Stuttgart - Nun ist es sicher: Die Sanierung der maroden Stuttgarter Oper dauert deutlich länger als geplant und wird wohl auch um einiges teurer als gedacht.

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Die Projektgesellschaft legte dem Verwaltungsrat der Württembergischen Staatstheater am Abend die überarbeiteten Planungen für die Ausweichspielstätte vor. Da deren Bau später beginnen wird, muss der sanierungsbedürftige sogenannte Littmann-Bau - also das Opernhaus - mindestens bis 2033 und damit vier Jahre länger bespielt werden als gedacht.

Zu den Mehrkosten für das Mega-Projekt über die veranschlagte eine Milliarde Euro hinaus gibt es nach Angaben der Stadt Stuttgart und der Projektgesellschaft erst in mehreren Jahren Schätzungen. Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) sagte am Abend, die neuen Planungen seien "keine leicht zu verdauende Nachrichten gewesen". Ein Neubau anstelle eines Interimsgebäudes sei aber "nicht zukunftsweisend".

Auch Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) betonte, es gebe keine sinnvolle Alternative zum Interimsbau und zur Sanierung. Der Rathauschef konnte seinen Ärger aber nicht verbergen: "Manchmal würde man sich beim Eintreffen derartiger unangenehmer Überraschungen am liebsten auf einen anderen Planeten wünschen", sagte er.

Kritiker befürchten, die Sanierung könnte zu einem ähnlichen, wenngleich nicht so großen Milliardengrab werden wie der benachbarte Stuttgart 21-Tiefbahnhof. Sie fordern ein Innehalten und alternative Ideen wie zum Beispiel einen Neubau, der aber bereits umfassend geprüft worden war.

Während der aufwendigen Sanierung der Stuttgarter Staatstheater sollen die Opern in einem Interim aufgeführt werden. Nach den neuen Berechnungen kann mit dem Bau der Ausweichstätte erst Ende 2028 begonnen werden - und damit zwei Jahre später als bisher angenommen. Erst im Herbst 2033 soll das neue Gebäude in Betrieb genommen werden können. Entsprechend würde sich der Umzug des Ensembles vom Oberen Schlossgarten in den Interimsbau an den sogenannten Wagenhallen für vier Jahre verzögern.

Für etwa zehn Jahre soll die neue Bühne nach den bisherigen Planungen als Übergangsquartier für die Staatstheater dienen. Die Oper könnte dann also in den frühen 2040er Jahren zurück in den Littmann-Bau ziehen - statt wie bislang gedacht Ende der 30er-Jahre.

Die Sanierung des mehr als 110 Jahre alten Opernhauses im Stuttgarter Schlossgarten steht außer Frage. Das Haus ist schlicht heruntergewirtschaftet, es platzt zudem aus allen Nähten. Unter anderem wird mehr Platz für Proberäume benötigt. Das Dach aus dem Jahr 1911 ist marode, die Bühnentechnik veraltet und die Gastronomie nicht mehr zeitgemäß. Die Intendanten der Staatstheater rufen bereits seit Jahren lautstark nach schnellen Lösungen. Marc-Oliver Hendriks, Geschäftsführender Intendant der WST, schließt als Folge der Verzögerung nicht aus, dass ab 2027 kürzere Spielzeiten ins Auge gefasst werden müssen, um die notwendigen Arbeiten zu verrichten.

Mit Blick auf die mögliche Kostensteigerung über die veranschlagte eine Milliarde Euro hinaus hieß es, Schätzungen könnten erst aufgestellt werden, wenn eine bestimmte Planungstiefe erreicht sei. "Wir wagen heute keine Kostenprognose", sagte OB Nopper.

Bis zu einem besseren Einblick in die Zahlen wird es allerdings dauern. Derzeit geht die Projektgesellschaft davon aus, dass die Kosten für einen ebenfalls geplanten Anbau an das Kulissenlager auf dem Cannstatter Zuckerfabrikareal im kommenden Sommer feststehen können, die Schätzungen für den Interimsbau erst Ende 2026. Zum eigentlichen Kostentreiber, der Sanierung des Littmann-Baus, soll es erst 2030 Angaben geben. Dann erst muss auch das Land entscheiden. Das Interim wird zu diesem Zeitpunkt aber bereits gebaut. Um "Optimierungspotenziale" bei diesen Zeitläufen und Kosten zu prüfen, soll der Projektgesellschaft nun bis zum kommenden Sommer Zeit gegeben werden.

Neue Zahlen könnten Debatte anheizen

Stadt und Land hatten 2021 im Grundsatz vereinbart, den Littmann-Bau zu sanieren. Das angrenzende Verwaltungs- und Kulissengebäude soll abgerissen und neu gebaut werden, zudem ist der Anbau in Bad Cannstatt geplant. Beschlossen ist auch der Bau der Interimsspielstätte im künftigen Stadtteil Rosenstein. Er soll auch der Einstieg sein in das dort geplante Quartier "MakerCity", das als Pilotprojekt für Wohnen, Arbeiten und Kultur geplant ist. Ein großer Teil der Ausweichspielstätte soll später erhalten bleiben.

Stadt und Land teilen sich als Träger des größten Dreispartenhauses der Welt die Kosten, allerdings übernimmt die Stadt die Baukosten für die Ausweichstätte. Das Land stimmt erst später ab, ob es definitiv einsteigt.

Gegner der Sanierungspläne fordern Neubau

Mit dem angepassten Zeitplan, der bevorstehenden Landtagswahl und den sehr wahrscheinlich deutlich steigenden Kosten dürften die Karten neu gemischt und eine weitere Debatte über Sinn, Zweck und Ausmaß des Projekts angeheizt werden. Denn schon vor zwei Jahren hatten Regierungskreise eine Verdopplung der Sanierungskosten nicht ausgeschlossen.

Denkbar wäre aus Sicht der Kritiker ein Opern-Neubau, den Stadt und Land ablehnen. Für die Opernsanierung fordern die Gegner der Pläne eine abgespeckte Version. Dazu gehört auch ein Verzicht auf eine kostspielige Kreuzbühne, die schnellere und einfachere Bühnenbildwechsel ermöglichen würde. Dies ließ Wissenschaftsministerin Olschowski am Abend offen.  © Deutsche Presse-Agentur

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