Die Karnevalssitzungen sind auch in Oberberg voll im Gang. Tanzgruppen, Bands, Tollitäten und nicht zuletzt die Büttenredner haben jetzt Hochsaison.
Und die Jecken im Zelt wollen vor allem eines: ausgelassen feiern. Da kann es auch schon mal sein, dass die Party vor der Bühne einen Hauch von Ballermann-Stimmung bekommt.
Das kennt auch der bekannte Büttenredner Jörg Runge aus Engelskirchen-Loope. In Köln gehört der "Dä Tuppes vum Land" inzwischen zu den Top-Kräften in der Bütt. Aber auch in seiner Heimat ist er regelmäßig zu sehen. Als Büttenredner ist Runge ein Mann der leiseren Töne. Wer seinen Auftritt genießen will, muss zuhören. Da wundert es nicht, dass er die Kampagne "Ruhe im Saal – mehr Respekt für Redner" begrüßt. Im Gespräch sagt Runge, dass das, was sich in den Zelten und Sälen abspiele, ein Spiegelbild der Gesellschaft sei. Es fehle an Kultur, es fehle an Respekt.
Ein Grundrauschen ist in jedem Saal
Der "Tuppes" betont dabei, dass es ihm nicht nur um die Büttenredner gehe. "Man sollte sich nicht zu wichtig nehmen." Vielmehr seit der fehlende Respekt ein Problem, das sich durch das ganze Festzelt ziehe. "Mehr Respekt für Redner ist ja lieb gemeint. Das Problem ist aber ein ganz anderes und fällt nur bei den Rednern besonders auf", sagt Runge. Ein gewisses Grundrauschen werde man nie aus den Sälen bekommen. "Das hatten wir schon in den 1970er Jahren beim Colonia-Duett." Entscheidend sei aber, dass Jecken, die seine Rede nicht hören wollten, zumindest dem Nachbartisch die Chance geben sollten, ihn zu verstehen.
Ein probates Mittel, die Leute im Saal abzuholen, sei "eine coole Rede" zu haben, wie der Tuppes erklärt. "Ich war viel in den Zelten von Morsbach, Engelskirchen oder Denklingen und weiß, dass es funktioniert. " Seine Formel lautet dann auch: "Keep it short and simple" – also: "halte es kurz und einfach". Und er verrät noch weitere Mittel, wie er das Publikum für sich gewinnt und Aufmerksamkeit bekommt: "Ich habe drei Reden parat, kaum, dass ich auf der Bühne stehe, weiß ich, welche ich präsentiere", sagt der Büttenredner. Im Festzelt sei es eine andere als in der Kölner Flora bei der Flüstersitzung. "Im Zelt interagiere ich mit dem Publikum so, dass es mitsprechen kann, da ist die Taktung eine ganz andere, viel schneller. Die würde sogar beim Open-Air in Wacken funktionieren", erklärt der Künstler.
Von einem Potpourri der Emotionen berauschen lassen
Und es gibt noch einen Faktor, der für das Gelingen eines Auftritts wichtig ist, wie Runge sagt: Und das ist der Sitzungspräsident. Er sei derjenige, der das Publikum auf den Redner einstimmen könne. In Engelskirchen bei der KG Närrische Oberberger ist das in der zweiten Session Daniel Technow. Den Karneval hat er im Blut, denn als Kommandant in der Tanzgarde sammelte er zehn Jahre lang Erfahrung und exponierte sich so auch als Sitzungspräsident. Das Thema "Ballermann-Stimmung im Karneval" beschäftigt Technow schon seit Jahren, wie er versichert. Und das auch aus Sicht der Tanzgruppen. Herz und Seele des Karnevals blieben manchmal auf der Strecke. Eine Sitzung sei eben nicht "Hoch die Tassen", sondern das Zusammenkommen mit Freunden, um gemeinsam ein Potpourri der Emotionen zu erleben. "Bei einer Sitzung kann man sich von dem berauschen lassen von dem, was auf der Bühne passiert." Und dazu gehöre auch, dem Büttenredner die Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdiene.
Vor Technows erster Session war es übrigens Jörg Runge, der dem Novizen ein Training verpasste. "Es ging nicht darum, dass ich auf der Bühne besser reden kann, das hatte ich ja schon zehn Jahre gemacht", sagt Technow. Aber den ein oder anderen Trick, wie man sich auf eine Sitzung vorbereiten sollte, hab der Tuppes ihm schon gegeben. So auch, was man machen kann, wenn ein Künstler ausfällt und eine Lücke im Programm entsteht.
Technows Pendant bei der KG Rot Weiß Denklingen ist Dennis Spexard, einer von drei Moderatoren, die durch die Sitzungen führen. Er sagt, dass man das Publikum einfangen und abholen müsse. Das hänge immer davon ab, wer auf die Bühne komme. Wenn Büttenredner wie Jörg Runge auftreten, müsse man die Jecken ein Stück weit runterholen. "Und wenn Brings kommt, dann wollen alle nur Party." Als Moderator könne man durch Stimme und Tonalität klare Punkt setzen. Und wenn ein Tisch mal zu laut sei und etwas aus dem Ruder laufe, müsse man dem charmant und mit Witz begegnen. "So hält man den Leuten einen Spiegel vor. Denn am Ende wollen wir alle gemeinsam feiern." © Kölner Stadt-Anzeiger
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