Die jüngsten Ankündigungen, dass die Deutz AG als traditionsreicher Kölner Motorenhersteller ins Rüstungsgeschäft einsteigen möchte, hat für viel öffentliches Interesse und einen Höhenflug der Aktien gesorgt. Gibt es schon konkrete Pläne?
Sebastian Schulte: Wir wollen Deutz als Unternehmen breiter aufstellen. Das machen wir bereits im Bereich der dezentralen Energieversorgung und das können wir uns auch im Bereich Rüstung vorstellen. Zuletzt haben wir einen langjährigen Vertriebs- und Servicepartner in Polen übernommen, mit dem wir jetzt erste Militärfahrzeuge mit Deutz-Motoren beliefern. Darüber hinaus schauen wir uns weitere interessante Optionen an. Oncilla heißt das Produkt, ein Fahrzeug, das Mannschaften aber auch Waffen transportieren kann.
Es heißt, Sie haben ein Angebot für den Kauf der Werften von Thyssenkrupp abgegeben. Hier soll Deutz mit Rheinmetall und dem Staat im Wettbewerb stehen. Stimmt das?
An Spekulationen beteiligen wir uns grundsätzlich nicht. Wir sollten uns immer als Unternehmen vor allem auf das konzentrieren, was wir selbst in der Hand haben. Und da kommen wir gut voran.
Rüstung ist ein besonderes Geschäftsfeld etwa mit Blick auf gesetzliche Vorgaben. Warum macht es aus Ihrer Sicht dennoch für Deutz Sinn, und wo käme Ihre Technologie genau zum Einsatz?
Zeitenwende heißt auch, dass es die notwendige Ausrüstung braucht. Hier können wir mit unserem Motorensortiment einen Beitrag leisten. Etwa für radgetriebene Panzerfahrzeuge. Denkbar ist aber auch die Lieferung von Stromgeneratoren für die stationäre Versorgung von Lazaretten. Was wir genau machen, schauen wir uns mit einem eigens dafür eingesetzten Team systematisch an.
Wer werden denn Ihre Kunden sein?
Es gibt einen großen Bedarf in den Nato-Ländern. Viele osteuropäische Bündnispartner verfügen noch über Fahrzeuge aus sowjetischer Produktion, für die es keine Ersatzteile mehr gibt oder wenn, dann nur in Russland und damit nicht mehr verfügbar. In Polen etwa gibt es Tausende solcher Fahrzeuge, die perspektivisch neue und moderne Motoren benötigen. Das bietet großes Potenzial.
Das vergangene Jahr war nicht nur gesamtwirtschaftlich anspruchsvoll, sondern für Deutz auch ziemlich turbulent: Verkäufe, Zukäufe, Firmen-Jubiläum, im Herbst dann noch eine Gewinnwarnung. Wo steht Deutz Anfang 2025?
Wir sind deutlich robuster und besser aufgestellt als in den Jahren zuvor. Und das, obwohl wir in unserem Classic-Geschäft gut 40.000 Motoren weniger verkauft haben. Unsere größten Kunden, die Hersteller von Bau- und Landmaschinen, durchleben wirtschaftlich schwierige Zeiten. Das bekommen dann auch wir deutlich zu spüren.
Kann Deutz in diesem Umfeld profitabel bleiben?
Ja, wir sind profitabel. Das ist nicht selbstverständlich und darauf können wir stolz sein. Bis 2023 waren wir sehr viel stärker abhängig vom Verkauf der Verbrennermotoren. Ging die Nachfrage in diesem Bereich konjunkturbedingt zurück, waren wir sehr schnell in den roten Zahlen. Wir stellen uns seit zwei Jahren breiter auf, um Schwankungen besser ausgleichen zu können. Sehr stabil läuft mittlerweile das Geschäft mit Service, Ersatzteilen und Wartung. Weltweit sind rund zwei Millionen Deutz-Motoren im Markt, viele davon schon seit Jahrzehnten. Und eben auch noch mit langer Zukunft im Feld, wie wir sagen. Damit lässt sich Geld verdienen. Und in schwierigen Zeiten wird zudem weniger neu gekauft und mehr repariert. Mittlerweile bringt der Servicebereich mehr als 500 Millionen Euro Umsatz im Jahr.
Mussten Sie auch die Preise erhöhen?
Ja, auch wir haben die Preise erhöht. Wir werden als Premiumhersteller ohnehin nie den Preiswettbewerb gegen Anbieter aus Fernost gewinnen, dafür aber den Langlebigkeits- und Zuverlässigkeitswettbewerb. Unsere Kunden wissen die Qualität und den Service zu schätzen, weshalb sie bereit sind, auch mehr Geld zu bezahlen. Das zeigt, wie belastbar unsere guten und langjährigen Kundenbeziehungen sind.
Deutz hat ein Sparprogramm aufgelegt. Bis Ende 2026 sollen Sach- und Personalkosten um 50 Millionen sinken. Reicht das angesichts der weiterhin schwierigen Wirtschaftslage und was bedeutet das für den Standort Köln?
Nach der Gewinnwarnung im Herbst war klar, dass wir nochmal an die Kosten gehen müssen. Und das, obwohl wir bereits frühzeitig unsere Kapazitäten angepasst und auf die veränderte Lage reagiert haben. Wir haben deshalb nicht nur mit Kurzarbeit auf die wirtschaftliche Lage reagiert, sondern damit begonnen, unsere Kosten nachhaltig zu senken. Dazu gehört unter anderem auch, unsere Fertigung von Kurbelgehäusen in Köln-Kalk bis Ende 2026 einzustellen. Die rund 100 Beschäftigten dort werden aber an anderen Kölner Standorten eingesetzt.
Sie streichen auch in Forschung und Entwicklung, warum?
Auch hier müssen wir sparen. Insgesamt 30 Millionen Euro, aber natürlich, ohne unsere Innovationskraft einzuschränken, auch wenn wir planen uns von bis zu 200 Personen zu trennen. Aktuell sind wir in konstruktiven Verhandlungen mit der Mitbestimmung zur konkreten Ausgestaltung.
Wir müssen da ehrlich zu uns selbst sein. Vor allem, wenn es um den Verbrenner geht. Da stehen aktuell keine weiteren Entwicklungsaufgaben an. Daher werden wir uns in dem Bereich von Mitarbeitern trennen müssen.
Deutz war früher auf deutlich mehr Geschäftsfeldern unterwegs: Traktoren, Feuerwehrautos, Reisebusse. Bereuen Sie es eigentlich, dass Deutz heute mit seinen Motoren nur noch ein Zulieferer ist?
Ja, sicher. Allerdings muss man sagen, dass meine Vorgänger angesichts der damaligen wirtschaftlichen Lage auch keine andere Wahl hatten, als sich von Firmenteilen zu trennen. Deutz stand kurz vor dem Ruin und in Folge musste das Tafelsilber verkauft werden. Was ich aber wirklich bedauere, ist, dass Deutz in den vergangenen 15 Jahren doch ein wenig mutlos geworden ist. Wir haben uns mit der Verzwergung zufriedengegeben. Das Potenzial dieser stolzen Firma wurde lange nicht genutzt. Das wollen wir ändern, damit wir das große Potenzial dieser starken Firma wieder richtig zu nutzen.
Wie genau?
Durch Zukäufe und Kooperationen, so wie beispielsweise die mit Daimler Truck. Dort arbeiten wir bei der Entwicklung von mittelschweren und schweren Motoren heute schon zusammen und vertreiben seit letztem Sommer mittelschwere und schwere Daimler Truck-Motoren exklusiv für Nutzfahrzeuge abseits der Straße. Die Vertriebs- und Service-Aktivitäten haben wir von Rolls-Royce Power Systems übernommen. Damit erschließen wir uns neue Kundengruppen und sparen Entwicklungskosten. Ab 2029 planen wir, die Endmontage des mittelschweren Motors bei uns hier in Köln. Eine gute Perspektive für die Auslastung unseres Werkes hier in Porz.
Wie lange wird der klassischen Verbrenner für Schwerlastverkehr politisch noch erlaubt sein?
Bis zu einem völligen Verbot des Verbrenners wird es wohl noch eine Weile dauern, denn Maschinen dieser Größenordnung können nach dem aktuellen Stand der Technik nicht mit einem batterieelektrischen Antrieb betrieben werden. Aber Rahmenbedingen ändern sich mitunter schnell. Die Hersteller von Pferdekutschen haben damals auch gedacht, dass sie trotz der Erfindung des Automobils noch viele Jahre eine ganz wichtige Rolle spielen. Deshalb stellen wir uns flexibel auf und orientieren uns deutlich stärker an dem, was tatsächlich nachgefragt wird.
Also gar keine Eile, neue umweltfreundlichere Antriebe zu entwickeln?
Wir arbeiten stetig daran, die Motoren emmissionsärmer und leiser zu machen. Verbrennermotoren werden jenseits der Straße noch lange gebaut. Gleichzeitig treiben die Transformationen zum Antrieb mit Wasserstoff voran. Zudem wird es künftig kommunale Vorgaben geben, nach denen etwa in den Innenstädten von London oder Amsterdam nur noch batterieelektrischen Motoren in kleinen Baggern auf Baustellen zum Einsatz kommen dürfen. Wir haben die Voraussetzungen geschaffen, dass wir das mit unseren E-Motoren leisten können.
Deutz hat vergangenes Jahr in den USA mit Blue Star Power Systems einen Anbieter von Stromgeneratoren übernommen. Auf den ersten Blick ein ganz anderes Feld. Warum macht das Sinn?
Das Unternehmen gehört mit einem Umsatz von rund 140 Millionen Dollar zu den führenden Herstellern im US-Markt. Vor allem in den USA ist das Stromnetz in einem sehr schlechten Zustand; Ausfälle passieren häufig. Um kritische Infrastruktur aufrechtzuerhalten, braucht es Notstromaggregate, die mit Dieselmotoren betrieben werden. Kunden sind unter anderem Krankenhäuser, Wasserwerke oder Supermärkte, in denen die Kühlkette nur 45 Minuten unterbrochen werden darf. Auch in Deutschland wächst durch die Energiewende der Bedarf – Stichwort Dunkelflaute oder den Bau immer größerer Rechenzentren. Wir werden das Geschäft daher ausbauen und Märkte in Europa und Nordafrika erschließen.
Sie haben eine Verdopplung des Umsatzes auf etwa vier Milliarden bis zum Jahr 2030 in Aussicht gestellt. Wie kann das im derzeitigen Umfeld gelingen?
Uns ist bewusst, dass die Verdopplung ein sportliches Ziel ist. Aber ich bin optimistisch, dass wir das hinbekommen. Ich sage Ihnen, warum: Weil wir im klassischen Verbrennergeschäft – mittlerweile auch mit den großen Daimler-Motoren – von einer stabilen Entwicklung abseits der Straße ausgehen; weil wir im Bereich Wasserstoffantrieb und bei den batterieelektrischen Antrieben gut aufgestellt sind; und weil wir Deutz Schritt für Schritt breiter aufstellen und neue, attraktive Märkte erschließen. Die letzten 160 Jahre haben gezeigt, dass wir das können.
Zur Person
Sebastian Schulte wurde 1978 in Wiesbaden geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften in Bochum und promovierte in Cambridge. Seine Karriere begann Schulte bei ThyssenKrupp, ehe er Anfang 2021 als Finanzvorstand zur Deutz Ag wechselte. Nach einer Auseinandersetzung zwischen Vorstands- und Aufsichtsratschef, wurde er 2022 neuer Vorstandsvorsitzender des traditionsreichen Motorenbauers. Schulte ist verheiratet und hat zwei Kinder. (cos) © Kölner Stadt-Anzeiger
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