Das Kalk-Karree am Ottmar-Pohl-Platz ist eine der Hauptzentralen der Stadtverwaltung. Hier sind unter anderem das Amt für Soziales, Arbeit und Senioren, das Jugendamt und das Amt für Wohnungswesen untergebracht.
Insgesamt arbeiten dort rund 1800 Beschäftigte der Stadt. Einige von ihnen berichten jetzt dem "Kölner Stadt-Anzeiger" von zunehmenden Bedrohungen durch Kunden, von Angst um ihre Sicherheit – und sie beklagen unzureichende Sicherheitsvorkehrungen der Stadt. Ihre Namen möchten sie nicht in der Zeitung lesen.
Gerade zum Jahresende tummelten sich viele Menschen im Gebäude, es herrsche eine "unruhige und zum Teil unübersichtliche Situation" in der Eingangshalle und auf den Fluren zu den Büros, erzählt ein Beschäftigter. "Mitarbeiter werden beschimpft, es gibt Kunden, die Druck dadurch ausüben, dass sie von außen an die Fensterscheiben der Büros klopfen." Einige der Kunden würden unter Drogen- und Alkoholeinfluss stehen. "In ihrem Rausch sind sie unberechenbar." Immer wieder müsse deswegen auch die Polizei gerufen werden.
Mitarbeiter fordern bessere Sicherheitsmaßnahmen im Kalk-Karree
Allein in der ersten Dezemberwoche, berichten Mitarbeiter verschiedener Ämter, soll es zu vier Zwischenfällen gekommen sein, bei denen Kunden Beschäftigte der Stadt bedroht hätten und die Situation zu eskalieren drohte. Eine Woche zuvor soll ein Kunde im Büro eines Mitarbeiters sogar ein Messer gezückt haben. Nur auf gutes Zureden soll er es wieder eingesteckt haben.
Der Sicherheitsdienst, der das Gebäude bewacht, könne nur "bedingt" eingreifen und deeskalieren. "In den Büros haben wir keine Fluchtmöglichkeit. Wir haben im Ernstfall keinen räumlichen Abstand zum Kunden", sagt ein Beschäftigter. Es gebe "zu wenig Sicherheitspersonal auf den Fluren. Die Kunden kommen mit Taschen ins Büro, ohne vorher kontrolliert zu werden."
Die Mitarbeiter fordern zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, etwa Taschenkontrollen am Eingang des Gebäudes, Schließfächer für Rucksäcke und Taschen oder durchsichtige Trennwände in ihren Büros, die eine Distanz zwischen Kunden und Sachbearbeitern schaffen könnten. "Wir fühlen uns ausgeliefert", sagt einer. Die Stadt "tut zu wenig, um uns zu schützen. Was, wenn einer eine Waffe dabei hat und sie benutzt?"
Vorfälle im Kalk-Karree sind Polizei und Stadt Köln nicht bekannt
Polizeieinsätze aufgrund der von den Mitarbeitern geschilderten Vorfälle können weder Polizei noch Stadt bestätigen. Insgesamt liegen der Polizei für dieses Jahr acht Anzeigen wegen Bedrohungen und Beleidigungen im Kalk-Karree vor. 2023 waren es sieben Delikte. "Nach hiesiger Einschätzung kann unter Vergleich des Vorjahres nicht von einer Steigerung derartiger Fälle gesprochen werden", bilanziert ein Sprecher.
"Viele wollen keine Anzeige erstatten, weil sie Angst haben, dass die Kunden herausfinden, wer hinter der Anzeige steckt", sagt ein Beschäftigter. Aus Sorge vor einer möglichen weiteren Eskalation werde deswegen auch die Polizei nur im Notfall hinzugezogen.
Das gleiche gilt für Meldungen in der stadtinternen Datenbank "ZeMAG", dem Zentralen Melde- und Auskunftssystem bei Gefährdung städtischer Mitarbeitender. Die Datenbank wurde im April 2020 in Folge eines tödlichen Angriffs auf den Kämmereimitarbeiter Kurt Braun eingeführt, der während eines Außendienstes am 13. Dezember 2019 in Dünnwald von einem psychisch kranken Mann erstochen wurde. Bei diesem hatte Braun offene Geldforderungen eintreiben wollen. Die Polizei war nicht dabei, obwohl der Mann zuvor schon durch Angriffe im Merheimer Krankenhaus durch Gewaltangriffe aufgefallen war.
In der Datenbank können Mitarbeiter der Stadt vor dem persönlichen Kontakt mit einer Person seitdem recherchieren, ob diese schon einmal mit Gewalt gegen Kollegen aufgefallen ist. Im Zweifel kann dann zum Beispiel die Polizei hinzugezogen werden. Doch auch vor Meldungen in der Datenbank würden viele Mitarbeiter aus Angst vor Konsequenzen zurückschrecken, sagt ein Beschäftigter dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Bedrohungen im Kalk-Karree: Stadt Köln will auf Mitarbeiter zugehen
Diese Sorgen scheinen zumindest nicht ganz unbegründet. Die Datenschutzbestimmungen stellen hohe Anforderungen an Eintragungen in "ZeMAG", erklärt ein Stadtsprecher: "Damit die Stadt Köln ZeMAG überhaupt nutzen darf und Mitarbeiter Übergriffe in ZeMAG eintragen können, ist es unter anderem zwingend notwendig, eine Strafanzeige zu stellen." Zwar solle ausschließlich die Dienstanschrift als "ladungsfähige Adresse" angegeben werden. "In der Regel werden die Geschädigten jedoch als Zeugen in der Strafanzeige aufgeführt, sodass der Name im Laufe des Verfahrens bekannt wird." Das Zentrum für Kriminalprävention und Sicherheit (ZKS) stehe aber beratend zu Seite, um die Mitarbeiter in den Verfahren "zu begleiten und bestmöglich zu schützen."
Seit Einführung der Datenbank im April 2020 sind insgesamt 408 Meldungen eingegangen. 360 Vorfälle ordnet die Stadt der Stufe zwei des sogenannten Aachener Modells zu. Darunter fallen Vorfälle wie Sachbeschädigung, körperliche Gewalt, Bedrohung oder Nötigung. 48 Vorfälle werden der Stufe drei zugeordnet und umfassen Waffengebrauch, Bombendrohung, Amoklauf oder Geiselnahme. Die meisten gemeldeten Übergriffe ereigneten sich im Jahr 2021 mit 87. 2019 wurde nur teilweise erfasst, 2024 ebenfalls.
Kalk-Karree: Sicherheitsdienst in erster Linie für Gebäudeschutz da
Wie viele Sicherheitsleute am Kalk-Karree eingesetzt werden, wolle man aus "sicherheitstechnischen Gründen" nicht mitteilen. Zu den Aufgaben der Sicherheitsleute gehören "das Einleiten von angemessenen Schutzmaßnahmen zur Risikoreduzierung, jedoch nicht spezialisierte Personenschutzmaßnahmen." Der Sprecher räumt ein: "Das Sicherheitspersonal bewacht primär das Gebäude und hat keine Hoheitsrechte. In kritischen Situationen wird die Polizei alarmiert." Bisher sei der Stadt aber kein Bedarf weiterer Sicherheitsmaßnahmen gemeldet worden.
Aufgrund der Anfrage des "Kölner Stadt-Anzeiger" werde das ZKS "proaktiv auf die Dienststellen im Kalk-Karree zugehen", versichert der Stadtsprecher. "Dienststellen oder auch einzelne Mitarbeiter können sich jederzeit, auch ohne Vorliegen eines konkreten Falls, beim ZKS melden, um Beratungen und Vermittlung von Schulungen zu bekommen." Auch biete die Stadt jedem Beschäftigten nach belastenden Ereignissen eine psychologische Erstbetreuung an, so der Sprecher. © Kölner Stadt-Anzeiger
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