Seit dem 1. Januar gilt in der EU eine neue Richtlinie mit einem etwas sperrigen Namen: die Getrenntsammlungspflicht.
Sie umfasst auch Altkleider und führt zu, dass Klamotten fortan unabhängig von Art und Zustand über Altkleidercontainer entsorgt werden müssen. Nur absolut unbrauchbare Textilien dürfen weiterhin in den Hausmüll geworfen werden.
Ich habe meinen Kleiderschrank ausgemistet und bin verwirrt: Kann man das noch tragen, oder gehört es nicht doch in den Müll? Denn die Qualität meiner aussortierten Klamotten ist höchst unterschiedlich. Einige Sachen haben kleinere bis sichtbare Löcher oder einen ausgefransten Kragen, andere sind mir einfach nur zu klein geworden – insbesondere um die Hüfte. Klar ist: Was niemand mehr tragen kann, wird aussortiert. Die Kosten tragen die Entsorgungsunternehmen.
Der Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg der Awo betreibt 71 Altkleidercontainer
Ich bringe meinen Klamottensack, in dem rund 25 Teile liegen, zum Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg der Arbeiterwohlfahrt (Awo), die in Zusammenarbeit mit der RSAG 71 Altkleidercontainer im Kreis betreibt. Dort bin ich mit Katja Ruiters und Musa Ataman verabredet. Sie ist die Betriebsleiterin der "Eingliederungshilfe und Arbeit", er der Leiter des Altkleider-Projekts der Awo.
"Das neue Gesetz ist gut für Leute, die ihre Altkleider loswerden und Müll vermeiden wollen", sagt Ruiters. "Denn zentral ist immer die Frage, wie gut man Müll recyclen kann. Das Gesetz führt aber auch dazu, dass die Kosten der Entsorgungsunternehmen steigen." Denn nun seien sich Menschen noch unsicherer, was sie in die Tonne werfen dürften. "Das führt dazu, dass nun alles bei uns alles ankommt."
Nicht alles sei noch gebrauchen: "Die guten Sachen gehen an Kleiderstuben oder Second-Hand-Läden. Oder an Bedürftige, manchmal fragt die Polizei nach Kleidung für Inhaftierte, die bekommen das auch umsonst", erklärt Ataman. Der Großteil gehe an die Autoindustrie: "Die macht daraus Dämm- und Füllstoffe für alles Mögliche." Ein bis zwei Prozent müssten tatsächlich entsorgt werden.
Löchrige Socken, die Jacke mit Brandloch – alles Industrieabfall
Das zeigt sich auch an meinem mitgebrachten Kleidersack, aus dem Ataman jetzt T-Shirts, kurze Hosen und Sommerhemden hervorholt und sortiert. Das Baseball-Shirt der Philadelphia Phillies – kaum getragen und daher noch gut. Die rote Sweatjacke mit dem Brandloch – ein Fall für die Industrie. Ebenso das FC-Aufstiegsshirt von 2008 mit dem ausgeleierten Kragen. Sie werden eine Wiedergeburt als Autositz erleben. Die löchrigen Socken und den fransigen Gürtel wirft Ataman auf den Haufen für den Restmüll. Der mit dem Industrieabfall wird am Ende der größte sein.
"So gut sortiert sind die Säcke allerdings selten", wirft Ruiters ein. Denn neben Mängelklamotten lande auch reichlich Zeug in einem Altkleidercontainer, das dort nicht hineingehört. Auf dem Recycling-Hof der RSAG in Sankt Augustin-Niederpleis, auf dem wir uns befinden, hat die Awo extra Container aufstellen lassen, um Fremdmaterial auszusortieren. Eine Kiste ist voll mit Elektroschrott. "Der stand daneben. Manche Leute sehen den Container als Stelle, um alle Sachen auf einmal zu entsorgen, statt sie zum Wertstoffhof zu bringen."
Ein Abrollcontainer ist voll mit alten Teppichen, auch die liegen zuhauf in Altkleider-Sammelstellen. Ruiters zeigt einen neu angelieferten Sack. Darin stecken ein Kinderfahrradhelm und ein Rutschauto. Was vielleicht als gut gemeinte Spende mit Kindersachen gemeint war, verursacht hier Personal- und Kostenaufwand, denn es muss aussortiert werden.
Das Altkleiderprojekt der Awo ist auch ein Inklusionsprogramm: "Hier arbeiten Menschen mit psychischen Krankheiten oder kognitiven Beeinträchtigungen. Es ist ein körperlich anstrengender Job, aber sie können ihn gut bewältigen", sagt Ruiters, die diesem Fachbereich vorsteht. Auch bei der Auswahl der Kooperationspartner, die die Kleiderspenden entgegennähmen, lasse sich die Awo nachweisen, dass sie ihre Mitarbeitenden nach Mindestlohn bezahle und alle arbeitsrechtlichen Vorschriften einhalte.
Fällt schon beim Anheben auf, dass ein Sack Fremdmüll enthält, wird er aussortiert
"Die Altkleidercontainer werden etwa einmal in der Woche geleert. Die Säcke kommen nach Niederpleis, wo sie unsere Mitarbeitenden oberflächlich prüfen", sagt sie. Die eigentliche Sortierung der Klamotten – das, was Ataman zuvor per Hand mit meinem Sack gemacht hat – finde nicht bei der Awo statt, sondern bei großen Unternehmen. "Und auch die haben nochmal 25 bis 30 Prozent Müll darin", sagt Ataman.
Vier Männer sind damit beschäftigt, einen kleineren Lkw zu entladen und einen der hier bereitstehenden Überseecontainer bis unter die Decke mit prallgefüllten Plastiksäcken vollzustopfen – beeindruckendes Zeugnis einer Wegwerfgesellschaft. Fällt schon beim Anheben auf, dass ein Sack Fremdmüll enthält, werde er erst gar nicht eingeladen und fliege in eine bereitgestellte Metallkiste. "So ein bis vier Seecontainer machen wir pro Woche voll, das hängt immer ein wenig vom Wetter ab", schildert Ataman. "Ist es zu kalt oder zu warm, landet weniger in den Altkleidercontainern."
Ruiters und Ataman gehen davon aus, dass mit der Menge der entsorgten Textilien auch die Menge des falsch entsorgten Mülls zunehmen wird. "Am Müll erkennt man, wie gut es einer Gesellschaft geht. Je nachdem, in welche Kommune wir fahren, ahnen wir, was in den Containern drin sein wird", sagt Ruiters. "Wer Müll vermeiden will, muss ihn trennen – das gilt auch für Klamotten." © Kölner Stadt-Anzeiger
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