Weihnachtsmärkte: Mehrere Städte protestieren gegen die hohen Gebühren für Musik auf Weihnachtsmärkten. Die GEMA hat dafür kein Verständnis. Für Vereine gibt es unterdessen Entlastung.
Robert Heine findet es amüsant, was er dieser Tage auf der Homepage der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, besser bekannt unter dem Kürzel GEMA, entdeckt hat. Es gibt dort eine Liste GEMA-freier Weihnachtsmusik, die 38 Klassiker von "Alle Jahre wieder" bis "Zu Bethlehem geboren" nennt. "Das ist schon erstaunlich für eine Interessenvertretung von Urhebern, dass sie für kostenfreie Alternativen wirbt", sagt der Rechtsanwalt mit dem Fachgebiet Urheberrecht. "Das wäre so, wie wenn ich als Verkäufer Werbung auslege für Geschäfte, in denen ich die Produkte billiger bekomme."
Heine wertet die Aktion der GEMA als eine Art Friedensangebot in einem mit anhaltender Empörung geführten Streit: Weihnachtsmärkte in großen Städten haben ihr Musikprogramm wegen der GEMA-Gebühren reduziert; so will in der Region etwa auch Mainz verfahren. Andere verzichten auf moderne Hits wie das Wham-Stück "Last Christmas" oder Chris Reas "Driving Home for Christmas". In Leipzig gab es im vergangenen Jahr sogar einen "Tag der Stille" als Protest gegen die angeblich so unverschämten Gebührenerhöhungen. Frankfurt will beim gewohnten Musikangebot bleiben, lediglich Chöre dazu ermuntern, ihr Repertoire auf rechtefreie Klassiker zu beschränken. Die Tourismus und Kongress Frankfurt (TCF) zahlt als Veranstalter die rund 40.000 Euro Gebühren – wenn auch widerwillig, wie Geschäftsführer Thomas Feda sagt.
Beschwerden fadenscheinig
Auslöser des Zwistes war, dass die GEMA vor zwei Jahren bei mehreren großen Weihnachtsmärkten die Flächenangaben überprüft hatte. Sie stellte fest, dass etwa Frankfurt lediglich die Ausmaße des von der Bühne bespielten Römerbergs angegeben hatte. Tatsächlich muss aber die Gesamtfläche des Marktes betrachtet werden, wie der Bundesgerichtshof vor einigen Jahren bestätigt hatte.
Rechtsanwalt Heine findet die Beschwerden der Städte fadenscheinig. Die GEMA erhebe die Gebühren gemäß der Vereinbarungen, denen der Deutsche Städtebund im Tarifvertrag "US-T Veranstaltungen im Freien" zugestimmt habe.
Die GEMA stellte schon vor der Weihnachtssaison 2023 fest, dass bundesweit nur 35 Märkte so stark betroffen seien wie jener in Frankfurt. Bei insgesamt 3350 untersuchten Märkten habe es hingegen in 75 Prozent der Fälle keine Veränderung der Lizenzsumme gegeben, bei den restlichen in einer Größenordnung von rund 100 Euro.
"Wenn sich bei einem Markt durch die Nachmessung der Fläche zeigt, dass sie das Zehnfache von dem ist, was der Markt angemeldet hat, dann wirkt sich das entsprechend auf die Rechnung aus", teilte eine Sprecherin mit. Für die beiden vergangenen Jahre hatte die GEMA auf Kulanzbasis einen Nachlass gewährt. Erst in diesem Jahr werden die vollen Gebühren abgerufen. Der Deutsche Städtetag hat Gespräche mit der GEMA über eine Anpassung noch nicht so weit voranbringen können, dass sich Entscheidendes geändert hätte.
Der hessische Entbürokratisierungsminister Manfred Pentz (CDU) ist hingegen tätig geworden: Er hat einen GEMA-Pakt initiiert. Aus einem mit jährlich 400.000 Euro gefüllten Topf können sich Vereine von Januar an einen Teil der Gebühren für bis zu vier eintrittsfreie Veranstaltungen erstatten lassen. Dies entlastet besonders dörfliche Weihnachtsmärkte.
"Weihnachtsmärkte ein Wirtschaftsfaktor"
Für deren Sorgen zeigt die GEMA Verständnis, während sie schroff auf die Proteste der Städte reagiert. "Was uns an der Debatte ärgert, ist, dass der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei den Weihnachtsmärkten um ‚karitative Veranstaltungen‘. Das mag der Fall sein bei den kleineren Märkten oder mittelgroßen Kommunen", teilte die GEMA mit. "Weihnachtsmärkte sind eben auch ein starker Wirtschaftsfaktor." Tatsächlich begründet die Stadt Frankfurt ihr Engagement für den Markt mit einem Umsatz in vielfacher Millionenhöhe und einer noch deutlich größeren Wertschöpfung durch die Belebung der Innenstadt.
Wie die GEMA erläutert, fallen rechnerisch für jeden Besucher eines großen Weihnachtsmarkts nur rund 2,5 Cent Gebühren an, während Wurst und Glühwein ein Vielfaches davon kosteten. "Weshalb sollten gerade die Musikschaffenden ihre Leistung verschenken?", fragt deshalb deren Interessenvertretung rhetorisch. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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