Einen gewaltigen Umbruch erfährt derzeit die Evangelische Kirchengemeinde Roggendorf. Nachdem Pfarrer Christoph Cäsar vor einigen Wochen seinen Abschied genommen hat, steht nun auch Dr. Franz-Michael Stöhr kurz vor Erreichen der Altersgrenze.

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Am Sonntag, 15. September, wird er um 14 Uhr im Rahmen eines Gottesdienstes in der evangelischen Kirche in Roggendorf von seinem Amt entpflichtet. Für die vakant gewordene Pfarrstelle von Cäsar im ebenfalls zur Roggendorfer Gemeinde gehörenden Blankenheim ist bereits mit Pfarrer Thorsten Schmitt ein Nachfolger gefunden. Er wird am 6. Oktober in sein Amt eingeführt.

Pfarrer Franz-Michael Stöhr verabschiedet sich nicht ganz

34 Jahre war Stöhr in Mechernich tätig, fast die ganze Zeit gemeinsam mit seinem Amtskollegen Cäsar. Dabei habe der Glaube in seiner Jugendzeit, die er in Troisdorf und Menden bei Bonn verbracht hatte, noch gar keine so wichtige Rolle gespielt. "Da war ich vor allem an Sport interessiert, war begeisterter Leichtathlet – Sprint, Kugelstoßen und Zehnkampf", berichtet er.

Zum ersten Mal sei er in seiner Bundeswehrzeit in Koblenz mit existenzialistischen Fragen in Kontakt gekommen. "Du musst mal Sartre lesen", habe ihm ein Stubenkamerad geraten, erinnert er sich schmunzelnd.

Dort habe sich eine Vierergruppe gebildet, aus der sich dann lebenslange Freundschaften entwickelt haben. Auch habe das Interesse an Philosophie und Glaubensfragen, das dort seinen Ursprung gefunden hatte, lebenslang angehalten. "Ich habe dort eine intensive Leselust entwickelt", so Stöhr.

Für einen Gemeindepfarrer ist im Alltag die Auslegung der Bibel nicht das Entscheidende.

Franz-Michael Stöhr, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Roggendorf

1980 begann er sein Studium der Theologie in Bonn, das er in Heidelberg fortsetzte, um schließlich sein Examen wieder in Bonn zu machen. In Heidelberg sei er mit psychologischen und psychotherapeutischen Fragestellungen in Kontakt gekommen. "Das habe ich in die seelsorgerische Arbeit mitnehmen können", berichtet er.

Die Exegese, die Auslegung von Bibeltexten, habe er dagegen nur wenig betrieben. Was nicht störend gewesen sei: "Für einen Gemeindepfarrer ist im Alltag die Auslegung der Bibel nicht das Entscheidende." In den ersten Jahren, gerade im Vikariat in Köln-Marienburg, habe er die Freude an der Arbeit mit Kindern und Konfirmanden entdeckt. 1988 absolvierte er sein zweites theologisches Examen und ging an die Matthäuskirchengemeinde in Hürth, bevor er im März 1990 als Pfarrer in Mechernich eingeführt wurde.

Von der Promotion ließ Stöhr seine Alltagssprache nicht beeinflussen

Konfi-Gruppen, Frauenhilfe, Erwachsenengesprächskreis, Taufen, Trauungen, Ehejubiläen, Gottesdienste, Kirchentagsfahrten und Gemeindefeste: Das bestimme den Alltag des Pfarrers. Genauso jedoch die Fragen von Finanzen und Gebäudeverwaltung. Und viele Gespräche, die die Verbindungen mit den Gemeindegliedern und den Mitarbeitern wachsen ließen.

"Ich habe es immer als Defizit betrachtet, dass ich wenig mit der Bibel zu tun hatte", sagt er. So habe er ein Projekt über das Buch Hiob gestartet, viel Material gesammelt und sich mit Auslegungen dieses Textes beschäftigt, was durch den Bonner Professor Hans Strauß angeregt worden sei.

Professor Reinhard Schmidt-Rost habe dann empfohlen, daraus eine Doktorarbeit zu machen, so dass Stöhr im Jahr 2015 in Bonn promovierte. Doch er lege Wert darauf, die Wissenschaftlichkeit nicht Einzug in die Alltagssprache halten zu lassen, betont er.

Stöhr hilft in Mechernich bei der Tafel und der Krankenhausseelsorge

In Stöhrs Amtszeit fällt auch das Anwachsen der Gemeindemitgliederzahlen, als in Kommern die Neubaugebiete bezogen wurden. Nachdem Hilfspfarrer zum Einsatz kamen, stieß 2005 Pfarrerin Susanne Salentin zu dem Team in Roggendorf.

Das ermöglichte nicht zuletzt, dass Stöhr mit einer halben Stelle in der Krankenhausseelsorge tätig werden konnte und regelmäßig in das Hospiz geht. "Resilienzarbeit" leiste er da und helfe den Menschen, bis sie wieder eine Perspektive im Leben sehen.

Dazu engagiert er sich auch im Förderverein des Kreiskrankenhauses. Auch die diakonische Arbeit rückte mehr in den Fokus. So half er bei der Gründung der Mechernicher Tafel und arbeitet bei der Mechernich-Stiftung mit.

Existenzialistische Fragen treiben Stöhr sein Leben lang um

Existenzialistische Fragen haben ihn durch sein Leben begleitet. So sei die Frage, was letztlich bleibt, eine Frage des Gottesverständnisses. "Bei Hiob ist es ein ferner Gott, aber ich habe mich für den empathischen Gott entschieden, wie ihn zum Beispiel auch Anselm Grün sieht", sagt er. Der Mensch habe für ihn Würde und eine Existenzberechtigung.

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Ob es ein Ruhestand für Michael Stöhr wird, ist fraglich. So überlegt er, im Sektor Psychotherapie tätig zu werden. "Ich sehe, wie viele Menschen Hilfestellung benötigen", sagt er. Auch wird er seine Tätigkeit in der Mechernich-Stiftung und im Krankenhausförderverein fortsetzen, zudem Vertretungsdienste für Kollegen übernehmen. Und dann freut er sich auf die Reisen, die er unternehmen will. "Zwei sind bereits geplant", verrät er.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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