Tanzstück in der Naxoshalle: Das Choreographenduo Billinger & Schulz fragt mit dem Tanzstück "Die Dunkelheit" danach, wie Männlichkeit heute wahrgenommen wird - von Männern und allen anderen.

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Frankfurt ⋅ Man kennt das: Sobald ein anderes Geschlecht dazukommt, wird es kompliziert. So ungefähr ist es auch in "Die Dunkelheit". Obwohl es schon vorher kompliziert ist. Und da tanzt Sebastian Schulz noch allein. Schon das ist, für diejenigen, die mit der Arbeit des Choreographenduos Billinger & Schulz vertraut sind, eine Besonderheit. Denn Verena Billinger und Schulz sind in der Regel nicht selbst auf der Bühne. Ausnahme: "Geteilter Abend", entstanden im November 2023, mit Billinger als Performerin mit einem Trio im Frankfurter Mousonturm. Da ging es um den Einzelnen in der Gruppe, der Gesellschaft.

Das Gegenstück ist nun schräg gegenüber uraufgeführt worden, im rauen Fabrikambiente des Produktionshauses Naxos. "Die Dunkelheit", Schulz plus das weibliche Trio aus Jungyun Bae, Magdalena Dzeco und Camilla Fiumara haben der Naxoshalle ein erstaunliches Stück Tanz beschert, buchstäblich dort den Tanzteppich ausgerollt, um eine Untersuchung zum Stand der Männlichkeit im Hier und Jetzt anzustellen. Im ersten Teil ist Schulz allein, und er tanzt auch einen, der allein ist. Hoodie, Shorts, Sneakers, Baseballkappe und darunter knallpink sprühgefärbte Haare: Da hängt einer am Rand herum, er übt cool schlendern, er arbeitet sich, ein nicht mehr ganz junger Männerkörper, an Idealen ab, ihm rutscht die Hand beinahe zum Hitlergruß aus, und sein T-Shirt heißt "Me Against the World".

Die Ambiguität des Lebens

Es geht um das heutige Bild vom Mann, der häufig als defizitär, als toxisch gar, verstanden wird. Der, wie Frauen auch, digitalen Idealen hinterherrennt, die sowieso nicht zu erreichen sind. Der mit dem Bild des Manns in der Gesellschaft klarkommen muss. Das Ganze zu Pop in ultralaut, in sogenannten Nightcore-Fassungen, hochgepitcht und mit klischeehaft harten Beats. Wie Anime oder Videoclip-Dancing sieht auch aus, was dann die drei Tänzerinnen tanzen: Hüftkreisen, zackige Armbewegungen, Gleichschritt. Sie sind gewissermaßen eine Tanz gewordene Männerphantasie, wie man sie millionenfach im Internet sehen kann. Und der Mann? Er macht mit, einerseits. Greift an, wird handgreiflich, sucht Gefühl und Nähe, andererseits. Und das tun die Frauen durchaus auch. Es hätte gar nicht das Obama-Zitat auf dem Programmzettel gebraucht, um zu sehen: Es geht um die Ambiguität des Lebens. Und wie man sie wohl aushalten könnte. Das, so zeigt es Schulz, kostet enorm viel Schweiß und Schmerz , es erschöpft – und muss sein.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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