutzgebiete beeinträchtigen. Den nächsten Schritt müsste jetzt die Bundesregierung gehen, die das nötige Abkommen mit den Niederlanden schließen muss.

Luisa Neubauer: "Geht um Grundsatzfrage der Klimakrise"

Die Aktivisten von "Fridays for Future" forderten das Bundeskabinett auf, dieses Abkommen nicht zu unterzeichnen. Am Wochenende hatten laut den Veranstaltern über 2000 Menschen auf Borkum demonstriert, am Freitag ist ein Protest vor Habecks Ministerium in Berlin geplant.

Aktion von Fridays for Future mit Luisa Neubauer
Luisa Neubauer, Sprecherin von Fridays for Future Deutschland, spricht bei einer Aktion vor dem niedersächsischen Landtag. © dpa / Julian Stratenschulte

Die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer sagte, es gehe nicht nur um ein einzelnes Gasfeld, sondern um eine Grundsatzfrage in der Klimakrise. Die Politik müsse zeigen, ob sie auf der Seite von Klimazielen und Naturschutz oder auf der Seite von fossilen Konzernen stehe. "Wer macht die Regeln für unsere Energiewende? Die Profitinteressen von einem ausländischen Gaskonzern oder die eigene gewählte Regierung?", fragte Neubauer und kündigte an, das Thema nötigenfalls auch in den Bundestagswahlkampf zu tragen.

"Jede weitere Industrieanlage auf See stellt ein Risiko für Meerestiere und -pflanzen dar."

Steffi Lemke, Umweltministerin

Umweltministerin Steffi Lemke: Wattenmeer ist ein Juwel

Auch in der Ampelkoalition auf Bundesebene wächst die Kritik. Bedenken äußerte am Donnerstag etwa Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). "Eine mögliche Gasförderung unweit vom sensiblen Nationalpark Wattenmeer erfüllt mich mit Blick auf den Meeresschutz mit Sorge", sagte sie. "Die Nordsee wird bereits sehr stark genutzt, jede weitere Industrieanlage auf See stellt ein Risiko für Meerestiere und -pflanzen dar." Nicht umsonst unterliege die Förderung von Gas strengen Vorgaben aus dem Meeres- und Naturschutz. "Wenn also die Gasförderung vor Borkum tatsächlich aufgenommen wird, muss ohne Wenn und Aber gewährleistet sein, dass der Schutz des Wattenmeeres Vorrang hat."

Lemke nannte das Wattenmeer ein Juwel. "Es geht nicht an, dass dieses wertvolle Ökosystem geschädigt und sein UNESCO-Status aufs Spiel gesetzt wird, um für einige wenige Jahre Erdgas zu fördern."

Nina Scheer, klimapolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, teilte mit, neue Gasförderungen seien verzichtbar und damit der falsche Weg: "Wir müssen Investitionen in Erneuerbare Energien und erneuerbaren Wasserstoff lenken statt in die weitere Erschließung fossiler Ressourcen."

Habeck rechnet mit Klagen

Vizekanzler und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) rief dazu auf, mögliche Entscheidungen von Gerichten abzuwarten. "Das ist heute keine gerichtsfeste Entscheidung, sie wird sicherlich beklagt werden", sagte er am Donnerstag in Berlin. Erst wenn die relevanten Urteile gefallen seien, werde entschieden, ob das Abkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden unterzeichnet werde.

Es gehe um ein vergleichsweise kleines Gasfeld, sagte Habeck. "Es ist weniger als der Jahresbedarf des deutschen Gasverbrauchs und das wird sich dann ja über Jahrzehnte strecken." Der Effekt auf Energiesicherheit oder Preise sei höchstens minimal.

"Und es ist ein sehr, sehr sensibles ökologisches Gebiet", betonte der Minister. Der Nationalpark Wattenmeer sei "eine Perle in dem Naturschutz". Das Unesco-Weltnaturerbe drohe aberkannt zu werden bei einer Förderung. "Da sind also viele "Abers" zu bedenken." Diese würden jetzt geprüft, "also die naturschutzfachlichen Kriterien". Auch die gesellschaftliche Debatte, ob dies der richtige Ort für Gasförderung sei, beginne erst. (afp/dpa/bearbeitet von fab)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.