Goslar - Abzocke bei Vorbereitungskursen für Fahreignungstests oder Geld für Hinterbliebene von Verkehrsunfällen - über diese und andere Themen wird in den kommenden Tagen beim Verkehrsgerichtstag in Goslar debattiert.
Zahlreiche Experten fordern etwa, klare Regeln für Vorbereitungskurse zur medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU). Es gebe ein "breites Feld an unseriösen und inkompetenten Vorbereitern mit 100-Prozent-Garantien und zweifelhaften Methoden", kritisiert etwa der Auto Club Europa (ACE).
Der Verein fordert etwa eine Zertifizierung der Kurs-Anbieter. Der Automobilclub von Deutschland (AvD) will zudem eine Beratungspflicht. Verpflichtend sind die Kurse selbst aber nicht. "Es muss möglich sein, die MPU auch ohne Kurs zu schaffen", betont deshalb der Leiter der Unfallprävention bei der Björn Steiger Stiftung, Siegfried Brockmann.
Verkehrspsychologin: Kurse nicht immer sinnvoll
Generell seien Vorbereitungskurse zu einer MPU eine gute Sache - sowohl für die Betroffenen als auch die Verkehrssicherheit, betont etwa Yvonne Muffert von der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie. Denn: "Für viele Menschen ist es schwer, sich alleine mit eigenen Fehlern zu beschäftigen."
Es gebe aber auch Menschen, die es schaffen, sich alleine oder mit Freunden und Familie auf eine MPU vorzubereiten, sagt Verkehrspsychologin Muffert. Bei Menschen mit einer Abhängigkeit oder einem Missbrauchsproblem wiederum brauche es meist eine richtige Therapie. Seriöse Anbieter von Vorbereitungskursen würden für gewöhnlich erst ein Kennenlerngespräch führen, um das herauszufinden.
Wann man zur MPU muss
Zur Erinnerung: Zu einer MPU müssen Autofahrer und Autofahrerinnen, wenn ihnen die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Dazu komme es etwa, wenn sie acht Strafpunkte in Flensburg gesammelt oder Drogen konsumiert haben, erklärt ADAC-Chefjurist Markus Schäpe. Laut ADAC gibt es jedes Jahr im Schnitt bis zu 100.000 medizinische-psychologischen Untersuchungen.
Nur wer die MPU erfolgreich besteht, bekommt seinen Führerschein zurück. Die Untersuchung sei dabei kein Test, erklärt Verkehrspsychologin Muffert. Fachleute überprüfen dort demnach, ob es bei den Betroffenen eine nachhaltige Verhaltensänderung gibt.
Über die Anordnung einer MPU und über Vorbereitungsmöglichkeiten zu bezahlbaren Preisen müssten Betroffene frühzeitig informiert werden, fordert ADAC-Chefjurist Schäpe. Dazu sei eine Onlineplattform denkbar, schlägt der ACE vor. Auch Christian Funk vom Deutschen Anwaltverein stimmt zu: Der Markt sei so groß, dass Betroffene ihn nicht überblicken können.
Wichtig sei, dass die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis nicht zu kompliziert ist, warnt Unfallforscherin Kirstin Zeidler vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Sonst drohe, dass Betroffene sich einfach ohne Führerschein wieder hinter das Steuer setzen.
Verkehrsgerichtstag gibt Empfehlungen ab
Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar sprechen Experten von heute an auch über mehr Sicherheit für Fußgänger sowie die Cannabis-Regelungen im Verkehr. Der dreitägige Kongress zählt jedes Jahr zu den wichtigsten Treffen von Verkehrssicherheits- und Verkehrsrechtsexperten in Deutschland und endet mit Empfehlungen an den Gesetzgeber.
Neben der Qualität von MPU-Kursen debattieren die Fachleute etwa über Standards für Kfz-Gutachter. Jeder, der das möchte, könne sich derzeit "Kfz-Sachverständiger" nennen, sagt Bernd Grüninger aus der Dekra-Geschäftsleitung. Das müsse sich ändern. Auch wegen immer komplexer und digitaler werdenden Autos brauche es ein einheitliches Berufsbild, ergänzt der Tüv Nord. Noch gebe es in dem Bereich aber kein Problem, da es ausreichend Fachkräfte gebe, heißt es vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Am Samstag trat dazu auch eine neue Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure in Kraft, die bundesweit einheitliche Standards für Kfz-Sachverständige sowie deren Gutachten vorsieht. Laut GDV wurden 2023 rund 9 Millionen Schäden für 30 Milliarden Euro reguliert.
ADAC fordert geringere Hürden für Hinterbliebenengeld
Debattiert wird zudem über das 2017 eingeführte Hinterbliebenengeld, das laut Experten meist bei um die 10.000 Euro liegt. Das erhalten Ehepartner, Eltern und Kinder eines Menschen, der bei einem Autounfall gestorben ist. Vor Einführung des Hinterbliebenengeldes erhielten laut GDV Angehörige nur bei psychischen Schäden Geld.
Auch andere Angehörige können Geld bekommen, müssen aber umständlich nachweisen, dass sie dem Verstorbenen nahe standen, wie der ADAC kritisiert. Diese Überprüfung sei unangemessen und müsse weniger detailliert ausfallen, fordert der ADAC. Auch eine höhere Summe bringt der Automobilclub ins Spiel. Mit 10.000 Euro bewege sich Deutschland im europäischen Vergleich eher am unteren Rand, sagt ADAC-Chefjurist Markus Schäpe. Der Deutsche Anwaltverein ist sich bereits sicher: Der Betrag ist zu niedrig. Der Automobilclub von Deutschland hält ihn hingegen für angemessen. © Deutsche Presse-Agentur
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