Gestürzte Bismarck-Statue: Im Frankfurter Stadtteil Höchst haben vermutlich linke Aktivisten eine überlebensgroße Statue des ersten Reichskanzlers des Deutschen Reiches, Otto von Bismarck, zu Fall gebracht. Aber Geschichte lässt sich nicht in einem einmaligen Kraftakt bewältigen.
Im Frankfurter Stadtteil Höchst haben vermutlich linke Aktivisten eine überlebensgroße Statue des ehemaligen preußischen Ministerpräsidenten und ersten Reichskanzlers des Deutschen Reiches, Otto von Bismarck, zu Fall gebracht. Den unerkannt entkommenen Tätern ist damit gelungen, woran sich Liberale und Sozialdemokraten zwischen 1862 und 1890 immer wieder vergeblich versucht hatten: der Sturz einer zwar umstrittenen, aber zweifellos großen Gestalt in der Geschichte Deutschlands und Europas. Bismarck gilt gemeinhin als Vollender der ersten deutschen Einheit im Jahr 1871, weshalb hierzulande auch heute noch zahlreiche Denkmäler an ihn erinnern.
Der Anschlag auf sein Frankfurter Bronzebildnis war offensichtlich politisch motiviert, weil am Tatort mit roter und weißer Farbe angebrachte Schriftzüge gefunden wurden, die die Rolle Bismarcks in der Kolonialpolitik kritisierten. Dabei war der Reichskanzler anfänglich ein entschiedener Gegner deutscher Kolonien, der sich nur widerwillig dem zunehmenden Drang nach einer außereuropäischen Expansion beugte. Schon an diesem Beispiel wird deutlich, dass Bismarck kein eindimensionaler Politiker war, und dass sich sein Wirken nicht in Schwarz-Weiß-Kategorien erfassen lässt.
Hindenburg ist in Frankfurt Persona non grata
Ohnehin lernt man aus der Geschichte nicht nur durch positive Beispiele. Die wenigsten großen Politiker, Militärs, Künstler und Denker waren ohne Fehl und Tadel, und nur wer mit der Geschichte reflektiert umgeht und überkommene Denk- und Verhaltensweisen immer wieder kritisch hinterfragt, kann aus Fehlern lernen. Die Vergangenheit lässt sich nicht in einem einmaligen Kraftakt bewältigen – schon gar nicht durch das Umwerfen einer Statue.
Welche Person und welches Ereignis auf einem Straßenschild verewigt werden darf, ist Sache der Kommunen, und dort gehen die Ansichten über das, was akzeptabel und opportun erscheint, nicht selten weit auseinander. Über den Hindenburgplatz etwa wird an einer Stelle gestritten, anderswo kann man gut mit ihm leben. In Frankfurt gilt der Mann, der Hitler erst als Reichspräsident verhinderte und ihn später zum Reichskanzler ernannte, als Persona non grata. In Dutzenden anderer Kommunen – darunter Mainz und Bad Homburg – sind hingegen noch immer Straßen und Plätze nach Hindenburg benannt.
Und warum auch nicht? Ein Denkmal kann auch ein Mahnmal sein, insbesondere wenn es um eine den historischen Kontext erläuternde Texttafel ergänzt wird. In Frankfurt-Höchst ist man bisher noch nicht auf diese Idee gekommen. Vielleicht sollte man dieses Versäumnis nach der Reinigung und Wiederaufstellung der Bismarck-Statue korrigieren. Dann hätte der Fall am Ende doch noch etwas Gutes. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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