Digitaler Wandel: Im Internetzeitalter haben es Druckereien schwer. Doch nicht alle geben auf – der Frankfurter Unternehmer Ralf Zarbock investiert sogar.
Was macht man, wenn die Transformation einer ganzen Branche die eigene Arbeit bedroht? Im Zeitalter des Internets haben es Druckereien schwer. Zum einen haben gedruckte Medien gegenüber der digitalen Kommunikation an Bedeutung verloren. Zum anderen verändert der digitale Wandel die Spielregeln des Wettbewerbs: Nur wer effizient und innovativ arbeitet, kann überleben.
Nicht wenige Unternehmer haben in der digitalen Transformation versucht, das Unternehmen gesundzuschrumpfen – und haben sich von Mitarbeitern getrennt. Für Ralf Zarbock ist das keine Option: Der Chef der gleichnamigen Frankfurter Druckerei hat investiert – und seinen Umsatz in den vergangenen zwölf Jahren verdoppelt.
Dass ihm das gelungen ist, mag verwundern, denn in Hessen ist die Zahl der Druckereien innerhalb von acht Jahren um fast 30 Prozent geschrumpft – ähnliches ist beim Blick auf die Beschäftigten zu sehen: Waren 2015 in Hessen laut dem Bundesverband Druck und Medien noch 668 Betriebe mit 8685 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit der Herstellung von Druckerzeugnissen befasst, so sank die Zahl bis 2023 auf 473 Unternehmen mit noch 6297 Angestellten.
Druckmaschinen für verschiedene Produkte
Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind die Stichworte, die der Diplom-Ingenieur als Erstes nennt, wenn er über sein Unternehmen spricht. "Diese Trends sehe ich als wegweisend an." Das zeigt auch ein Blick in seine heiligen Hallen, die zum Teil durch die Abwärme der Maschinen beheizt und deren 4000 Quadratmeter Produktionsfläche durch sparsame LEDs ausgeleuchtet werden, während Roboter seinen Mitarbeitern beim Weiter- und Endverarbeiten assistieren.
Das Gesamtergebnis kontrollieren allerdings noch menschliche Augen, deren Blick alles andere als starr sein soll, denn Flexibilität ist wichtig für Zarbock – nicht zuletzt, weil die Druckbranche wohl weiter abbauen wird. Der Bundesverband geht davon aus, dass die absolute Anzahl der Betriebe 2028 bundesweit nur noch 5425 betragen wird. Zum Vergleich: 2000 lag sie noch bei 13.922. "Wir haben uns nie auf eine Nische festgelegt, denn wenn man in einer Nische verdrängt wird, hat man gleich ein Problem."
So müsse eine Druckmaschine, die ihm ins Haus komme, mehrere Produkte anfertigen können. Zudem sagt der Drucktechnikspezialist, er habe immer auf Digitalisierung gesetzt. Mit dieser Weitsicht und, wie er sagt, einigen "kaufmännisch klugen Entscheidungen" habe er sich durchsetzen können, zumal gleichzeitig andere Druckereien aufgeben mussten: "So konnte ich gute Fachleute akquirieren."
Ebenfalls sei es ihm gelungen, eine teure Maschine nach einer Insolvenz günstig zu ersteigern. Generell jedoch schade ihr schlechter Ruf der Branche, sagt Martin Schmidt - auch, was den Fachkräftenachwuchs angehe.
Arbeitsplätze trotz Digitalisierung erhalten
Der frühere Chef der Druckerei Stritzinger aus Dreieich, der auch im Zentral-Fachausschuss für die Berufsbildung im Bereich Druck und Medien tätig ist, spricht davon, dass seit 2007 die Zahl der Auszubildenden im ersten Lehrjahr in der Druckindustrie bundesweit um mehr als die Hälfte gesunken sei.
Den Mangel an Fachkräften spürt auch das Druck- und Verlagshaus Zarbock. Selbst bei Digitalisierungsprozessen, in deren Zuge zum Beispiel eine per Hand zu bedienende Druckplattenmaschine durch eine vollautomatische ersetzt worden sei, seien, darauf legt Ralf Zarbock Wert, keine Arbeitsplätze verloren gegangen. "Früher war man mit der ganzen Arbeit dort, unter anderem dem Be- und Entladen, neun bis zehn Stunden beschäftigt. Nun ist es nur noch eine halbe Stunde. Den Menschen kann ich aber an anderer Stelle sehr gut gebrauchen."
Letztlich müsse man, sagt Zarbock, "die Mannschaft mitnehmen" und brauche Zusammenhalt. Denn Krisen könnten unvermittelt kommen – wie die Corona-Pandemie. Damals wurden viele Messen abgesagt, was auch für die Druckerei des Unternehmers Folgen hatte – denn die fertigte bis dahin viele Ausstellerkataloge. Weil Zarbock die frei werdenden Kapazitäten dazu nutzen konnte, Schnelltestverpackungen zu bedrucken, sei er gut durch die Krise gekommen.
"Vertragsbrüche gab es jeden Tag"
Doch damit nicht genug: Dann habe es eine Verdoppelung der Materialkosten gegeben – ein weiterer Schlag für die Branche, sagt Zarbock, der von Preiskämpfen erzählt. "Irgendwann kann man die Steigerung auch nicht mehr weitergeben, und dann wird von der Kundenseite her das Produkt auf den Prüfstand gestellt."
Schlimmer sei noch gewesen, dass in der Zeit mit dem Virus die Lieferketten abgerissen seien. "Plötzlich musste man für das kommende Jahr blanko das Papier vorbestellen und vorfinanzieren. Als es dann geliefert wurde, hieß es, der Preis stimme nicht mehr - Vertragsbrüche gab es jeden Tag." Das habe er noch abfedern können. Auch die Energiepreissteigerungen seien hart gewesen, wenngleich auf den Dächern auf Zarbocks 60 Mitarbeiter starkem Betrieb nahe der Klassikstadt Photovoltaikanlagen installiert sind.
Ralf Zarbock denkt nicht in Schwarz und Weiß: Er weiß um die Probleme der Branche, bleibt aber optimistisch, selbst wenn die eigene Branche "totgeredet" werde, wie er sagt. Seine Hoffnung lautet, dass die Menschen seine Arbeit wertschätzen, denn: "Ein schönes Buch am Strand ist doch noch etwas anderes als eine Website." © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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