Mögliche Verfassungsklage: Die Opposition im hessischen Landtag will die Neufassung des hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung verfassungsrechtlich überprüfen lassen – notfalls mit einer Klage. Die neue Regelung zur Videoüberwachung geht FDP und Grünen zu weit.

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Videoüberwachung per Künstlicher Intelligenz und mithilfe automatischer Gesichtserkennung: Das will die hessische Landesregierung künftig ihren Sicherheitsbehörden ermöglichen. Vergangene Woche hatten CDU und SPD dazu einen Änderungsantrag eingebracht, der mit der Neufassung des hessischen Polizeigesetzes beschlossen wurde. Nun wollen FDP und Grüne im hessischen Landtag das Gesetz verfassungsrechtlich überprüfen lassen – notfalls mit einer Klage vor dem Staatsgerichtshof.

"Auf unsere verfassungsrechtlichen Bedenken aufgrund der Ausweitung der Videoüberwachung haben wir schon seit der ersten Lesung des neuen Gesetzes hingewiesen", sagte der sicherheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Moritz Promny, der F.A.Z. Allein die Ausweitung der Videoüberwachung in sogenannten Angsträumen greife "tief in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein". Vor allem aber störe sich die FDP daran, dass die Landesregierung relativ kurzfristig noch die KI-basierte Videoüberwachung in das Gesetz einbezogen habe. Promny spricht von einem "Hauruckverfahren", das nun nicht nur eine Videoüberwachung mit Künstlicher Intelligenz ermögliche, sondern auch einen biometrischen Abgleich von Verdächtigen.

Kritische Stimmen von Grünen und FDP

"Der Einsatz Künstlicher Intelligenz bietet grundsätzliche große Chancen, auch für die Sicherheit", so Promny weiter. "Doch die Chancen der KI müssen genutzt werden, ohne Bürgerrechte einzuschränken oder Überwachungsmaßnahmen auszuweiten. Dass Schwarz-Rot diese Änderung ohne Expertenanhörung eingeführt hat, ist schlechter parlamentarischer Stil." Das Polizeirecht habe "erhebliche Defizite" und sei "eine schlechte Rechtsgrundlage für das Handeln der Polizeibehörden".

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Vanessa Gronemann, spricht von einem "Änderungsantrag quasi durch die Hintertür". Indem CDU und SPD das Gesetz ohne weitere Anhörung verabschiedet hätten, habe sich die Landesregierung "einem angemessenen Gesetzgebungsverfahren und damit auch gleichzeitig dem öffentlichen Diskurs über komplexe und tiefe Grundrechtseingriffe" entzogen. Die Neuregelung der Videoüberwachung hätte mit Fachleuten beraten werden müssen, bevor das Gesetz verabschiedet worden sei.

Am Montag verschärfte Gronemann ihre Kritik und warf der Landesregierung "Intransparenz" vor. So hätten die Grünen auf eine Anfrage zum polizeilichen Gewahrsam, der im Polizeigesetz ebenfalls neu geregelt ist, aus dem Innenministerium eine "Nichtantwort" erhalten, indem auf "unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand" verwiesen worden sei. Das hinterlasse "vor dem Hintergrund, dass wir die Verdoppelung der Höchstdauer des Gewahrsams wegen einer fachlichen Begründung kritisiert haben, ein Geschmäckle", so Gronemann.

Innenminister Poseck: "Im Einklang mit dem Verfassungsrecht und der KI-Verordnung"

Innenminister Roman Poseck (CDU) sagte am Montag, er sei "zuversichtlich, dass Verfassungsgerichte den KI-Einsatz im vorgesehenen Rahmen zulassen werden". Man bewege sich "im Einklang mit dem Verfassungsrecht und der KI-Verordnung der Europäischen Union". Außerdem habe das Ministerium "intensive Gespräche mit dem Datenschutzbeauftragten geführt und Anregungen aufgegriffen". Das Instrument solle nicht nur bei Fahndungen nach Tatverdächtigen, sondern auch bei der Suche nach vermisst gemeldeten und entführten Personen eingesetzt werden. Die automatisierte Gesichtserkennung sei nur nach einer richterlichen Anordnung oder bei Gefahr im Verzug durch richterliche Bestätigung innerhalb von 24 Stunden erlaubt.

Poseck verteidigte, dass das Gesetz so schnell verabschiedet worden sei. Er sagte, er halte es für "falsch, zunächst auf Urteile der Verfassungsgerichte zu diesem neuen Themenfeld zu warten. Denn das würde bedeuten, über einen langen Zeitraum nur tatenlos zuzusehen." Der Staat müsse "jetzt handlungsfähig sein und auf die angespannte Sicherheitslage reagieren". Weiterhin sagte der Innenminister, es sei nicht vorgesehen, die Videokameras "flächendeckend auf den KI-Einsatz umzustellen". Man werde die Möglichkeiten zunächst an einzelnen Standorten erproben und die Ergebnisse auswerten.

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Wie aus der Fraktion der Grünen zu hören ist, suche man nun das Gespräch mit der FDP und wolle gemeinsam beraten, wie konkret eine verfassungsrechtliche Überprüfung des neuen Polizeigesetzes aussehen könne.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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