Essen - Verschwörungsglauben, Esoterik-Versprechungen und Misstrauen gegen den Staat - auch im zweiten Jahr nach dem Ende der Corona-Einschränkungen haben Sekten- und Psychogruppen in Nordrhein-Westfalen erheblichen Zulauf.
Auf die landesweite Beratungsstelle Sekten-Info NRW in Essen habe es 2024 weiterhin starken Andrang gegeben, sagte ihr Geschäftsführer Christoph Grotepass. "Krieg, Umwelt, Inflation - die Ängste nehmen zu - und damit auch die Anziehungskraft scheinbar einfacher Lösungen."
In der Beratung zu Esoterikgruppen und religiösen Fundamentalisten seien Verbindungen zu rechtem Ideengut spürbar, sagte Grotepass. Klienten berichteten aus den Gruppen oder von eigenen Familienangehörigen über Rassismus und Warnungen vor angeblich drohender Islamisierung. Zum Teil mischten dabei auch antisemitische Töne mit. Fachleute sprechen von "brauner Esoterik".
Genaue Beratungszahlen für 2024 liegen der Einrichtung bisher nicht vor. 2023 hatte die vom Land NRW geförderte Einrichtung 1.016 Anfragen und Beratungsfälle registriert, was im langjährigen Schnitt liegt. Während der Corona-Pandemie waren die Fallzahlen sogar noch weiter hochgeschnellt.
Anstieg bei Älteren
Seit der Pandemie gebe es einen "erheblichen Anstieg" bei betroffenen älteren Menschen ab 50 und weit hinauf bis 70 Jahre oder älter, berichtete Grotepass - auch, weil manche von ihnen weniger mediengewandt seien und leichter auf "Fake News" und Verschwörungstheorien im Netz hereinfielen.
"Früher riefen Eltern an, die sich um ihre jugendlichen oder erwachsenen Kinder Sorgen machten, heute sind es Erwachsene, die ihre Eltern oft im Rentenalter abdriften sehen", sagte Grotepass.
Viel Arbeit mit "Life-Coaches"
Stark zugenommen hätten in den vergangenen Jahren auch Fälle mit unseriösen sogenannten Life-Coaches, die mit teuren Lebenshilfe-, Partnerschafts- oder Karrierekursen Ängste und Unsicherheit von Menschen aufgriffen, dabei aber keine wirkliche Hilfe leisteten - schon, weil ihnen vielfach eine entsprechende Ausbildung fehle.
Ratsuchende gerieten vielfach in psychische Abhängigkeit und hätten teils fünfstellige Summen für Kurse und Coachings gezahlt, bevor sie oder ihre Familien Hilfe suchten, warnte die Sekten-Info. Teils zerbrächen Familien.
Ein Alarmsignal sei, wenn Coaches Lösungen für ganz verschiedene Probleme auf einmal anböten. Teilnehmer sollten auch misstrauisch werden, wenn bei Präsenzveranstaltungen Geheimhaltungsklauseln vorgeschrieben, Türen abgeschlossen oder Handys eingesammelt würden.
"Unseriöse Angebote über Social Media"
Vermehrt würden auch Jugendliche beworben. Dabei spielten Video-Apps in den sozialen Medien eine "unrühmliche Rolle", sagte Grotepass. Die Apps würden vielfach für unseriöse Angebote als Plattform genutzt. © Deutsche Presse-Agentur
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