Der Wandertipp: Wo bislang nur Wald stand, kommen dank des archäologischen Projekts wieder Burgen, Klöster und Ringwälle zum Vorschein.

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Mustergültig gestaltete Kulturwege stellen sie vor. Das schließt selbst Neubauten wie die Bahnstrecke zur Umfahrung der "Spessartrampe" ein.

Die "125" sind erreicht. Jüngst feierte das vor 25 Jahren begründete Archäologische Spessart Projekt (ASP) mit Eröffnung einer jener "Kulturwege" Jubiläum, die zu seinem Aushängeschild wurden. Kaum ein Ort zwischen Main und Kinzig, der jetzt nicht mit den mustergültig gestalteten Wanderrunden zu entdecken wäre. Als Leitfaden dient der Anspruch, Spezifisches, häufig auch Unbekanntes vorzustellen, um, wie es ursprünglich hieß, "den Spessart mit anderen Augen zu sehen".

Zum Grundgedanken des anfangs durch die EU und verschiedene Körperschaften getragenen ASP-Projektes gehört, die Region wissenschaftlich zu erforschen und die Erkenntnisse breitenwirksam aufzubereiten. Auf Basis von bislang unbeachteten Archivalien wird buchstäblich Verschüttetes, etwa Burgen, Klöster oder Ringwälle, freigelegt, an deren Ergrabung und Wiederherstellung dann Ehrenamtliche beteiligt sind. Manche Gemeinden wie Haibach oder Kleinwallstadt wurden so unverhofft zu Besitzern von Burgruinen.

Die ergänzenden Kulturwege entstehen im Einvernehmen mit der jeweiligen Gemeinde, während die Infrastruktur in den Händen des in Aschaffenburg ansässigen Wandervereins Spessartbund liegt. Dieses mehrfach prämierte Konzept – darunter der Deutsche Denkmalschutzpreis – erwies sich als derart tragfähig, dass man nach Forschungsansatz und räumlicher Ausdehnung längst über die angestammten Spessartgrenzen bis tief ins Fränkische hinausgeht.

Der wissenschaftliche Part untersteht mittlerweile der Würzburger Universität. Deshalb dürfte es kein Zufall sein, dass der 125. Kulturweg in Mainfranken bei Ochsenfurt angelegt wurde. Nicht weniger absichtsvoll kam einer der ersten nach Heigenbrücken. Thematisch folgt er der Grundlage von allem, dem landschafts- und vegetationsprägenden Sandstein und damit seiner wirtschaftlichen Bedeutung. Auch hier gab es einige Steinbrüche, die zunächst vom Bau der 1854 eröffneten Bahnstrecke durch den Spessart profitierten und dann von den ungleich besseren Transportmöglichkeiten.

Umgekehrt fanden nun Wander- und Naturfreunde in das endlose Waldgebiet. Für die Erschließung mit Wegen und Hütten zeichnete maßgeblich der 1913 aus mehreren Vorgängern gebildete Spessartbund verantwortlich. Symbolträchtig erwählte man einen aufgegebenen Steinbruch, genannt Pollasch, zum ideellen Mittelpunkt. Bedeutende Feierlichkeiten und das Totengedenken werden dort bei Blick über das Schwarzbachtal abgehalten. Nur die Eisenbahn verkehrt seit der 2017 vollendeten Neubaustrecke zur Umfahrung der berüchtigten "Spessartrampe" nicht länger im Hintergrund.

Gut hundert Höhenmeter hatten die Züge zwischen Laufach und dem Schwarzkopftunnel vor Heigenbrücken zu überwinden. Jetzt rauschen die Intercity-Züge mit 140 Stundenkilometer doppelt so schnell durch den 2600 Meter langen Falkenbergtunnel, um ihn erst unmittelbar vor dem gleichfalls neuen "Bahnhalt" zu verlassen. Wie könnte es anders sein, stimmt schon am Bahnsteig der parallel initiierte ASP-Kulturweg "Spessartrampe" auf die Strecke ein.

Wegbeschreibung

Der Kulturweg misst 14 Kilometer. Hier mag sein spektakulärster – Tunnels – offene und "eingetrogte" Passagen begleitender Abschnitt unterhalb der waldreichen Eselshöhe genügen. Halten in Heigenbrücken auch keine ICEs, ist die Anbindung dennoch sehr gut. Ein großer Parkplatz wurde am neuen Bahnhof mitgeplant, ein zweiter besteht zentral vor der Grünanlage (Zufahrt via Hüttenwiesenweg).

Vom Bahnhof kommen wir nach Queren des Lohrbachs links durch diese Anlage zur Ortsmitte, wo die Markierungen von Spessartweg (grünblau) und ASP-Weg "Sandstein" (blau mit gelben Sternchen) hinzutreten. Ihr gemeinsames Zwischenziel ist der frühere Bahnhof. Sein Sandsteinrot fällt bereits aus der Ferne auf, wenn es am Rande einer Brache hinübergeht.

Das Stationsgebäude wird teils bewohnt, wirkt jedoch ähnlich verwaist wie der schon fast zugewachsene Schwarzkopftunnel jenseits der oberhalb entlangführenden Straße; an der Einmündung kurz links. Wir laufen zurück und dann neben der Straße gen Ortsausgang. Noch davor knicken die Zeichen nach Passieren einer Hotelruine abrupt links in den Steilhang. Erst mit Erreichen der Landstraße trennen sich die Pfade. Bei einer stark verkürzten Runde erlauben ASP- und Spessartweg den direkten Anstieg zum Pollasch.

Für die ausholende Runde wechselt man über die Straße dem historischen Rastplatz Hirschhörner entgegen. Die Eselskarawanen werden dort verschnauft haben, wenn sie bepackt mit Erzeugnissen der Heigenbrückener Glashütte heraufkamen. Das Haupttransportgut galt dem Salz der Orber Salinen. Ein Fernwanderweg folgt der Route bis Großheubach am Main, naheliegend Eselsweg genannt. Seinem Emblem schwarzes E schließen wir uns halbrechts an.

Damit beginnt ein langer, angenehm zu laufender Weg durch spessarttypische Laubwälder. Auch nach dem Wendepunkt auf der Eselshöhe ändert sich daran nichts – nur das Vorzeichen zur Kombination L2 in Richtung Hain, und das bedeutet erfreulicherweise wieder abwärts. Streuobstwiesen künden dann den Laufacher Ortsteil an. Ohne L2 biegt man unten links in die Lindenbergstraße, weiter rechts Zur Grotte und schließlich links hinaus mit der Heigenbrückener Straße, wo wir auf einen alten Bekannten treffen, den Spessartweg. Zu ihm gesellt sich bald, an einem Bildstock, der ASP-Kulturweg "Spessartrampe".

Ergänzend geizt die Deutsche Bahn nicht mit eigenen Schautafeln. Sie sind allerdings auf dem Stand der Planungszeit, und auch sonst könnten Auffrischung und Freischnitt den Gesamteindruck noch steigern. Sichtbar blieb – nach kurzem Abstecher – die Offenstelle zwischen Hirschberg- und Falkenbergtunnel. Mehr als 200 Züge durcheilen sie täglich.

Eine weitere Stichstrecke zielt bis knapp vor das westliche Portal des Schwarzkopftunnels. Dort versperren allerdings junge Stämme den Blick. Wie anders ist das Bild etwas höher im Bereich einer Starkstromleitung: Der baumfreie Unterwuchs lässt Brombeeren reifen und Heidekraut erblühen. Nun ist die Gedenkstätte des Spessartbunds am Pollasch nicht mehr fern. Gesäumt von Schutzhütte und Fahnenmasten, überrascht das eigentliche Ehrenmal mit seiner geometrisch-kantigen Gestaltung. Tatsächlich wurde die modern anmutende Sandsteinarbeit schon 1927 aufgestellt.

Wir wechseln die Straßenseite und halten uns vor der Wand des früheren Steinbruchs über einen Parkstreifen rechts und ausgangs gleich links den Pfad hinan. Unverändert mit den bisherigen Zeichen kommt nach 600 Metern der Richtungspfosten Schwarzkopf in Sicht, der halbrechts gen Nöll/Heigenbrücken weiterleitet. Vom Waldaustritt an führt ein kurvenreicher, asphaltierter Weg kräftig fallend zu Tal. In einer scharfen Linkskehre wird nach rechts der ein Kilometer entfernte "Bahnhalt" angezeigt – vor der nahen Skistation links –, wogegen die Markierungen zur Ortsmitte ziehen.

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Anfahrt

Das zentral im Spessart liegende Heigenbrücken ist über die A3 erreichbar, entweder via Ausfahrt Hösbach oder Weibersbrunn. Parkmöglichkeiten gibt es vor einer Grünanlage (Hüttenwiesenweg) und am neuen "Bahnhalt". Stündlich gibt es eine Direktverbindung von Frankfurt über Aschaffenburg nach Heigenbrücken (z.B. 9.30 Uhr mit RE54, 10.34 Uhr mit RE55).

Daten

Länge: 17 (7) km Höhenmeter: 490 Karte: Heigenbrücken (Blatt 10), Maßstab 1:25.000, Verlag Main Echo

Sehenswert

Wie die meisten Spessartorte besitzt Heigenbrücken wenig historische Substanz, von der neugotischen Pfarrkirche (1893) und einigen klassizistischen Villen abgesehen. Schon 1857 entstand das Bahnhofsgebäude an der drei Jahre zuvor eröffneten Spessartstrecke ("Ludwigsbahn"). Der dahinter mündende, gut 900 Meter lange Schwarzkopftunnel wurde 2017 zugunsten einer neuen Trassenführung ab Laufach geschlossen. Der aus zwei Röhren bestehende, 2600 Meter messende Falkenbergtunnel endet unmittelbar vor dem gleichfalls neuen "Bahnhalt". Von einem begleitenden Weg können die Gleise teilweise eingesehen werden. Oberhalb davon liegt der "Pollasch", die Ehrenstätte des 1913 begründeten Wandervereins "Spessartbund".  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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