Auf der Internetseite der Kölner Philharmonie heißt es: "Aufführungen in der Kölner Philharmonie sind vielfältig, berührend, bildend, progressiv und qualitativ hochwertig in einem bis heute herausragenden akustischem Saal für bis zu 2000 Zuhörer."

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Doch wie die Philharmonie-Geschäftsleitung mit Beschwerden ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgeht, zeigen zwei Vorfälle auf einer Betriebsfeier vom 4. Oktober 2022, zu denen der "Kölner Stadt-Anzeiger" über Monate recherchiert hat.

Dass der Kultureinrichtung zu diesem Zeitpunkt eine "hinreichend funktionierende Beschwerdestelle" nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fehlte, stellte die Aufsichtsratsvorsitzende der Köln-Musik GmbH, Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), in einer schriftlichen Ermahnung einer hochrangigen Führungskraft der Philharmonie fest. Die Ermahnung vom 27. September 2023 liegt dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vor, der Name der hochrangigen Führungskraft ist der Redaktion bekannt.

Eine AGG-Beschwerdestelle ist gesetzlich vorgeschrieben. Im AGG steht: "Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen." Laut Paragraf 13 AGG ist die Beschwerde zu prüfen und das Ergebnis den Beschäftigten mitzuteilen, die sich beschwert hatten.

Ermahnung des Aufsichtsrates

Die Ermahnung ist im Namen des Aufsichtsrates verfasst, dort heißt es: "Durch die Beschwerden der oben genannten betroffenen Mitarbeiter wurde sichtbar, dass es bei der Köln-Musik keine hinreichend funktionierende Beschwerdestelle nach dem AGG, jedenfalls aber kein hinreichend funktionierendes Beschwerdeverfahren gibt." Die Köln-Musik GmbH betreibt die Philharmonie, sie gehört zu 89,93 Prozent der Stadt und zu 10,07 Prozent dem Westdeutschen Rundfunk (WDR).

Hintergrund der Ermahnung sind zwei Vorfälle auf der Betriebsfeier am 4. Oktober 2022. Die zwei Mitarbeiter, von denen mittlerweile nur noch einer bei der Philharmonie arbeitet, hatten sich danach beim Betriebsrat und der Geschäftsleitung über das Verhalten der hochrangigen Führungskraft ihnen gegenüber beschwert. Das geht aus einem Bericht der bundesweit agierenden Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt namens Themis hervor. Er liegt dieser Zeitung vor.

Vertrauensstelle Themis angerufen

Demnach fand nach den Vorfällen am 18. November 2022 ein Gespräch mit der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat statt. Mit dem folgenden Tempo und der Art der Aufklärung waren die zwei Betroffenen laut des Themis-Berichts aber nicht einverstanden. Sie wendeten sich deshalb am 17. April 2023 an Themis.

Erst durch Themis und nicht etwa die Geschäftsleitung der Philharmonie selbst erfuhr die Aufsichtsratsvorsitzende Reker am 26. Mai von den Vorgängen – also knapp acht Monate nach der Betriebsfeier. Das bestätigt die Köln-Musik GmbH auf Anfrage dieser Zeitung, Reker selbst wollte sich trotz mehrfacher Anfrage nicht mit einem eigenen Statement äußern.

Beschwerde erhoben

Themis stellte dann eine Beschwerde nach dem AGG wegen sexueller Belästigung. Und bemängelte in einem weiteren Schreiben vom 13. Juli, wie lange sich die Aufklärung der Vorfälle zu diesem Zeitpunkt zog.

Die Beschwerdeführer haben demnach "auf eine zeitnahe gerichtliche Geltendmachung im Vertrauen darauf verzichtet, dass die im Oktober 2022 erhobene Beschwerde von Seiten der Geschäftsführung ernst genommen und adäquat behandelt werden würde. Stattdessen wurde die Angelegenheit jedoch unverhältnismäßig herausgezögert und ist bis heute und damit mehr als neun Monate (!) nach dem Geschehen nicht als abgeschlossen zu betrachten."

Köln-Musik verteidigt sich

Die Köln-Musik GmbH verweist auf "unmittelbare Aufklärungsgespräche" nach den Vorfällen und Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter, etwa ein Coaching der hochrangigen Führungskraft.

Doch Themis kritisiert wie Reker in ihrer Ermahnung die Verantwortlichen der Köln-Musik GmbH. Die Beratungsstelle schreibt: "Aus juristischer Perspektive müssen wir leider gravierende, strukturelle Mängel in der Durchführung des Beschwerdeverfahrens auf Grundlage des AGG feststellen." Insgesamt entstehe der Eindruck, "dass im Betrieb der Köln-Musik GmbH keinerlei Wissen besteht, wie ein solches Verfahren durchzuführen ist". Auf Nachfrage erklärt Themis, sich zu konkreten Fällen nicht zu äußern.

Hatte die Köln-Musik also über Jahre keine hinreichend funktionierende Beschwerdestelle für Beschwerden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? In einem Statement heißt es: "Bei der Köln-Musik, als eigenständige juristische Person, war bereits seit 2007 eine Beschwerdestelle nach dem AGG mit entsprechender Information an alle Beschäftigten eingerichtet und mittels Aushanges des AGG zugänglich gemacht worden, die aber nie vor 2022 angerufen wurde."

Experte für Arbeitsrecht äußert sich

Keine eigene Beschwerdestelle einzurichten, sondern Betriebsrat oder Geschäftsleitung zur Anlaufstelle zu bestimmen, ist laut Rechtsanwalt Jürgen Markowski aus Offenburg zulässig. Markowski ist Mitglied des Ausschusses Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins.

Was auf den ersten Blick wirkt, als widerspreche es der Aussage in Rekers Ermahnung für die hochrangige Führungskraft, ist aber tatsächlich ein Unterschied: Dass eine Beschwerdestelle existiert, sagt nichts über deren Qualität und Funktionalität aus – und eben diese kritisierte die OB in ihrer Ermahnung.

Reker setzt externe Beschwerdestelle ein

Rekers fehlendes Vertrauen in diese internen Stellen wurde im vergangenen Jahr offenkundig. Denn laut des Statements der Köln-Musik habe erst auf Rekers Initiative hin die Köln-Musik ab dem 17. August eine externe AGG-Beschwerdestelle eingesetzt, "die Beschwerden in diesem Bereich bearbeitet und sicherstellt, dass im Raum stehende Vorwürfe umfassend und zeitnah aufgeklärt werden, um gegebenenfalls Maßnahmen treffen zu können". Im Umkehrschluss heißt das, auch auf Basis des Inhalts der Ermahnung: Reker traute der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat die Aufklärung nicht zu.

Zwischen dem 18. August 2023 und dem 16. Januar 2024 war laut Köln-Musik die Kölner Anwaltskanzlei Seitz als AGG-Beratungsstelle tätig, sie übernahm auch die arbeitsrechtliche Prüfung und kam "zu keinem eindeutigen rechtlichen Ergebnis", sie sprach von "eher niedriger Intensität".

Aufsichtsrat rügt "unangemessenes" Verhalten

Auch der Aufsichtsrat kritisierte die hochrangige Führungskraft: "Aus Sicht des Aufsichtsrates stellt sich Ihr Verhalten in beiden Situationen – ungeachtet der rechtlichen Einordnung dieser Vorgänge nach dem AGG – (…) als unangemessen und grenzüberschreitend dar." Seit 17. Januar hat die Kanzlei Küttner laut Aussage der Köln-Musik die Arbeit der externen AGG-Beratungsstelle übernommen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden demnach darüber informiert.

Gerade in der Diskussion um das Verhalten von Spitzenkräften im Kulturbetrieb spielt es eine Rolle, wie die einzelnen Häuser mit Vorwürfen umgehen. Zuletzt hatte sich etwa der Kölner Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth mit der Stadt Köln auf eine vorzeitige Vertragsauflösung geeinigt.

Stadt Köln äußert sich

Zuvor hatten mehrere Orchestermitglieder aus seiner Zeit in Frankreich Vorwürfe der sexuellen Belästigung erhoben, auch in Köln gab es eine Untersuchung. Die Stadtverwaltung teilt mit: "Dass die Stadt Köln Vorwürfe der sexuellen Belästigungen sehr ernst nimmt, ist selbstverständlich."

Obwohl die Köln-Musik zu fast 90 Prozent der Stadt Köln gehört, war die Geschäftsleitung nach der formalen Beschwerde der beiden Mitarbeiter nicht verpflichtet, die städtische Disziplinarstelle oder das Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern einzuschalten. Das liegt daran, dass die Köln-Musik eine GmbH ist und kein sogenannter Eigenbetrieb. Städte wie Köln können ihre Aufgaben in Eigenbetrieben oder eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen organisieren.

Und für diese Eigenbetriebe gilt eine städtische Dienstanweisung, in der zum Zeitpunkt der Vorfälle gültigen Fassung heißt es: "Liegt eine mündliche oder schriftliche Beschwerde vor, muss der/die Vorgesetzte unverzüglich die Disziplinarstelle und das Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern einschalten."

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Doch weil die Köln-Musik eben kein Eigenbetrieb ist, musste die Geschäftsleitung die Beschwerde nicht an die städtischen Anlaufstellen melden. Auf diesen rechtlichen Status des Betriebs weist Köln-Musik hin. Demnach sind der AGG-Beschwerdestelle oder anderen Stellen der Köln-Musik vor den Vorfällen auf der Betriebsfeier und danach keine weiteren Vorfälle bekannt geworden.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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