Frankfurter U-Bahn-Bau: In der Frankfurter Paulskirche erhält Martin Herrenknecht den Persönlichkeitspreis der Mobilitätswirtschaft. Ohne seine Maschinen gäbe es keine Pläne für einen U-Bahn-Tunnel unter dem Grüneburgpark.

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Im Februar 2001 ist mit der U 4 zwischen Hauptbahnhof und Bockenheimer Warte die bisher letzte unterirdische U-Bahn-Strecke in Frankfurt eröffnet worden. Diejenigen, die den Bau der U-Bahnen bis dahin verfolgt haben, wissen: Häufig hatten die Arbeiten erhebliche Folgen für die Umgebung. Beim Bau dieser zuletzt eröffneten 1,7 Kilometer langen Strecke neigte sich der Messeturm leicht, wenn auch nur um zwei Zentimeter. In den Sechzigerjahren registrierten dagegen die Eigentümer entlang der Eschersheimer Landstraße noch große Setzungsschäden an ihren Häusern. Es wurde eigens ein Büro zur Schadensregulierung eingerichtet.

Grund für diese Schäden war, dass in diesen Jahrzehnten zum Bau der Tunnelröhren das Grundwasser von der Baustelle ferngehalten werden musste. Bei der ersten Strecke in Frankfurt entlang der Eschersheimer Landstraße wurde in offener Bauweise gearbeitet, die gesamte Straße aufgerissen. Spundwände, die bis heute noch vorhanden sind, stützten das Erdreich ab, um die Baustelle auch von Grundwasser frei zu halten. Später entstanden die Röhren der Frankfurter U-Bahn in bergmännischer Bauweise, also komplett unterirdisch. Dafür wurde das Grundwasser um 15 bis 20 Meter abgesenkt. Diesem aus heutiger Sicht robusten Umgang mit dem Grundwasser hat die Europäische Union Mitte der Neunzigerjahre mit einer Vorgabe ein Ende bereitet. Das Absenken des Grundwassers ist seitdem verboten.

Ohne Martin Herrenknechts innovative Technik, dem Zusammenspiel aus Tunnelbohrmaschine und dem Einsatz von Beton, kontrolliert und überwacht von Hunderten Sensoren, könnten heute keine U- und S-Bahn, auch kein Fernbahntunnel mehr in Frankfurt gebaut werden, sagt Professor Rolf Katzenbach, Bauingenieur und Experte für unterirdisches Bauen, der in der Paulskirche die Laudatio auf Herrenknecht hält.

Herrenknecht wird dort am Dienstag für seine Leistungen für die Mobilitätswirtschaft von der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft mit dem Persönlichkeitspreis ausgezeichnet. Herrenknecht mit seinen 5000 Mitarbeitern im süddeutschen Schwanau ist inzwischen Weltmarktführer.

Doch wie funktioniert dieser wegweisende Tunnelbau, den Katzenbach als "die mit Abstand sicherste Baumethode" bezeichnet, insbesondere auch mit Blick auf die Sicherheit der Umgebung?

Ein Schneiderad, das den Boden "schonend wegschält"

Die bis zu 150 Meter lange Maschine hat an der Spitze ein Schneidrad, das den Boden vorne, wo die Tunnelröhre entstehen soll, "schonend wegschält", erläutert Katzenbach. Dem folgt ein Schildmantel in der Form der Tunnelröhre, in dessen Innerem rund 1,50 bis 1,80 Meter lange Betonelemente im Kreis angeordnet werden. Während sich das Schneidrad dreht, Erde und Gestein abgesaugt und ans Ende der Maschine durchgepumpt werden, ordnet die Maschine die Betonelemente als Tunnelwand in der Röhre an. Es sind fünf unterschiedliche Segmente, genannt Tübbinge. Allerdings belässt die Maschine einen circa 15 Zentimeter breiten sogenannten Ringraum zwischen der Tunnelwand aus Betonelementen und der Erde. Dieser Raum wird, während die Betonelemente maschinell gesetzt werden, im gleichen Arbeitsschritt über Sprühdüsen mit Zement verfüllt. "Das ist fast das Genialste an dieser Maschine", sagt Katzenbach.

Herrenknechts Tunnelbohrmaschinen, die für jedes Bauvorhaben und entsprechend dem Untergrund eigens neu konstruiert werden, mit jeweils unterschiedlichem Durchmesser und Zusammensetzung des Schneidrads, können täglich 10 bis 20 Meter Tunnelröhre praktisch selbständig bauen – trotz Grundwassers und des damit verbundenen Drucks. Derzeit fräst sich eine 100 Meter lange und fast 2000 Tonnen schwere Maschine durch den Untergrund von Paris, um ein neues U-Bahn-Netz mit vier Linien, den "Grand Paris Express", zu bauen.

"Im Park wird man nicht einmal merken, dass darunter ein Tunnel entsteht"

In Frankfurt hat sich Herrenknechts "S1127" von August 2019 bis Sommer 2021 in rund 20 Meter Tiefe und auf einer Länge von 850 Metern in zwei parallelen Röhren von der Europa-Allee unter Güterplatz und früherem Polizeipräsidium hindurch bis zum Platz der Republik durch den Frankfurter Ton gearbeitet. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Das Grundwasser mithilfe von Sensoren immer fest im Blick. Die Maschine hat damit den Grundstein für den Bau eines der nach Angaben der Stadt größten Infrastrukturprojekte Frankfurts gelegt.

Nicht alles hat reibungslos funktioniert, an der 80 Meter langen "S1127" lag es jedoch nicht. Sie ist inzwischen abgebaut. Derzeit entsteht die einzige unterirdische Station an der U-Bahn ins Europaviertel: die Station Güterplatz. Die weiteren, oberirdischen Arbeiten an der insgesamt 3,5 Kilometer langen U-Bahn-Strecke folgen. Unterdessen sind die Überlegungen in Frankfurt weit gediehen, für die Verlängerung der U 4 von der Bockenheimer Warte bis nach Ginnheim wieder eine von Herrenknechts Bohrmaschinen einzusetzen, um den 2,2 Kilometer langen Tunnel unter dem Grüneburgpark hindurch zu bauen.

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Auf diese Weise könnte die U 4 den Campus Westend mit rund 30.000 Studenten und Mitarbeitern der Goethe-Universität anbinden. "Im Park wird man nicht einmal merken, dass darunter ein Tunnel entsteht", sagt Katzenbach. Die Wurzeln der Bäume würden nicht tangiert, es werde keine Setzungen geben. "Hätte ich es nicht selbst bei anderen Bauvorhaben mit Herrenknechts Tunnelbohrmaschinen erlebt, ich würde selbst nicht glauben, dass es möglich ist – aber das wird erfolgreich klappen."  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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