Gegen Innenstadtsterben: Es fehlt in Wiesbaden nicht an Analysen und Strategien, wie die Transformation der City in die Zukunft gelingen kann. Um sie umzusetzen, fehlt das Geld, Handlungsspielraum hätte die Stadt trotzdem.
Sternschnuppenmarkt und Eisbahn, Kindervergnügen und Winterstubb mit beheiztem Riesenrad: Wiesbaden präsentiert sich seinen Besuchern in der Adventszeit als Weihnachtsstadt mit einem vielfältigen Angebot, und das kommt bei den Besuchern augenscheinlich gut an. Dass die Zukunft der Innenstädte nicht länger vorrangig im Einkaufserlebnis liegt, sondern darin, dem Wunsch nach hoher Aufenthaltsqualität und nach einem urbanen Ort der Begegnung zu entsprechen, hat Wiesbaden schon während der Pandemie verinnerlicht. Das Bestreben, aus einer Einkaufsmeile einen vielfältigen Erlebnisraum zu schaffen, ist erkennbar und im Masterplan zur Revitalisierung der Innenstadt verankert.
Es fehlt in Wiesbaden nicht an Analysen und Strategien, wie die Transformation der City in die Zukunft gelingen kann. In jedem Fall ist Wiesbaden besser als sein Ruf in den sozialen Netzwerken, in denen die notorischen Nörgler, unverbesserlichen Skeptiker und neunmalklugen Besserwisser den Ton angeben. Wäre deren Einschätzung richtig, wäre die Landeshauptstadt längst ein Ort der Ödnis, während der Löwenanteil der Einkäufe im Internet oder im Main-Taunus-Zentrum mit seinen unentgeltlichen Parkplätzen getätigt wird.
Das allerdings ist nicht die Realität. Die Frequenzmessungen im historischen Fünfeck sind der Beleg einer nach wie vor attraktiven Innenstadt, auch wenn die Umfragen unter den Geschäftsleuten nahelegen, dass ihr Angebotsmix nicht mehr in jedem Fall der Nachfrage entspricht.
Womöglich wandelt sich das Konsumverhalten schneller, als manche Geschäftsleute reagieren können und wollen. Zudem sind die Möglichkeiten der Stadt eng limitiert, um auf Leerstände bedeutsamer Immobilien wie beispielsweise im Fall Kaufhof reagieren zu können. Es kann ohnehin nicht die Lösung sein, die schwierigen Immobilien mit Steuermitteln aufzukaufen, um dort urbane Marktplätze, Orte der Begegnung und Bühnen für Kreative und Kulturschaffende zu etablieren.
Ohne beachtliche Zuschüsse wäre die Landeshauptstadt schon damit überfordert, das ehemalige Walhalla-Theater aus seinen Ruinen neu entstehen zu lassen. Das wird ein finanzieller Kraftakt, der im Hinblick auf die Belebung der Innenstadt und die Verpflichtung gegenüber dem kulturellen Erbe allerdings geboten scheint. Das größte Hindernis bei der Revitalisierung und Transformation der Innenstädte liegt nicht in mangelnden Steuerungsmöglichkeiten, sondern im finanziellen Ausbluten der kommunalen Haushalte. Die prekäre Finanzlage entlässt Wiesbaden aber nicht aus der Verantwortung, sich für Sauberkeit, Sicherheit und ein attraktives Stadtbild zu engagieren. Da geht noch mehr. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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