Ein gemeinsamer Treffpunkt: Wochenmärkte sind inzwischen weitaus mehr als bloß Orte, an denen man frisches Obst und Gemüse aus regionalem Anbau bekommt.
Sie sind zum Treffpunkt der Menschen geworden. Unsere Korrespondenten stellen die schönsten Märkte vor.
Seligenstadt: Wein und viele Sorten Fruchtaufstrich
Mit 16 Beschickern hat der Seligenstädter Wochenmarkt eine überschaubare Größe. Vor dem Rathaus und inmitten der prächtigen Fachwerkhäuser am Marktplatz haben sich die Verkaufsstände gruppiert. Besucher aus Seligenstadt, aber auch aus der Umgebung wissen das Ambiente zu schätzen. Viele nutzen den Rundgang über den Markt, um gleich auch noch in den anderen Geschäften der Altstadt einzukaufen. Für Ausflügler lohnt sich ein Abstecher in die ehemalige Benediktinerabtei mit ihrem Klostergarten und zur Einhardbasilika, die um 830 entstanden sind. Beide verdankt die Stadt Einhard, dem Berater und Biographen Karls des Großen.
Der Samstagsmarkt erfüllt unterschiedlichste kulinarische Wünsche. Hausgemachte mediterrane Spezialitäten werden beim "Feinkost-Paradies" über den Tresen gereicht, darunter Schafskäse- und Ziegenkäsecreme, frische Salate, vegane Creme und Oliven in allerlei Variationen. Nur wenige Schritte weiter stehen die Verkaufswagen einer Landmetzgerei und einer "Käseria". Hessische Spezialitäten wie Hessenburger und Handkäsbratwurst, Backwaren, Kaffeespezialitäten, Blumen, Gemüse sorgen für Abwechslung.
Seit 40 Jahren gibt es den Samstagsmarkt; jeweils von 8 bis 13 Uhr ist er geöffnet. Viele Besucher legen gerne eine Pause ein, plaudern mit Freunden und Bekannten und lassen sich dabei ein Gläschen Wein oder Sekt schmecken. Seit knapp 29 Jahren kommt Winzer Jörg Kalbfuß aus Undenheim in Rheinhessen samstags nach Seligenstadt. Das Fachwerkhausambiente "hat schon etwas", sagt er. Und: "Die Stammkundschaft ist da." Kalbfuß offeriert eine "rheinhessische Vielfalt" an Weinen.
Fruchtig geht es bei "Mrs. Marmelade" aus Dolgesheim in Rheinhessen zu. Die Genussmanufaktur habe rund 40 Sorten Fruchtaufstriche aus eigener Herstellung im Angebot, sagt Geschäftsleiter Matthias Kreck. Man verwende nur Früchte und Gewürze und keine Geschmacks- oder Ersatzstoffe. Chutneys, Sirup, Liköre, naturtrübe Streuobstsäfte, Honig und Propolis hat Kreck ebenfalls mitgebracht. Die Anreise sei zwar weit, aber "die Menschen hier sind sehr offen für Neues".
Silke Bauerochse und Robert Binder aus Rodenbach bei Hanau fahren regelmäßig samstags mit dem E-Bike nach Seligenstadt, "weil wir den Wochenmarkt lieben". Heute genieße man Wein und hessische Spezialitäten: "Alles perfekt."
Eberhard Schwarz
Offenbach: Fast so bunt wie am Flughafen
Wer mit der S-Bahn zum Offenbacher Wochenmarkt fährt, steigt am Marktplatz aus. Am oberen Ende der Rolltreppe angekommen, fällt der Blick auf Bürogebäude neben Baustellen und wenig einladenden Geschäften – die Stadt präsentiert sich hier nicht gerade von ihrer besten Seite. Was für ein Pech, dass die Rolltreppe nicht hundert Meter weiter auf dem Wilhelmsplatz den Untergrund verlässt, wo Dienstag, Freitag und Samstag vormittags der Markt stattfindet.
Der erste Eindruck der Stadt wäre ein ganz anderer: Das Marktwärterhaus ist umrankt von Wildem Wein, zu beiden Längsseiten reihen sich die Kastanienbäume, dahinter Gründerzeit-Fassaden. Autos sind hier mitten in der Stadt keine zu hören, stattdessen Geplauder von den Ständen und Geschirrgeklapper von den umliegenden Gaststätten. "Der schönste Ort Offenbachs", wie eine regelmäßige Besucherin versichert.
Im Sommer sei es wie im Urlaub, sagt die Verkäuferin am Bäckerstand aus dem benachbarten Mühlheim. Besonders samstags wird der Wilhelmsplatz mit mehr als 60 Ständen richtig voll, da viele nicht nur den Einkauf erledigen, sondern auch auf dem Markt oder in den Restaurants daneben noch etwas essen. Wer es mit den Klischees über Offenbach hält, kann sich hier wahrlich eines Besseren belehren lassen.
Auf dem Markt stehen längst nicht nur Erzeuger, viele der Stände kaufen ihre Ware selbst ein. Aber das hat seine Vorteile: Federica Tupputi lässt zweimal in der Woche eine gekühlte Lieferung aus der Nähe von Turin kommen. Als sie vor neun Jahren auf den Markt kam, habe sie sich auch hier am Ort umgeschaut. "Aber das schmeckt nicht so wie in Italien."
Also gibt es jetzt in Offenbach frische Pasta, direkt aus Norditalien. Im Spätsommer werden Ravioli sardi angeboten, mit Ricotta und Zitrone, im Herbst dann Kastanienravioli, bei denen Maronen in den Teig und in die Füllung kommen. Auch frisches grünes Pesto von jenseits der Alpen gibt es regelmäßig. Dass es nur vier oder fünf Tage haltbar sei, sei für sie kein Problem, sagt Tupputi: "Das ist immer am schnellsten weg."
Eine Kundin aus Rumpenheim stammt aus Südtirol. Hier, auf dem Markt, bekomme sie, was sie aus Italien brauche – und noch mehr: Nach dem Pasta-Laden schlendert sie weiter zum Vietnamesen, Frühlingsrollen kaufen, zum Abschluss gibt es einen Cappuccino. Sie habe Jahrzehnte am Flughafen gearbeitet – und auf dem Offenbacher Markt "geht es fast so bunt zu wie dort".
Jakob Krembzow
Giessen: Sauerteigbrötchen mit Nüssen und Zwiebeln am Neuen Schloss
Mitten in der hessischen Stadt mit der jüngsten Bevölkerung zieht ein mobiles Großod zweimal in der Woche jeweils viele Hundert Menschen an. Der Gießener Wochenmarkt unweit von Gebäuden der Universität gehört für sie zum Leben dazu. Dort finden sich Produkte, für die sie sonst ins Auto steigen und teils eine halbe Stunde lang fahren müssten. Dort treffen sie regelmäßig Bekannte und Freunde auf einen Schwatz.
Dort verweilen sie und genießen, und sei es nur einen Kaffee oder einen Prosecco. Jeweils mittwochs und samstags zieht es Menschen schon in aller Frühe zu den rund 55 Ständen und Marktlauben. Kehraus ist gegen 14 Uhr. Samstags bieten mehr Händler ihre Waren an als mittwochs, denn wochenends stellen sich mehr Kunden ein. Zudem bleibt dann mehr Zeit, gleich nebenan noch ins Museum oder in den Botanischen Garten zu gehen.
Wer den Wochenmarkt besuchen möchte und nicht ortskundig ist, könnte beim Blick auf den Stadtplan aber rasch in eine Falle tappen. Es gibt in Gießen zwar einen Marktplatz. An dessen Rändern finden sich auch Händler – jedoch keine Marktstände. Denn der Marktplatz ist der zentrale Busbahnhof. Der Wochenmarkt beginnt aber nur den sprichwörtlichen Katzensprung entfernt östlich davon vor dem Kirchenplatz. Er zieht sich über den angrenzenden Lindenplatz an den Marktlauben vorbei zum Brandplatz zwischen dem Alten und dem Neuen Schloss. Auf dem Weg zum Neuen Schloss finden Besucher einige Spezialitäten, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind.
So bietet eine Metzgerei aus dem Umland auch und gerade Wild an. Der Metzger schießt in einem Gebiet nördlich von Marburg selbst, was er hinterher verarbeitet und anbietet. Darunter sind etwa Medaillons und Schinken vom Wildschwein, Würstchen vom Hirsch und Bierknacker vom Reh. Schräg gegenüber verkauft in den Marktlauben ein Familienbetrieb Handkäse aus Hüttenberg. "Na und?", mag sich der eine oder andere nun fragen. Schließlich ist Hüttenberg die deutsche Handkäs’-Hochburg. Das von der Familie angebotene Produkt stammt jedoch aus einem Kleinbetrieb am Ort, der die Käse noch im handwerklichen Format herstellt.
Dieser Käse passt hervorragend zu Brötchen aus Natursauerteig, die es neben Holzofenbrot in einem Wagen auf dem Brandplatz gibt. Wählen kann die Kundschaft dort zwischen reinen Sauerteigbrötchen und solchen mit Zwiebeln oder Walnüssen sowie Kartoffeln. Auch jene mit Cranberrys und Ananas gibt es im Sinne der oberhessischen Vielfalt. In jüngerer Zeit waren die Brötchen öfter weit vor Marktschluss ausverkauft, obwohl die Frau hinter der Theke eine Extraration bestellt hatte.
Bei Ostwind dringt vor dem Bäckerwagen der Duft aus Öfen einige Meter weiter in die Nase. Die meist lange Schlange davor spricht für sich. Kunden singen wahre Lobeshymnen auf die Leckereien aus Butzbach: "Die Ciabatta mit Schafskäse und Bärlauch ist zum Niederknien", lautet eine der vielen Meinungen, während eine andere Besucherin lieber die Gebäckstücke genießt. Und in der unmittelbaren Nachbarschaft bieten Gärtner selbst gezogenes Gemüse der Saison an. Das gibt es so ebenfalls nicht im Supermarkt.
Thorsten Winter
Mainz: Ausschank rund um den Dom
Wie schnell das Jahr vergeht, lässt sich beim Bummel über den Mainzer Wochenmarkt vortrefflich beobachten. Gerade sind Kürbisse, kernlose Trauben und Pfifferlinge die Verkaufsschlager an den gut 100 Ständen, die sich dreimal die Woche – nämlich dienstags, freitags und samstags jeweils von 7 bis 14 Uhr – rund um den Dom gruppieren.
Und selbstverständlich gehört zu Spätsommer und Herbst dann auch prickelnder Federweißer, der am Höfchen, dem Eingangsportal zum Marktgeschehen, meist zusammen mit Zwiebelkuchen über die Theke geht. Ein bisschen wehmütig mag da mancher an die Bärlauchzeit im April oder an die äußerst genussreiche Spargel- und Erdbeersaison zurückdenken. Aktuell werden die ersten Trockengestecke und bald wohl auch Adventskränze den Kunden angeboten, wenn sie auf einem der zweifellos schönsten Wochenmärkte in der Rhein-Main-Region unterwegs sind.
Wer es nicht ganz so voll mag, sollte besser Dienstag oder Freitag wählen, um sich bei vielen Händlern, aber leider immer weniger Direktvermarktern mit Gemüse, Obst, Käse, Brot, Honig, Fisch sowie Wurst und Fleisch zu versorgen. Denn an den Samstagen müssen sich die Marktbesucher das Feld mit jenen überwiegend jüngeren Gästen teilen, die vor allem den Marktfrühstück genannten Weinausschank auf dem Liebfrauenplatz im Auge haben. Das von April an und an diesem Wochenende zum vorerst letzten Mal zu erlebende Spektakel, dass sich Hunderte, wenn nicht gar Tausende Anhänger der Mainzer Lebensart schon um die Mittagszeit versammeln, um Bekannte zu treffen und dabei in angenehmer Atmosphäre die eine oder andere Weinschorle zu verkosten, genießt inzwischen Kultstatus.
Das "kollektive Schoppen-Petzen" wird allerdings von einigen Marktbeschickern und Einzelhändlern durchaus kritisch gesehen. Weil es deren Geschäfte nicht wirklich belebt, am Ende des Tages häufig viel Müll zurückbleibt und immer öfter auch sparsame Selbstversorger nicht einmal den ausschenkenden Winzern die erhofften Einnahmen bescheren. Im nächsten Jahr wird aber eh alles anders sein: Wegen Bauarbeiten am Gutenberg-Museum muss das Marktfrühstück nämlich verlagert werden. Wohin genau, ist noch offen.
Markus Schug
Hanau: Brot aus dem Ofen und Honig aus der Region
Wer Auswahl haben will, der macht sich auf den Weg nach Hanau: Der Wochenmarkt rund um das Nationaldenkmal der Brüder Grimm gilt als einer der größten und schönsten Märkte in ganz Hessen. Um die 100 Stände werden mittwochs und samstags aufgebaut. Gerade an den Samstagen wird der Hanauer Markt zudem zum beliebtesten Treffpunkt der Stadt, auf dem nicht nur Einkäufe erledigt werden, sondern man trifft sich auch zu einem Wein auf dem Markt oder einem Kaffee in einem der Lokale rund um den Platz.
Es ist ein Markt mit Beschickern aus der Region und einem vielfältigen Angebot. Wenn man vom ehemaligen Kaufhof aus auf den Marktplatz geht, dann steht man zuerst vor dem Wagen des ausgezeichneten Bäckers Fink aus Steinau, zum Stand gehört auch ein Ofen für wirklich frisches Brot. Daneben hat die Imkerei Ullmann aus Erlensee einen Stand, vis-à-vis steht der Wagen einer Fischzucht. Läuft man weiter entlang des Rathauses, folgen die Stände mit frischen Blumen.
Aber den größten Teil des Platzes bespielen Stände mit Früchten und Gemüse. Es gibt – je nach Jahreszeit – Kartoffeln aus Roßdorf, Spargel aus Rodenbach und dem hessischen Ried, Äpfel aus dem Umland und Obst aus dem Frischezentrum Frankfurt, so ehrlich muss man sein. Und neben Metzgern, weiteren Bäckern und Fischhändlern steht dort der wunderbare Käsestand der Familie Keim, an dem es auch Brot und beste Hausmacher Wurst zu kaufen gibt. Der schon fertig eingelegte Handkäs’ mit Musik gehört zum Besten, was man in Hessen bekommen kann, örtliche Mundart inklusive.
Für Jüngere in der Stadt haben noch die beiden Imbissstände Keebe und Beyer besondere Bedeutung, beide wirklich gute Vertreter ihrer Sparte. In der Nacht zum Samstag bauen sie ihre Stände so zeitig auf, dass sie zum Treffpunkt hungriger Nachtschwärmer werden, die mit einer Bratwurst oder einem Nierenspieß Kraft tanken wollen. Eine kleine Tradition, so wie der ganze Markt: Seit 1604 gibt es ihn, als die Hanauer Neustadt das Marktrecht erhielt. Nur für vier Wochen im Jahr müssen die Händler ihr Revier räumen, wenn dort im Advent der Weihnachtsmarkt ausgerichtet wird.
Hanns Mattes © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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