Die Ardennenoffensive gehört zu den schlimmsten Schlachten im Zweiten Weltkrieg. In diesen Tagen jährt sie sich zum 80. Mal.

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Am 16. Dezember 1944 begann die "Operation Christrose", die Rundstedt-Offensive oder die "Battle of the Bulge", als die sie die Amerikaner kennen.

Am Freitag lud die ostbelgische Gemeinde Büllingen zu einer Gedenkveranstaltung an den Gedenkstein in Elsenborn nach Rocherath/Krinkelt, einem der Orte nur wenige Kilometer hinter der deutschen Grenze, die während der Kampfhandlungen im Brennpunkt des schrecklichen Geschehens lag.

Als die alliierten Truppen sich nach der Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944 im Eiltempo auf die deutsche Grenze zubewegten, wurde von Adolf Hitler der Plan entwickelt, die Gegner im Westen mit einer Überraschungsoffensive unter Druck zu setzen und Amsterdam zu erreichen, um mit der Einnahme des einzigen leistungsfähigen Hafens die Lieferung von Nachschub für die amerikanischen und britischen Truppen zu behindern.

14 deutsche Divisionen hatten auf "Ardennenwetter" gewartet

Doch eine der Voraussetzungen für das Gelingen der Operation war nicht in deutscher Hand. Denn angesichts der Luftüberlegenheit der Alliierten war trübes Wetter mit schlechter Sicht zwingend notwendig. Anfang Dezember war es so weit. Die Temperaturen waren knapp über dem Gefrierpunkt, es regnete, und vor allem: Der Himmel war wolkig, die Kampfflieger der Amerikaner und Briten konnten nicht eingesetzt werden. "Ardennenwetter" nannten es die Veteranen der Kampfhandlungen.

Vielleicht war die Sicht so schlecht wie an diesem Freitag 80 Jahre danach, als eine trübe Nebelsuppe die Eifelhöhen einhüllte. Frost ließ die Feuchtigkeit an den Bäumen kristallisieren und versah die Äste und Blätter mit einer weißen Hülle. Kälte und Feuchtigkeit waren auch damals die Begleitumstände für die Soldaten auf beiden Seiten der Front, als im Morgengrauen des 16. Dezember die Kämpfe begannen. 14 deutsche Divisionen eröffneten die Schlacht gegen nur vier amerikanische Divisionen, die in diesem Frontabschnitt lagen.

Die 2. und die 99. US-Division waren zu Beginn der Offensive in dem strategisch wichtigen Doppeldorf Rocherath/Krinkelt stationiert. Gedenksteine erinnern heute an die beiden amerikanischen Einheiten. Auch Richard Myers war als 20-jähriger Soldat der 99. US-Division an den Kämpfen beteiligt.

Sein Enkel Peter war extra aus Texas nach Ostbelgien gekommen, um an der Gedenkveranstaltung teilzunehmen. "Es ist für mich eine Rückkehr", sagte er. Denn sein Großvater habe ihn in den 1980er-Jahren mit in die Ardennen genommen, um ihm die Stellen zu zeigen, wo er damals im Zweiten Weltkrieg gewesen war.

"Ich habe als Kind gelernt, die Bedeutung der Rolle zu verstehen, die das Individuum spielt", erklärte er. Schließlich sei sein Großvater als Veteran einer der Initiatoren des MIA-Projektes gewesen, das sich auf die Suche nach vermissten Soldaten der Ardennenoffensive begeben habe. Noch in den 80er- und 90er-Jahren sei das Schicksal etlicher Soldaten ungeklärt gewesen. Bei Suchaktionen seien die sterblichen Überreste mehrerer, bis dahin verschollener Soldaten gefunden worden.

An das Leid der Frauen und Kinder in Ostbelgien erinnert

Welchen Schrecken der Krieg für die Zivilbevölkerung gehabt habe, thematisierte Rainer Stoffels, Bürgermeister von Büllingen. Schon vor dem Gedenktag hatten Zeitzeugen bei Veranstaltungen über das Leid berichtet, das damals vor allem Frauen und Kinder erlitten haben. Nach der Zwangsevakuierung im Oktober 1944 seien noch wenige Menschen zurückgeblieben, um das Vieh zu versorgen. Doch nach massivem Dauerbeschuss zwischen Weihnachten und Neujahr seien auch die letzten 18 Menschen evakuiert worden.

Als die Bewohner im März 1945 zurückkehrten, habe sich ihnen ein Bild des Schreckens geboten. 90 Prozent der Häuser seien zerstört gewesen, überall hätten Leichen und Tierkadaver gelegen. Von den 3400 Stück Vieh vor der Offensive hätten nur noch 180 gelebt, der Rest sei geschlachtet worden oder verhungert. "Vielleicht ist der Zweite Weltkrieg Vergangenheit, aber seine Lehren sind zeitlos", so Stoffels.

Entsprechend stand auch der Wortgottesdienst, den Pastor Albert Brodel in der Kirche in Rocherath/Krinkelt zelebrierte, im Zeichen des Friedens. In vier Sprachen hielt er seine Begrüßung, denn neben den drei Amtssprachen Belgiens (Französisch, Niederländisch und Deutsch) wechselte er auch ins Englische. "Komm, wir ziehen in den Frieden", sangen Schüler der Rocherather Schule zum Abschluss der Veranstaltung.

Der Hellenthaler Bürgermeister ist in Sichtweite der Westwall-Höckerlinie aufgewachsen

Neben den Vertretern des belgischen und des luxemburgischen Militärs waren auch der deutsche Botschafter in Belgien, Martin Kotthaus, der Militärattaché Gerhard Ulrich und der Bürgermeister der Nachbargemeinde auf der deutschen Seite der Grenze, Rudolf Westerburg aus Hellenthal, eingeladen worden. "Es ist eine Ehre, hier eingeladen zu sein", sagte Kotthaus. Belgien habe unter den deutschen Besatzern gelitten. Alleine 25 000 Juden seien getötet worden. Doch heute teilten die belgische und die deutsche Nation die gleichen Werte, seien Mitglieder der Europäischen Union und der Nato. Die Deutsche Gemeinschaft in Belgien, die während des Krieges besonders gelitten habe, sei eine Brücke zwischen den Ländern: Hier werde der europäische Gedanke gelebt, führte er aus.

Auch Rudolf Westerburg, der in Ramscheid in Sichtweite der Höckerlinie des Westwalls aufgewachsen ist, sah es als Ehre an, zu dieser Veranstaltung eingeladen worden zu sein. "Das ist ein Zeichen für die guten Verbindungen, die sich zwischen den Kommunen entwickelt haben", sagte er. Das sei nicht immer so gewesen. Er erinnere sich an die Ressentiments, die er früher bei den Zollbeamten beim Überschreiten der Grenze erlebt habe.

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Großgeworden sei er praktisch an einem Hotspot des Geschehens der Ardennenoffensive. "Krieg war Gegenstand des Spielens, wir fanden Munition, Gewehrteile oder Helme, wenn wir am Hollerather Knie waren", erinnerte er sich. In den Bunkern hätten sie gespielt, und später habe er begonnen, sich für die Geschichte zu interessieren. "Ich habe meine Omas befragt und andere alte Ramscheider, denn in der Schule war es kein Thema", erzählte er. So habe er zunehmend verstanden, wie die Abläufe gewesen waren. Umso bedeutender sei es, zu solchen Gedenkveranstaltungen zu gehen. "Das ist wichtig für die Bildung, denn man steht nicht einfach da und legt ein Blümchen ab", betonte er. Er empfinde es persönlich als wichtig, sich gegen den Krieg zu positionieren.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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