Beratung im Jobcenter: Die Berater in den Jobcentern sollen Bürgergeldempfänger in Arbeit vermitteln. Das ist kein leichter Job – auch weil es an Druckmitteln fehlt.

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Die Frau macht einen gepflegten Eindruck. Das lange rotblonde Haar ist auf der Seite gescheitelt. Zur schwarzen Hose trägt sie einen Pullover mit Blumen in Naturtönen, dazu Sneaker und Tasche aus hellem Leinen. Carolina J. (die wie alle Protagonisten in diesem Text ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte), lobt ihre Beraterin im Jobcenter Frankfurt-Nord in höchsten Tönen. "Sie hilft mir sehr viel", sagt die Siebenunddreißigjährige über Andrea S., die sie seit Anfang des Jahres betreut. Ohne Arbeit ist die aus Polen stammende Carolina aber schon seit sechs Jahren. Zuvor hatte sie mehrere Jahre für einen Pflegedienst gearbeitet. "Ich konnte das irgendwann nicht mehr", erzählt sie. "Es hat mich zu traurig gemacht, wenn die Leute gestorben sind." Darum hat sie gekündigt und einen neuen Job gesucht.

Doch das blieb ohne Erfolg, denn bis dahin waren J.s Deutschkenntnisse gering. Als der Bezug von Arbeitslosengeld und damit die Betreuung durch die Arbeitsagentur endete und sie beim Jobcenter landete, begann sie mit Sprachkursen.

Damit gehört Carolina J. zu den 20 bis 25 Prozent der gut 44.000 vom Frankfurter Jobcenter betreuten Personen, die eine Sprachförderung benötigen, weil ihre Deutschkenntnisse nicht ausreichen, um die angestrebte Beschäftigung zu finden. Denn es geht nicht darum, Carolina J. möglichst schnell in irgendeinen Job zu vermitteln. "Wir wollen ja eine langfristige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für unsere Kunden erreichen", erläutert Beraterin Andrea S..

Nicht jede Idee kommt bei Arbeitsuchenden gut an

Inzwischen hat Carolina J. die Prüfungen in B1 und B2 bestanden, was bedeutet, dass sie ein gutes Sprachniveau hat. Weil sie aber mehr wollte, hat sie noch einen C1-Kursus vom Bundesamt für Migration finanziert bekommen. Die Prüfung hat sie allerdings nicht bestanden – auch wenn ihr Deutsch im Gespräch einen guten Eindruck macht. Im schriftlichen Teil hätten ein paar Punkte gefehlt, sagt J. Nun geht es für die ehemalige Pflegekraft darum, eine neue berufliche Qualifikation zu erreichen.

Die Beraterin hatte auch schon eine Idee und der "Kundin", wie die Betreuten genannt werden, eine Weiterbildung zur Sachbearbeiterin für Luftfracht und Zoll angeboten. "Denn da werden derzeit viele Leute gesucht." Den Kursus in Neu Isenburg, der das Jobcenter etwa 6000 Euro gekostet hätte, lehnte Carolina J. aber ab mit der Begründung, er sei von ihrem Wohnort in Preungesheim zu schlecht zu erreichen: "Da muss ich um 5 Uhr morgens los und bin erst um 18 Uhr zurück, das geht mit meinem Sohn nicht."

Der Sechzehnjährige habe gerade viele Prüfungen in der Schule und brauche ihre Unterstützung. Auch wenn es sich nur um ein paar Monate gedreht hätte, insistiert die Beraterin nicht. "Das hat keinen Sinn, wenn jemand es nicht will, dann bricht er die Fortbildung ab, und wir fangen wieder von vorne an."

Nun hat die Beraterin einen neuen Vorschlag: eine zwei- bis dreijährige Qualifizierung zur Kauffrau für Büromanagement. Zunächst soll sich die Kundin über mögliche Träger informieren, die eine Weiterbildung im Rahmen des Bildungsgutscheins des Jobcenters anbieten. 10.000 bis 12.000 Euro koste die angebotene Qualifizierung, sagt die Beraterin.

Etat schrumpft 2025 auf rund 7 Millionen

Gut elf Millionen Euro stehen nach Angaben des Jobcenters Frankfurt im Etat 2024 für Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung, 2025 nur noch rund sieben Millionen. Aktuell nähmen etwa 2300 Leistungsberechtigte an Fördermaßnahmen und Umschulungen teil. Dazu gehörten auch Ein-Euro-Jobs oder geförderte Arbeitsverhältnisse zur Eingliederung.

Beim nächsten Termin, drei Wochen später, will die Beraterin einen Kooperationsvertrag mit Carolina J. unterzeichnen. Eigentlich hätte sie die Frau längst als Empfangskraft vermitteln können. Doch die Kundin wünscht sich eine Tätigkeit, bei der sie zum Teil mobil arbeiten kann – auch von Polen aus, um sich um ihre Eltern kümmern zu können. Carolina J. bedankt sich herzlich und verspricht, am 10. Oktober zu kommen, um den Vertrag zu unterzeichnen. Und Andrea S. hofft, dass damit dann der Weg auf den Arbeitsmarkt bereitet ist.

Bis Carolina J. tatsächlich wieder ihre eigenes Geld verdient und in die Sozialkassen einzahlt, wird sie etwa neun Jahre ohne Anstellung gewesen sein. Damit gehört sie zu der mit knapp 20.000 Personen größten Gruppe der Bürgergeldempfänger, die mehr als vier Jahre auf die Leistungen der Jobcenter angewiesen sind. Knapp 3000 beziehen weniger als drei Monate Bürgergeld, 3900 bis zu einem Jahr, 7700 bis zu zwei Jahren.

"Es ist ein Langstreckenlauf"

"Es ist ein Langstreckenlauf", sagt Sabine B., die ihr Büro zwei Türen weiter hat. Vor allem sprachliche Hemmnisse erschwerten die Vermittlung. Wie ihre Kollegen betreut auch Sabine B. mehr als 300 Kunden und führt 20 bis 30 Gespräche in der Woche. Wenn die Kunden denn kommen – an diesem Tag bleibt der Stuhl vor ihrem Schreibtisch gleich am Morgen leer. Auf die Frage, was denn nun passiere, sagt sie: "Ich lade sie noch einmal ein."

Erst bei weiteren Absagen könne sie eine Kürzung des Bürgergelds androhen und später aussprechen – um zehn Prozent des Regelbedarfs, was 56 Euro entspricht. In der Zeit von Juni 2023 bis Mai 2024 wurden solche Sanktionen in Frankfurt in 2668 Fällen verhängt.

Bei der zweiten Kundin, die sie an diesem Tag sitzen lässt – und das schon zum vierten Mal –, schreckt die Beraterin davor aber zurück. "Das ist eine Familie, bei der ohnehin regelmäßig der Strom abgestellt wird." Da wolle sie nicht für noch mehr Elend sorgen. Auch wenn sie es bedaure, dass sie zu der Kundin keinen Kontakt herstellen könne.

Auch wenn sie der Familie gerne helfen würde, indem sie Mutter oder Vater auf dem Weg in einen Job unterstützt, kümmert sich Sabine B. lieber um diejenigen, die zu ihr kommen. So wie Mohammed A., ein 36 Jahre alter Syrer. Der hat gerade versucht, das B2-Zertifikat zu erreichen. "Ich habe so viel geübt und war im Kurs immer bei den Besten", berichtet der Mann, doch bei der Prüfung habe es im schriftlichen Teil knapp nicht gereicht.

Bessere Chancen durch Sprach- und Bewerbungstrainings

Und auch bei der speziellen Sprachprüfung für den Sicherheitsdienst hat der Vater von demnächst drei Kindern ein paar Punkte zu wenig gehabt. Nun soll er noch einmal auf die Prüfung vorbereitet werden. Denn im Sicherheitsgewerbe sieht die Beraterin für den Mann, der berichtet, dass er in Syrien für die Drogenpolizei gearbeitet habe, gute Chancen. "Wir probieren es noch einmal", ermuntert sie ihn zu einem weiteren Kursus.

Auch für die junge Frau aus der Ukraine, die an diesem Morgen in ihr Büro kommt, sieht sie gute Chancen im Empfangsdienst eines Sicherheitsunternehmens. Olena D. war wegen eines Tattoos mit einer Bewerbung bei der Fluggesellschaft Emirates gescheitert und berichtet, dass sie trotz vieler Bewerbungen bei Hotels keine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten habe.

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"Vielleicht denken viele, Deutschland ist überfüllt mit Ukrainern", sagt die Einunddreißigjährige, die bis 2022 als Übersetzerin für Englisch gearbeitet hat. Doch die Beraterin spricht ihr Mut zu: "Warten Sie nicht auf Antworten, rufen Sie bei den Unternehmen an und erkundigen Sie sich." Ein spezielles Coaching soll ihr zusätzlich helfen, sich mit mehr Erfolg zu bewerben. Mit 700 bis 800 Euro monatlich wird das vom Jobcenter finanziert. Eine Hilfe, die die junge Frau gerne annimmt.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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