Musical "Elisabeth": Mama, wo bist Du? Im Musical "Elisabeth" sind es die Darsteller des Kronprinzen Rudolf, die das Herz rühren dürfen. Zu sehen ist die Aufführung in der Alten Oper Frankfurt.
Der kleine Prinz ist verwirrt. Mitten in seinem jungen Leben ist er schon vom Tod umfangen. Und dieser Tod gibt sich auch noch als Freund und Begleiter aus. Von diesem Drama weiß die Kinderschar, die an einem Nachmittag im späten Oktober durch einen Saal der Alten Oper Frankfurt wuselt, noch nichts. Und doch werden sie gleich an das Schicksal des kleinen Prinzen denken, denn einige von der fünfzehnköpfigen Schar – sieben Mädchen und acht Jungen – sollen schon bald in die Rolle des Prinzen schlüpfen. Die Kinder sind zu einem Casting erschienen, bei dem mehrere Darsteller für die Rolle des Kronprinzen Rudolf im Musical "
Seit Michael Kunze und Sylvester Levay ihr heute weltberühmtes Stück in Wien 1991 erstmals auf die Bühne gebracht haben, gilt der Blick natürlich vor allem der Protagonistin, der Kaiserin Elisabeth, die unter dem Kosenamen "Sissi" (eigentlich ja "Sisi") ein Fixstern der Popkultur geworden ist. Vom Kitsch gerade der immens beliebten Romy-Schneider-Filme hat Kunze seine Hauptfigur allerdings befreit, wenn er Elisabeth vor allem als selbstbewusste, mit den Konventionen und Regularien am kaiserlichen Hof hadernde Frau mit all ihren Stärken und Schwächen zeichnet. Ihre in Gedichten geäußerte Todessehnsucht hat er in ein Liebesspiel mit dem personifizierten Tod umgedeutet, das zudem als Parabel auf den Untergang des Habsburgerreiches gelesen werden kann.
Zwiegespräch von Kind und Tod
Doch ohne Sentiment und ganz ohne Kitsch sollte es auch bei dieser Deutung des Lebens und gewaltsamen Sterbens der österreichischen Kaiserin nicht zugehen. Dieser Part fällt dem Kronprinzen Rudolf zu, den Kunzes Buch als einziges von Elisabeths Kindern nicht nur beiläufig erwähnt, sondern mehrfach auf der Bühne agieren lässt. Und dies eben nicht nur als verzweifelten jungen Mann, der sich schließlich das Leben nimmt, sondern auch als kleines Kind, das sich mit seiner Klage "Mama, wo bist du?" nach der Mutter sehnt und Gehör doch nur beim Tod findet.
Dieses Zwiegespräch von Kind und Tod ist als Duett angelegt und deshalb gerade für die Tourneeproduktion von "Elisabeth" vor jedem Gastspiel eine besondere Herausforderung. Die Kinderdarsteller gehen nicht mit auf Tournee, sondern werden für jeden Auftrittsort in einem eigenen Casting ausgewählt. Und weil nicht ein Kind allein wochenlang in der Rolle des Rudolf auftreten kann und auch gar nicht dürfte, braucht es für jede Stadt stets mehrere kleine Rudolfs. Und weil diese nicht nur einfach in einer schmucken Uniform über die Bühne spazieren sollen, sondern eben auch singen und sich zudem in eine Choreographie einfügen müssen, ist wie für erwachsene Schauspieler ein Vorsprechen angesagt.
Für den Termin in Frankfurt hatten sich rund 80 Mädchen und Jungen aus dem Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus beworben, von denen nach einer Vorauswahl 15 in die Alte Oper kommen durften, um ihr Talent unter Beweis zu stellen.
Vor der vierköpfigen Jury geht es dabei eher spielerisch als gestreng zu. Christoph Sommersguter, Assistent von Regisseur Gil Mehmet und Abendspielleiter der Produktion, ist eigens aus Wien angereist, um den acht Mädchen und sieben Jungen mit kleinen Auflockerungs- und Stimmübungen die erste Scheu zu nehmen. Ganz nebenbei erzählt er der Gruppe auch noch von der Kindheit Rudolfs, der sich schon früh mit Drill und rüden Erziehungsmethoden konfrontiert sah. Aufmerksam lauschen ihm die Kinder, sind dabei aber "erfreulich unängstlich", wie Sommersguter erleichtert feststellt.
"Die Kinder müssen sich trauen"
Um auf der Bühne authentisch zu wirken, sollen die zwischen sechs und zwölf Jahre alten Bewerber Freude am Spiel haben. "Kinder verstellen sich nicht. Denen merkt man an, ob sie toll drauf sind oder müde", sagt Carsten Paap, musikalischer Leiter der Produktion, dem die Kinder an diesem Nachmittag vorsingen. Die Melodie konnten sie schon zu Hause üben, hier geht es um Intonation, um ein Gespür für Dynamik. "Die Kinder müssen sich trauen. Und sie müssen den hohen Ton treffen", sagt Paap, dem nach ersten Hörproben nicht bange ist: "Kinder lernen irrsinnig schnell und können oft schon nach kurzer Zeit das ganze Musical mitsingen, nicht nur ihre eigene Rolle", weiß er aus Erfahrung.
Die Wahl ist denn jedes Mal auch nicht einfach und bedarf vieler Abstimmungen, nicht nur seitens der Vereinigten Bühnen Wien als Produzentin des Musicals. Doch auch für Frankfurt ist irgendwann eine Entscheidung getroffen. Der acht Jahre alte Valentin Leiner aus Klein-Winternheim, der neun Jahre alte Elliot Vincent Lützkendorf aus Rödermark, die zehn Jahre alte Liv Robyn Lenneper aus Reinheim, die sechs Jahre alte Lea Marie Zylow aus Offenbach, die jeweils neun Jahre alten Sam Emilian und Elias Finn Schweizer aus Erligheim sowie der elf Jahre alte Philipp von Hardenberg aus Frankfurt dürfen in der Alten Oper die Herzen rühren.
"Elisabeth – Das Musical" ist vom 18. Dezember bis 5. Januar in der Alten Oper Frankfurt zu sehen. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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