Wer ist an allem schuld? Na klar. Der "Nubbel". Wie immer in Köln. Besonders an Fastelovend. Auch wenn in der Originalfassung von Johann Strauss‘ "Fledermaus"-Operette am Ende der Champagner schuld war.
In Köln ist eben alles anders. Hier trinkt man Kölsch statt Champagner – man singt kölsch, spricht kölsch, feiert kölsch. Die Cäcilia Wolkenburg legt sogar noch einen drauf: Sie spielt kölsch. Und wie! Mit ihrem turbulenten neuen Divertissementchen "De kölsche Fledermaus" gratuliert die Bühnenspielgemeinschaft im Kölner Männer-Gesang-Verein (KMGV) in diesem Jahr dem Walzerkönig Johann Strauss (Sohn) zum 200. Geburtstag.
Zweieinhalb Stunden rasante Musik, imposante Chorstücke, mitreißende Ballett-Choreografien, berauschende Bühnenbilder, beeindruckende Kostüme und mehr als einhundert Sänger im Alter zwischen 25 und 85 Jahren, machen die Kölner Oper im Staatenhaus (alle 29 Vorstellungen sind ausverkauft) zum brodelnden Festsaal.
Die Welturaufführung der kölschen Fledermaus-Version spielt im rechtsrheinischen Köln der goldenen 1920er Jahre. Die Stadt ist geprägt durch Armut, Elend und Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig herrscht Aufbruchstimmung nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, der britischen Besatzung und der Spanischen Grippe in Köln. Kino, Kunst und Musik sind zurück. Es wird wieder Karneval gefeiert. Im Stück gerät Kölns amtierender Prinz Mätes I. (Rainer Wittig) nach einer wilden Wieverfastelovendsparty auf der "Schäl Sick" in die Schlagzeilen der Klatschpresse. "Prinz inflagranti erwischt", ist da zu lesen.
"Düxer Schwadschnüsse" finden betrunkenen Prinzen
Die spitzzüngige Damenriege "Düxer Schwadschnüsse" hatten Mätes am Tag danach bei ihrem morgendlichen Frühsport im Rheinpark total betrunken unter einer Bank gefunden: nicht im Prinzenornat, sondern als Fledermaus verkleidet. Die Wiever sind entsetzt. "Unser Prinz Karneval, uns Leechjestalt, in su ‘ner Verfassung!" "Skandal", schimpft das Festkomitee. "Einmol Prinz zo sin", antwortet das Orchester. Was war passiert?
Bei einer Veranstaltung war Mätes zuvor auf seinen alten Jugendfreund Anton Adler (Jürgen Nimptsch) aus Düsseldorf getroffen. Für die beiden Junggesellen steht unmittelbar nach Karneval die Hochzeit mit ihren Verlobten Marie (Markus Becher) und Rosa (Dirk Pütz) an. Adler überredet Mätes, es vorher noch einmal richtig krachen zu lassen. Er schlägt ihm vor, das Prinzenornat gegen ein Fledermauskostüm zu tauschen, um dann im karnevalistischen Getümmel unterzutauchen. Der Rest ist bekannt. Das Komitee entzieht dem gebeutelten Narrenchef die karnevalistischen Würden. Der entthronte Mätes schwört Rache, verbündet sich mit einigen Damen der Kölner Gesellschaft. In extravaganten Wohnungen, im Nachtclub und im "Klingelpütz" (Bühnenbilder: Tom Grashoff) entwickelt sich ein hitziges Intrigenspiel voller Situationskomik und Wortwitz.
In fünf Akten inszeniert Cäcilia-Regisseur Lajos Wenzel, seit 2023 Intendant des Stadttheaters Trier, das burleske Schauspiel, schreibt den beiden kölschen Originalen und Frosch-Schwestern Amalia (Wolfgang Semrau) und Emma (Simon Wendring) feinsten Kölsch-Humor ins Drehbuch.
Mit reichlich Applaus und Bravo-Rufen honorieren vor allem die Damen unter den 1000 Gästen im Saal das Zillche-Ballett (Choreographie: Jens Hermes und Katrin Bachmann), das in herrlichen Kostümen (Judith Peter) mal als Blumen- mal als Charleston-Ballett, mal beim Haremstanz oder im Fledermaus- und Charlie-Chaplin-Kostüm die Hüften schwingt. Mit viel Zwischenapplaus wird neben den Sängern auch das musikalisch bestens aufgestellte Live-Orchester der Bergischen Symphoniker und der Westwood Slickers unter der Leitung von Bernhard Steiner gewürdigt. In seinem feinfühligen Musik-Mix aus Klassik, Film, Rock, Pop und kölschen Hits bringt Arrangeur Thomas Guthoff alles unter, was Rang und Namen hat: Beethoven, Höhner, Verdi, Bläck Fööss, Kasalla, Schostakowitsch, Michael Jackson, Schubert, Jupp Schmitz und natürlich Johann Strauss (Sohn), der mit mehr als 30 Einspielungen im Stück vertreten ist.
Offener Sängertag in der Wolkenburg
Seit Sommer letzten Jahres ist Simon Wendring als Baas für die Gesamtleitung der Cäcilia Wolkenburg verantwortlich. Er löste Jürgen Nimptsch ab, der bis dahin 18 Produktionen des Divertissementchens verantwortet hatte und Simon Wendring als seinen Nachfolger vorgeschlagen hatte. Wendring zeigte sich mit seinem ersten Einsatz als Baas zufrieden. Er wolle die Tradition der kölschen Aufführungen wahren und weiter ausbauen, sagte der 1976 geborene Wahl-Kölner am Rand der Veranstaltung. Früher habe man sich mehr auf Opernparodien konzentriert. Heute sei das musikalische Spektrum größer geworden, viele aktuelle Songs und kölsche Hits sind Teil des Programms.
Das war auch für Bernd Corsten (32) einer der Gründe sich beim KMGV als Sänger zu bewerben. Vor fünf Jahren habe er das Divertissementchen zum ersten Mal gesehen. Für ihn war sofort klar: "Da muss ich mitmachen." Nach der Chorschule und bestandener Aufnahmeprüfung im letzten Jahr debütiert Corsten als 1. Bass bei der Vorpremiere im Ensemble bei der "kölschen Fledermaus". Mit ihm sind zwölf weitere Sänger in die Chorgemeinschaft aufgenommen worden.
Für interessierte Sänger veranstaltet der KMGV am Sonntag, 16. März, einen offenen Sängertag, in der Wolkenburg, Mauritiussteinweg 59-61. Gemeinsam wird ein kleines Musikstück eingeübt, anschließend können die Interessenten in kleinen Gruppen unter der Anleitung von professionellen Stimmbildner ihre eigene Stimme kennenlernen. Weitere Infos und Anmeldung im Internet. © Kölner Stadt-Anzeiger
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