Dippemess in Frankfurt: Ein Volksfest wie die Herbst-Dippemess in Frankfurt wirkt immer ein wenig chaotisch, aber die Veranstalter investieren viel Mühe in den richtigen Mix. Deshalb wäre ein Umzug auf einen neuen Platz viel mehr als ein Standortwechsel.

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Ein Festplatz ist kein fester Platz. Die deutsche Sprache führt da schnell in die Irre. Ein Festplatz wie jener am Ratsweg, auf dem bis zum 22. September die Herbst-Dippemess zu wagemutigen Flugeinlagen oder auch nur Ebbelwei, Bratwurst und gebrannten Mandeln einlädt, ist eher das Gegenteil von unbeweglich. "Ein Volksfest ist eine sehr dynamische Angelegenheit", sagt Christian Müller, als Veranstaltungsleiter der Tourismus und Congress Frankfurt (TCF) für die Planung verantwortlich. Müller ist schon lange in die Organisation der Dippemess eingebunden, kennt die Sorgen und Nöte der Schausteller ebenso wie die Wünsche der Besucher. "Aber wir lernen mit jedem Volksfest dazu", sagt er.

So steht nun eines der spektakulärsten Fahrgeschäfte der Herbstauflage des Volksfests auf einem Platz an einer Ecke, obgleich es dafür gar nicht konstruiert ist. Der Gladiator, der seine Insassen in 62 Meter hinaufbewegt und dort um mehrere Achsen schleudert, soll Blickfang sein für die Besucher, die aus der U-Bahn-Station auf das Festgelände zuströmen. "Dieser erste Blick weckt einfach Lust", sagt Müller.

Er ist seit vielen Jahren mit der Dippemess und anderen Veranstaltungen beschäftigt und besitzt mittlerweile einen riesigen Erfahrungsschatz. "Den benötigt man aber auch, damit auch die Schausteller uns Vertrauen entgegenbringen, weil unsere Planung für ihren Umsatz existenziell wichtig ist."

Impulse durch Corona

Bis vor einigen Jahren sei beispielsweise die Mittelgasse des Fests bei den Schaustellern höchst unbeliebt als Standplatz gewesen. "Mittlerweile haben wir sie etabliert, und viele wollen dorthin. Das funktioniert nur, wenn man den richtigen Mix findet", sagt Thomas Roie, der nicht nur als Sprecher des Schaustellerverbands Frankfurt/Rhein-Main den Überblick besitzt. Vom Kassenhäuschen seines Kettenkarussells aus hat er das Treiben an den benachbarten Ständen und den Besucherstrom im Blick. "Es funktioniert gut, weil die Mischung aus attraktiver Gastronomie, aus Ständen mit gebrannten Mandeln und Fahrgeschäften passt", sagt er.

Die Schausteller wie die TCF führen auch auf die Akribie bei der Planung zurück, dass die Dippemess eine Renaissance erfahren hat. Hinzu kommt ein existenzgefährdender Einschnitt, der erstaunlich positive Impulse zur Folge hatte: Nachdem die Pandemie zunächst als möglicher Todesstoß für das Gewerbe befürchtet wurde, haben sich doch deutlich mehr Betriebe über die Zeit ohne Verdienstmöglichkeit gerettet. Die Schaustellerbranche nutzte Corona, um manche Gewohnheit zu überdenken. "Wir haben da eine Benchmark gesetzt mit dem Hygienekonzept des Dippemess-Parks", sagt Müller.

Im Herbst 2021 wurde die seit 1240 in Frankfurt urkundlich belegte Messe, die einst dem Verkauf von Töpfen (hessisch: Dippe) gewidmet war und sich über die Jahrhunderte zu einem mittlerweile topf- und deckellosen Volksfest wandelte, mit Einlasskontrollen und Laserzählung sowie breiteren Wegen coronakonform als eines der ersten Volksfeste wieder veranstaltet.

"Corona hat uns zu manchen Änderungen gezwungen, die wir sonst nie getätigt hätten. Nun sind wir an manchen Stellen etwas großzügiger geblieben in der Raumplanung, weil wir gemerkt haben, dass es den Besuchern gefällt", sagt Müller. Er hebt hervor, dass die TCF die Mühe in die Planung stecke, weil sie ihre Volksfeste liebe. "Wir sind nicht so größenwahnsinnig zu glauben, dass wir die Volksfesttradition retten können, aber wir wollen nicht für den Untergang verantwortlich sein", sagt er.

Eine solche Gefahr beschwören die Schausteller durch ihre Petition "Dippemess muss bleiben". Derzeit ist ungewisser denn je, wie die Zukunft aussieht. Der Festplatz ist der favorisierte Standort für den Neubau der Europäischen Schule. Der im vergangenen Jahr als neuer Ort auserwählte Kaiserlei gilt indes hinter vorgehaltener Hand bereits wieder als ausgeschlossen.

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Die Stadt hält sich mit Wasserstandsmeldungen auf Nachfrage derzeit zurück: "Es gibt keine Zwischenstände, die kommuniziert werden können". Die Furcht der Schausteller: Neue Festplätze bräuchten viele Jahre, bis sie von den Besuchern wieder angenommen würden. TCF-Veranstaltungsleiter Müller müsste dann ebenfalls seinen Erfahrungsschatz nahezu neu aufbauen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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