33 Pflegekräfte – so groß ist der Bedarf, den fünf Pflegeeinrichtungen an den Kreis Euskirchen übermittelt haben.
Die Pflegenden sollen mithilfe der Agentur "Care with Care" aus Indien in den Kreis Euskirchen geholt werden – der Kreis Euskirchen hat die Koordination für das Projekt übernommen. Wäre alles perfekt gelaufen, hätten die ersten Pflegefachkräfte Ende des Jahres im Kreis ihren Dienst angetreten – es ist aber nicht alles perfekt gelaufen.
"Leider waren die Bearbeitungszeiten bei der Bezirksregierung zu lange. Deshalb sind wir im Zeitplan hintendran", sagt Sabine Engisch, die das Recruiting der Pflegenden für den Kreis Euskirchen koordiniert.
Die Bearbeitungszeiten in der Behörde bildeten nicht die einzige Hürde, die zu meistern sei. Die Deutschkenntnisse der indischen Fachkräfte, die mit einem Zertifikat nachgewiesen werden müssen, können laut Engisch in Indien aktuell nicht abgefragt werden. "Es werden schlicht zu wenig Prüfungen angeboten", sagt sie.
Wohnungssuche ist für Pflegekräfte aus Indien eine Herausforderung
Zudem mangele es im Kreis Euskirchen an Wohnraum für die 33 erwarteten Pflegekräfte. "Die Wohnungssuche stellt eine große Herausforderung dar. Auch in einem ländlichen Raum wie im Kreis Euskirchen ist bezahlbarer Wohnraum knapp", so Engisch.
Des Weiteren verschärfe die Situation, dass viele indische Pflegekräfte ohne Führerschein anreisen und die ÖPNV-Möglichkeiten begrenzt seien, wenn es darum gehe, zu unterschiedlichen Schichtzeiten in die Pflegeeinrichtungen zu kommen, so die Projektleiterin: "Daher wird dringend Wohnraum in der Nähe der Pflegeeinrichtungen benötigt."
Um dieser Problematik zu begegnen, nutze der Kreis vielfältige Kanäle: von Aushängen am "Schwarzen Brett" in den Einrichtungen bis hin zu den gängigen Online-Plattformen. Zudem habe der Kreis Kontakt zur regionalen Wohnungsbaugesellschaft aufgenommen, heißt es aus der Kreisverwaltung. Ein weiteres großes Thema sei die Mobilität der Pflegefachkräfte, die für eine langfristige Integration im ländlichen Raum unabdingbar ist, so Engisch: "Aktuell gibt es keine Förderungen für den Führerscheinerwerb oder die Umschreibung eines im Ausland erworbenen Führerscheins."
Umschreibung des Führerscheins scheitert oft an den Kosten
Die Umschreibung des Führerscheins umfasse den erfolgreichen Abschluss einer theoretischen und praktischen Prüfung, was ohne Fahrschulunterricht schwer zu bewältigen und mit erheblichen Kosten verbunden sei, erklärt Engisch: "Die fehlende Mobilität ist auch ein wesentlicher Grund, weshalb derzeit keine ambulanten Pflegedienste in das Projekt eingebunden sind."
Die Rekrutierung von 33 Fachkräften aus Indien fordere von allen Projektbeteiligten eine stetige Abstimmung und ein hohes Maß an Flexibilität, um die komplexen Prozesse zu bewältigen. Vor allem die Koordination der bürokratischen Anforderungen in beiden Ländern stelle eine der größten Hürden dar – sowohl für die rekrutierende Agentur als auch für die Euskirchener Projektbeteiligten.
Da es sich um die erste Rekrutierungsrunde handele, müssten dementsprechend erste eigene Erfahrungen gesammelt und Strukturen geschaffen werden. "Inzwischen ist deutlich geworden, inwiefern Prozessabläufe optimiert werden können und Standards entwickelt werden müssen, um gegebenenfalls künftige Verfahren effizienter zu gestalten", so Engisch.
Aktuell seien 40 Bewerber im Programm. Die Zahl liege über dem von den Pflegeeinrichtungen angemeldeten Bedarf. Das habe damit zu tun, dass etwa 10 bis 15 Prozent der Interessenten im Laufe des Prozesses, aus dem Programm ausstiegen, so Engisch: "Wir hatten schon drei Ausfälle. Zu einer Kandidatin haben wir aktuell keinen Kontakt, obwohl sie schon Unterlagen eingereicht hat."
Nach der Ausbildung in Indien folgt der Pflegelehrgang in Deutschland
Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse aus der ersten Rekrutierungsrunde lasse sich festhalten, dass ein solches Projekt langfristig angelegt werden muss und nachhaltige Lösungen, insbesondere für Mobilitätsfragen und die Wohnraumsuche, entwickelt werden müssen, sagt Birgit Wonneberger-Wrede, zuständige Geschäftsbereichsleiterin der Kreisverwaltung auf Anfrage: "Mit jedem Schritt lernen wir dazu und sammeln wertvolle Erfahrungswerte, die gegebenenfalls in zukünftige Rekrutierungsrunden einfließen können."
Einige notwendige Schritte, wie die Förderung des Führerscheinerwerbs oder die Optimierung der Anerkennungsverfahren für ausländische Qualifikationen, liegen Wonneberger-Wrede zufolge jedoch außerhalb des Einflussbereichs des Kreises "und bedürfen politischer Maßnahmen auf Landes- und Bundesebene".
Und wie geht es jetzt weiter? "Wir gehen davon aus, dass die ersten sieben Kandidaten im ersten Quartal des kommenden Jahres im Kreis Euskirchen ankommen werden", so die Expertin. Doch damit sind die Hürden nicht gemeistert. Der Grund: Der indische Pflege-Bachelor oder auch die Ausbildung zur Pflegefachkraft werde in Deutschland nicht komplett anerkannt. Pflegefachkraft in Indien und Pflegefachkraft in Deutschland seien zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Deswegen wird es laut Engisch für alle Pflegefachkräfte aus Indien einen einheitlichen Kenntnislehrgang samt genormter Prüfung geben.
So sei gewährleistet, dass alle auf demselben Stand seien. Das bedeutet, dass die Pflegenden für mindestens neun Monate an vier Tagen pro Woche die Schulbank drücken und einen Tag pro Woche als Pflegehelfer in der künftigen Einrichtung arbeiten, damit so schon ein wenig Bindung zum künftigen Arbeitgeber aufgebaut werden kann. Läuft also diesmal alles perfekt, stehen die erste sieben Pflegenden aus Indien ab 2026 als volle Arbeitskraft den Einrichtungen zur Verfügung.
1330 weitere Pflegekräfte werden im Kreis Euskirchen benötigt
"Wir benötigen im Kreis Euskirchen im Jahr 2040 allein 1330 weitere Pflegekräfte, um den heutigen Pflegestandard aufrechterhalten zu können", sagt Birgit Wonneberger-Wrede, Geschäftsbereichsleiterin Gesundheit und Soziales beim Kreis Euskirchen. Und das nur in der Altenpflege. Die Krankenpflege sei da noch gar nicht mit eingerechnet.
Dieser Bedarf sei weder aktuell noch künftig aus Reihen der eigenen Bevölkerung oder dem Umland durch Anwerbung qualifizierter Pflegefachkräfte oder durch deren Ausbildung zu decken, so Wonneberger-Wrede. Deshalb will der Kreis Euskirchen nach Rücksprache mit Pflegeeinrichtungen ein sogenanntes Fachkräfte-Recruiting aus Drittstaaten betreiben. In diesem ganz speziellen Fall habe man sich für Indien entschieden, sagt die Geschäftsbereichsleiterin. Indien deshalb, weil man von anderen Institutionen viel Positives gehört habe und die Ausbildung gut und mit der hiesigen vergleichbar sei.
"Und auch, weil der Aufwand, nach Hause zu fliegen, doch ein größerer ist, wenn das erste Heimweh einsetzt", sagt die Expertin. Landrat Markus Ramers ergänzt: "Uns war wichtig, politisch wie moralisch die Probleme in dem Land nicht zu verschärfen. Wir wollen nicht wildern, nur um unsere Probleme zu verringern."
Kreis Euskirchen finanziert Projektleitung
Laut Wonneberger-Wrede belaufen sich die Kosten für ein solches Recruiting auf 10.000 bis 20.000 Euro pro Fachkraft. Diese Summe wird nun zwar nicht vom Kreis Euskirchen für das Marienheim in Bad Münstereifel, das EvA, das Kreiskrankenhaus in Mechernich, das Marien-Hospital in Euskirchen und die Marienborn gGmbH in Zülpich übernommen. Aber der Kreis Euskirchen finanziert die Projektleitung.
"Die Hilferufe der Unternehmen und Einrichtungen sind mal lauter, mal leiser gewesen. Zu überhören waren sie aber nie", so Landrat Markus Ramers, der bereits zu Beginn des Jahres den Fokus im Kreis Euskirchen auf das Thema Fachkräftemangel in Pflegeberufen gelegt hatte. In ihrem künftigen Aufgabenfeld wird es für Engisch aber auch darum gehen, eine Willkommenskultur für die künftigen Pflegekräfte zu schaffen. "Nach Frankfurt zum Flughafen fahren und mit Fähnchen eine Gruppe abholen, reicht da nicht", formuliert es Wonneberger-Wrede.
Imagefilm
Der Kreis Euskirchen hat für die Recrutierung von Pflegenden ein Imagevideo entwickelt, das das Leben und Arbeiten im Kreis Euskirchen darstellt. Die Idee dazu sei in der Kreisverwaltung entwickelt worden. In Kooperation mit einer professionellen Filmagentur wurde es weiterentwickelt, die auch den Dreh und den Schnitt übernommen habe, heißt es aus dem Kreishaus. (tom) © Kölner Stadt-Anzeiger
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