Reformvorschläge für Hessen: Weniger Parkplätze, einfachere Baugenehmigungen: Experten aus der Immobilienbranche haben Vorschläge erarbeitet, wie sich der Wohnungsbau in Hessen wieder ankurbeln lässt.
Die Bauarbeiten in dem Neubaugebiet Sandelmühle im Frankfurter Stadtteil Heddernheim sind zügig verlaufen. 22 Monate nach Baubeginn sind die ersten Einfamilienhäuser bezogen, die Mietwohnungen folgen im Januar. Bevor aber auf der 2,8 Hektar großen Fläche direkt an der U-Bahn-Station Sandelmühle die Bagger anrücken konnten, verging viel Zeit.
Von 2012 bis 2021 habe es gedauert, einen Bebauungsplan aufzustellen, sagte Daniela Matha, Geschäftsführerin der städtischen ABG Holding, die in dem Neubaugebiet unter anderem rund 100 Sozialwohnungen vermietet. Hätte es damals schon eine Regelung geben, die sich viele Experten aus der Bau- und Immobilienbranche wünschen, wäre es ihrer Ansicht nach schneller gegangen. Dann wäre für die 207 Wohneinheiten womöglich noch nicht einmal ein Baugenehmigungsverfahren nötig gewesen.
Matha ist Mitglied der Kommission "Innovation im Bau", die der hessische Wohnungsbauminister Kaweh Mansoori (SPD) nach seinem Amtsantritt eingesetzt hat, um das Bauen kostengünstiger und schneller zu machen und Bürokratie abzubauen.
13 Vertreter aus Wirtschaft, Architektenschaft, Gewerkschaften und Anwaltskanzleien haben unter der Leitung von Mansooris Staatssekretär Umut Sönmez 20 Vorschläge erarbeitet, die sie als "Baupaket 1" am Montag dem Minister überreicht haben – mitten auf der Baustelle des Neubaugebiets Sandelmühle. "Wir wollen, dass mehr Menschen ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum finden", sagte Mansoori.
"Wohnen wichtiger als Parken"
Um die Kosten zu senken, möchte die Kommission vor allem an der Stellplatzpflicht ansetzen. "Der Bau eines Tiefgaragenplatzes kostet 30.000 bis 50.000 Euro", sagte Thomas Reimann, Präsident des hessischen Baugewerbeverbands. Umgerechnet auf die Miete bedeute das eine zusätzliche Belastung von 1 bis 1,50 Euro je Quadratmeter, rechnete Axel Tausendpfund vor, Vorstand des Verbands der südwestdeutschen Wohnungswirtschaft. "Dabei bauen wir oft am Bedarf vorbei", sagte er.
Viele teure Tiefgaragen seien nicht ausgelastet. Es gelte der Grundsatz "Wohnen ist wichtiger als Parken". Nach den Vorstellungen der Kommission sollen Bauherrn künftig selbst entscheiden, wie viele Stellplätze sie errichten wollen. "Ein Studentenwohnheim mit der Straßenbahn vor der Haustür braucht weniger Stellplätze als das Haus mit Wohnungen für Familien", sagte Reimann. Kippt das Land die Stellplatzpflicht, haben Kommunen nicht mehr die Möglichkeit, über eine Satzung eine bestimmte Zahl von Abstellmöglichkeiten vorzuschreiben.
Für einige Bauvorhaben empfiehlt die Kommission, Baugenehmigungen einfacher zu erteilen oder ganz darauf zu verzichten. Dadurch könnte es unter anderem erleichtert werden, Dachgeschosse auszubauen und Häuser aufzustocken. "Allein im Rhein-Main-Gebiet können dadurch 20.000 zusätzliche Wohnungen entstehen", sagte Tausendpfund.
Im "unbeplanten Innenbereich" – das sind Gebiete innerhalb von Ortschaften, für die es keinen Bebauungsplan gibt – soll es Baugenehmigungsverfahren nur noch dann geben, wenn es der Bauherr oder die Baubehörde ausdrücklich verlangen. Damit lässt sich Zeit sparen. Trotzdem muss der Bauherr garantieren, dass alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Zum Beispiel muss sich ein Neubau in die Umgebung einfügen. "Wir sind überzeugt, dass erfahrene und professionelle Bauherren dieses Risiko tragen können", sagte Reimann. Grundstücke sollen besser ausgenutzt werden, indem der Mindestabstand zum Nachbarn von drei auf 2,50 Meter reduziert wird.
Serielle Fassaden und trotzdem schön
Innovationen verspricht sich die Kommission von der Einführung eines "Gebäudetyps E". Durch den Verzicht auf teure Vorschriften und experimentelle Lösungsansätze soll einfacheres und kostengünstigeres Bauen ermöglicht werden. Auch im seriellen Bauen sehen die Fachleute Potential. "Dadurch können wir die Kosten kalkulierbar machen und die Bauzeit reduzieren", sagte Matha. Beispiele aus den Niederlanden zeigten, dass auch standardisierte Fassaden ästhetisch anspruchsvoll sein könnten. Weitere Vorschläge betreffen zum Beispiel den Verzicht auf die Pflicht zum Bau von Kinderspielplätzen an Wohngebäuden, die Digitalisierung des Baugenehmigungsverfahrens und Erleichterungen beim bau von Solaranlagen und Windrädern. Um ein Gebäude abzureißen, soll man künftig keine Genehmigung mehr einholen müssen.
"Als Minister stehe ich hinter den Vorschlägen und werde dafür in der Koalition werben", sagte Mansoori. Jetzt werde geprüft, welche Ideen das Ministerium selbst verwirklichen könne – etwa durch Rechtsverordnungen. Für die meisten Reformen müssten Landesgesetze geändert werden. Mansoori sagte, er wolle dafür nicht nur die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD gewinnen, sondern auch auf die Opposition zugehen. "Wir dürfen diese Themen nicht entlang von Parteigrenzen diskutieren." Die hessischen Reformen könnten zum Vorbild für andere Länder werden.
In der Öffentlichkeit hat die Diskussion am Montag schon begonnen. Der Verkehrsclub VCD hält den Verzicht auf die Stellplatzpflicht für sinnvoll, warnte aber davor, dass der Parkdruck im begrenzten öffentlich Raum steigen könnte. Und der Allgemeine Deutsche Fahrradclub sprach sich dafür aus, in neuen Wohngebäuden nicht auf Fahrradstellplätze zu verzichten.
Die Kommission wird auch nach der Präsentation ihrer Vorschläge weiterarbeiten und ein "Baupaket 2" vorlegen. Darin könnte es dann um deutlich komplexere Themen wie Barrierefreiheit und Brandschutz gehen. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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