Gerade wird die schläfrige Clownin Peppalina Pappelotti hereingeführt, die Vorstellung kann beginnen.
Da klingelt schrill das Handy eines Zuschauers, der nimmt entspannt den Anruf entgegen, informiert den Anrufer kurz über den Clowns-Auftritt und endet mit den Worten: "Dä Wirges kütt jlich och noch." Stimmt aber nicht, denn Josef Wirges von der SPD war zwar jahrelang Bezirksbürgermeister von Ehrenfeld und besuchte gern in offizieller Funktion Veranstaltungen wie diese im Theo Burauen-Haus, dem AWO-Seniorenzentrum. Seit 2020 sind in Ehrenfeld allerdings die Grünen am Ruder.
Humor und Akrobatik beim "Tanz in den Herbst"
Doch wenn man 96 Jahre alt ist und überzeugter Sozialdemokrat, wie der freundliche Herr mit dem Handy, darf man das auch mal übersehen. Jedenfalls sorgt er für die erste Welle wohlwollenden Kicherns unter den 25 Besuchern. Dann aber ist Peppalina an der Reihe, mit roter Clowns-Nase und Pippi-Langstrumpf-Zöpfen kämpft sie mit den Tücken des morgendlichen Aufstehens, mit Hosenträgern, die ständig verrutschen, und mit Stiefeln, die partout nicht zu den Füßen passen wollen.
"Peppa", gespielt von Paula Scherf, kommt bei "Tanz in den Herbst" ganz ohne Worte aus, rollt lieber vielsagend mit den Augen, wenn sie an ihren Stiefeln riecht. Ihre pantomimische Bandbreite reicht von akrobatischen Verrenkungen bis zu ansteckenden Tanzeinlagen, als sie zu "Singin‘ in the Rain" durch den Raum wirbelt. Dafür hat sie ihren großen gelben Schirm geöffnet, aus dem ein Schwung bunter Herbstblätter fällt und sich über den Boden verteilt. Auch einen Drachen lässt die Clownin steigen und wird von einer unkontrollierbaren Martins-Laterne über die Bühne gezerrt.
Begeisterung und Nostalgie bei Clownin Peppalina Pappelotti
Immer wieder applaudieren die Zuschauer bei einzelnen Szenen, und natürlich auch, als sich Peppalina Pappelotti nach einer halben Stunde mit Kusshänden verabschiedet. Dann besteht Redebedarf: "Eine Frau hat sich besonders über die Blätter gefreut, die fand das ganz toll", berichtet Paula Scherf im Anschluss. "Eine andere erzählte, dass sie die Laterne sehr an ihre Kindheit erinnert hat. Ich konnte schon während der Vorstellung an den Augen sehen, dass die Zuschauer drangeblieben sind."
Scherf und André Lehnert, Regisseur des Ein-Personen-Stücks und ihr Partner in der Compagnie "disdance project", ist die Erleichterung anzumerken. Rund 500 Vorstellungen haben sie in den vergangenen Jahren in Kitas gegeben, führen in ihrer Bühne "Alte Wursterei" in der Pettenkoferstraße politisches Theater oder auch Kafka-Bearbeitungen auf.
Erfolgreicher Start des "Herbststücks" in Seniorenzentrum
Doch an diesem Tag treten sie zum ersten Mal in einem Seniorenzentrum auf. Dafür, erzählt Lehnert, hätten sie das ursprünglich für Kinder konzipierte "Herbststück" nur an wenigen Stellen verändert – etwa als "Peppa" den langweiligen Kaffee wegstellt und lieber zur Cinzano-Flasche greift. "Aber der pantomimische Ansatz funktioniert bei älteren Menschen ähnlich gut. Wenn noch Worte hinzukämen, wären vor allem die, die an einer demenziellen Erkrankung leiden, überfordert. Ähnlich erleben wir das bei autistischen Kindern." Der "sprachlose" Ansatz helfe auch, wenn die Zuschauer unterschiedliche kulturelle Hintergründe haben.
Das wird das "disdance project" bald ausprobieren können. "Insgesamt finden Aufführungen in sieben Seniorenzentren des Bezirks statt", erzählt Lilly Liebig von der Ehrenfelder Seniorenvertretung, die die Reihe organisiert hat. Die Seniorenvertreter hatten Scherf und Lehnert nach einer Aufführung im Bunker Körnerstraße angesprochen. "Die Finanzierung haben die Bezirksvertretung und der Förderverein der Sparkasse Köln Bonn ermöglicht", so Liebig.
Elisabeth Römisch ist von der positiven Wirkung solcher Veranstaltungen jedenfalls überzeugt: "Das holt auch Demenz-Kranke aus ihrer Gedankenwelt heraus, sie haben hier richtig mitgemacht", so die Leiterin des Theo-Burauen-Hauses.
Wegen großer Nachfrage musste eine zweite Aufführung angesetzt werden, insgesamt konnten 50 der 177 Bewohner den "Tanz in den Herbst" miterleben. Katja Berg, zuständig für die Soziale Betreuung in der AWO-Einrichtung, befürchtet allerdings, dass die Finanzierung solcher Aktionen künftig noch schwieriger wird: "Bei den Haushaltsberatungen kommt ja alles auf den Prüfstand, gerade die sozialen Projekte."
Dass dies verhindert werden kann, hofft auch der erste stellvertretende Bürgermeister Udo Hanselmann, der den Grünen-Bezirksbürgermeister Volker Spelthann wegen einer Terminüberschneidung vertritt. Hanselmann ist von der SPD-Fraktion – da ist auch der 96-jährige Sozialdemokrat wieder zufrieden. © Kölner Stadt-Anzeiger
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