Wahlkampf im Karneval: Noch fehlen in vielen Kommunen Wahlhelfer für den geplanten Urnengang am 23. Februar - Wahlkämpfer gibt es zumindest in Mainz und Rheinhessen dagegen genug.
Dass der Mainzer Obdachlosenarzt Gerhard Trabert zum Kreis der Bewerber gehört, die sich für einen Platz im neu zu bildenden Bundestag interessieren, überrascht nicht wirklich. Schließlich hatte der längst über die Grenzen von Rheinhessen hinaus bekannte Sozialmediziner, der nach 2021 abermals als Direktkandidat für Die Linke antritt, beim ersten Mal beachtliche 12,4 Prozent der Erststimmen für sich verbuchen können; derweil sich die Partei selbst damals bei den Zweitstimmen mit 4,7 Prozent begnügen musste. Weil aus seiner Bewerbung um das Amt des Bundespräsidenten 2022 erwartungsgemäß nichts wurde und er danach auch bei der Europawahl keinen Platz in Brüssel bekam, richtet sich der Blick des Parteilosen nun also wieder nach Berlin.
Mit den Linken, die den mehrfach ausgezeichneten Hochschullehrer am Freitag als ihren Direktkandidaten im Wahlkreis 204 – also für die Stadt Mainz und Teile des Kreises Mainz-Bingen – vorgestellt haben, verbinden ihn viele Themen: gerechte Mieten, die Forderung nach einem Ende der Zweiklassenmedizin, aber auch der Kampf um eine sanktionsfreie Mindestsicherung, die Betroffenen ein menschenwürdiges Leben nach einem Arbeitsplatzverlust garantiere.
Während die vorgezogene Bundestagswahl, die aller Voraussicht nach nun am 23. Februar stattfinden dürfte, den für die Organisation zuständigen Kommunen einiges abverlangt, scheinen die größeren respektive etablierten Parteien in Rheinhessen zumindest personell schon gut gerüstet: Die SPD will abermals mit dem inzwischen 30 Jahre alten Daniel Baldy ins Rennen gehen, der sich vor gut drei Jahren mit damals 24,9 Prozent der Erststimmen ein wenig überraschend das Direktmandat hatte sichern können; und der sich nach dem Ende der Ampel in Berlin gerne weiterhin um seine Themen wie eine leistungsfähige Wirtschaft, eine funktionierende Infrastruktur oder auch um Familienpolitik und Kinderschutz kümmern möchte. Der in Bingen geborene Sozialdemokrat lebt mit seiner Ehefrau inzwischen in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt.
Nach dreijähriger Zwangspause möchte Ursula Groden-Kranich, die dem Bundestag schon von 2013 bis 2021 angehörte, auch wieder ein Berlin-Ticket "ziehen". Einen ersten Erfolg konnte die Neunundfünfzigjährige schon für sich verbuchen. Parteiintern gelang es der im Mainzer Stadtteil Hechtsheim lebenden Bankkauffrau, sich in der Wahlkreisvertreterversammlung gegen den offenbar vom Kreisvorstand der Union präferierten Philipp Breiner durchzusetzen. Dabei könnte sich ihre Bekanntheit in der Stadt gerade angesichts eines vergleichsweise kurzen Wahlkampfs als Vorteil für die CDU-Frau erweisen, die verheiratet ist und eine Tochter hat. Mit Blick auf Berlin wünscht sich Groden-Kranich für die Zukunft weniger Streit und mehr Lösungen.
Im Wahlkreis 204 werden wohl im Februar rund 250.000 Bürger dazu aufgerufen, über die Zusammensetzung eines neuen Bundestags mitzuentscheiden. Weil die Abstimmung in die Fastnachtszeit fällt, könnte es in der vom Karneval geprägten Region Rheinhessen schwierig werden, für das letzte Februarwochenende, also kurz vor Rosenmontag, genügend Wahlhelfer zu finden. Weil etliche Turnhallen, Gemeinderäume und Säle zu dieser Zeit erfahrungsgemäß für Sitzungen, Kinderfeste und Maskenbälle benötigt werden, plant man etwa in Mainz, die Wahllokale möglichst in Schulgebäuden unterzubringen.
Auf den Stimmzetteln werden dann, soweit man das bisher sagen kann, neben vielen vertrauten auch einige neue Namen stehen. Bei den Grünen etwa will Thorsten Becherer, der zwei Jahrzehnte lang in der Industrie tätig war, Nachfolger der nicht mehr angetretenen Tabea Rößner werden, die als Medienexpertin seit 2009 mehrfach über die Landesliste nach Berlin gekommen war. Ein neues Gesicht hält auch die Alternative für Deutschland ihren Wählern bereit: Weil der bisherige Spitzenkandidat Sebastian Münzenmaier diesmal im Wahlkreis Kaiserslautern sein Glück versucht, steht in Rheinhessen der 41 Jahre alte Patric Berges als Direktkandidat zur Wahl.
Während vor allem kleinere Gruppierungen erst noch die notwendigen Unterstützerunterschriften sammeln müssen, um überhaupt zur Bundestagswahl zugelassen zu werden, haben die Liberalen in Stadt und Landkreis ihren Frontmann längst gefunden: den 43 Jahre alten David Dietz, der sich in Mainz seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Kommunalpolitik einbringt. Und dem mit einer Beeinträchtigung geborenen Vater zweier Kinder ist kein Alltagsthema fremd: vom Warten auf den Facharzttermin bis zur Suche nach einem Kitaplatz. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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