Wenn am Dienstag (5. November) die Amerikanerinnen und Amerikaner zur Urne schreiten, richten sich Blicke aus aller Welt auf die US-Wahl.

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Auch in Köln verfolgt man das Geschehen aus der Ferne. Hier leben rund 2000 US-Bürger. Wir haben mit fünf Menschen gesprochen, die aus den USA stammen oder dort gelebt und gearbeitet haben.

"Ein Gefühls-Cocktail aus Angst und Optimismus"

Sean Nyquist (34) kommt aus Philadelphia in Pennsylvania. Er kam 2018 wegen der Liebe nach Berlin und lebt mittlerweile seit vier Jahren in Köln.

Wenn ich an die Wahl denke, empfinde ich einen Cocktail aus Angst und Optimismus. Seit den neusten Umfragewerten des Iowa-Poll, der Harris vor Trump sieht, bin ich aber zuversichtlicher. Diese Umfrage ist sehr vertrauenswürdig und hat die vergangene US-Wahl korrekt vorhergesagt. Dennoch ist es frustrierend zu sehen, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen ist. In den vergangenen Monaten hatte ich daher sehr viel Angst: Trump verstößt gegen grundlegende Werte, die für eine Demokratie wichtig sind.

Er stiftet zu Gewalt an, grenzt sich nicht von Rassisten ab, agitiert gegen Minderheiten und Frauen. Als er 2016 Präsident wurde, habe ich geweint, weil ich so enttäuscht war. Meine Geschwister und meine Eltern sind gegen Trump. Mein Vater war bis 2016 eigentlich Republikaner. Doch wegen Trump verließ er die Republikaner. Sein Argument lautet, dass er das Land der Partei vorzieht und dass Trump gegen die Demokratie ist.

Amerikaner in Köln: Wenn Trump der Grund für Streit in der Familie ist

Ich habe aber Onkel, Tanten und Cousins, die für Trump sind. Als 2020 George Floyd durch Polizeigewalt zu Tode kam und sich Trump gegen die Anti-Rassismus-Proteste aussprach, während er gleichzeitig nichts dafür tat, die Pandemie einzudämmen, stimmten ihm meine Cousins auf Social Media zu. Ich habe auf Facebook angefangen, mit ihnen zu diskutieren und zu streiten. Danach sprachen wir nicht mehr miteinander.

Letztes Jahr war ich in Florida bei der Hochzeit meiner Cousine und habe mich bei meinem Onkel entschuldigt, dass wir den Streit im Internet ausgetragen haben; dass es besser gewesen wäre, persönlich zu diskutieren und wenigstens etwas Empathie für die andere Position aufzubringen. Über Politik sprachen wir da nicht mehr.

Ich komme aus Philadelphia in Pennsylvania, einem sehr wichtigen Swing-State, der Trump bei der Wahl 2020 abgewendet hat. Historisch war Pennsylvania schon immer ein Ort, der für gute Wendepunkte gesorgt hat. Hier wurde 1776 die Unabhängigkeitserklärung und 1787 unter der Führung George Washingtons die Verfassung unterschrieben. (gam)

"Stolz darauf, eine Frau wählen zu können"

Megan Donovan-Becker (29) hat die Deutsch-Amerikanische Staatsbürgerschaft, ist in Deutschland aufgewachsen und nach Köln zum Studieren gekommen. Sie ist in Arizona zum Wählen registriert.

Ich bin sehr stolz darauf, dieses Mal die Option zu haben, eine Frau wählen zu können. Die Rechte der Frau sind mit eines der heißen Streitthemen, die diese Wahl ausmachen: Reproduktive Freiheit und das Recht auf Abtreibung zum Beispiel. Ich glaube, dass eine Frau aufgrund ihrer eigenen Betroffenheit damit ganz anders umgeht als man es von einem männlichen Kandidaten erwartet, zumal Trump ja bekannt dafür ist, Frauen als Objekte zu betrachten.

Ich habe eine jüngere Cousine in den USA. Meine Generation und die Generation nach mir, aber auch ältere Frauen wären massiv davon betroffen, wenn das Recht auf Abtreibung aufgehoben werden sollte. Schon jetzt ist es ja in einigen Staaten in Amerika erheblich eingeschränkt, sodass Frauen mit massiven gesundheitlichen Konsequenzen kämpfen. Wenn wir jetzt nicht dagegen wählen, bewegen wir uns ganz schnell 70 Jahre zurück in die Vergangenheit.

Weil ich in dem Swing-State Arizona wähle, bin ich mir der eigenen Verantwortung, wählen zu gehen, sehr bewusst. Wir haben nicht den Luxus zu denken, dass schon richtig entscheiden wird – wir wissen, wie sehr die eigene Stimme zählt. Ob wir an die Demokraten gehen oder nicht, macht für das Endergebnis der Wahl im amerikanischen Wahlsystem einen erheblichen Unterschied. Da bemüht man sich sehr früh um seine Wahlunterlagen und informiert auch die amerikanischen Freunde im Ausland, dass sie in den USA wählen können. Ich selbst wusste lange gar nicht, dass ich in den USA wählen kann, denn im Gegensatz zu Deutschland braucht man dafür keinen Wohnsitz in den USA, sondern nur die Staatsbürgerschaft. (km)

"Es ist nicht so, dass Amerika untergehen würde"

David Szalai (27) ist in South Carolina aufgewachsen. Als Wähler ist der Kölner Student für New Mexico registriert. Ursprünglich kam der Sohn ungarischer Eltern für ein Auslandssemester nach Deutschland – und ist mit einer kurzen Unterbrechung bis heute geblieben.

Denke ich an die Wahl, dann ist da vor allem Hoffnung. Hoffnung, dass die Harris-Walz-Kampagne gewinnen kann. Meinem Verständnis nach stehen wir kurz vor der Möglichkeit, dass sich in den USA Großkorruption durch eine zweite Trump-Präsidentschaft anbahnt. Denn man sollte Trump beim Wort nehmen – und das tun viele nicht.

Die Republikaner wollen die Gerichte besetzen, am besten langfristig. Wir haben schon an der Debatte über Abtreibungsrechte und die körperliche Autonomie der Frau gesehen, was das für den Schutz von Menschen bedeuten würde. Allein die soziale Einstellung der Demokraten ist da deutlich offener, progressiver und menschenfreundlicher. Dementsprechend sehe ich keinen Grund, nicht für Kamala Harris und Tim Walz zu sein.

Meine Familie in Amerika sieht das ganz genau so, Freunde größtenteils auch. Aber ich merke auch, dass Desinformationen selbst auf Leute, die ähnlich eingestellt sind, Einfluss haben. Die sind verzweifelt, es treibt sie in eine gewisse Unsicherheit.

Kölner Student: Hoffnung auf Harris-Sieg

Trotzdem, man sollte in seinem Pessimismus nicht übertreiben, falls Trump doch gewinnen sollte. Klar, es wäre ein Rückschritt und hätte langfristige Folgen. Aber ich glaube daran, dass die Institutionen in den Staaten stark genug sind, um eine weitere Präsidentschaft zu überleben. In meinen Augen ist es nicht das absolute Horrorszenario. Es ist nicht so, dass Amerika untergehen würde. Verhindert werden sollte ein Sieg der Republikaner dennoch.

Deshalb wäre ich auch gerne gerade vor Ort, um mitzuhelfen, ins Gespräch zu kommen, Leute zum Wählen zu animieren – selbst wenn das Ergebnis für mich persönlich wohl kaum einen großen Unterschied machen wird. Wobei, gewinnen die Demokraten, würde es mich vielleicht sogar negativ tangieren. Durch die Russlandnähe Ungarns kommen auf Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft – so wie in meiner Familie – höhere Steuerbelastungen und strengere Einreisereglungen zu als unter einem Orban-Freund wie Trump. Aber meine Güte – das nehme ich in Kauf.

Was auch immer passiert, die Nacht durchmachen und die Wahl live verfolgen werde ich trotzdem nicht. Ändern kann ich jetzt sowieso nichts mehr. (jla)

"Man spricht unterschiedliche politische Sprachen"

Heather O'Donnell (51) kam 2019 aus den USA nach Düsseldorf, weil sie unter Trump nicht mehr in Amerika leben wollte. Heute arbeitet sie in Köln.

Ich habe das Gefühl, Kamala Harris wird gewinnen. Ich kann mir vorstellen, dass es eine Menge juristischer Verfahren und Lügen geben wird. Aber ich kann nicht glauben, dass eine Mehrheit Trump wählt. Es wird langsam klar, dass er gefährlich ist. Trotzdem habe ich Angst: Ich hatte auch 2016 das Gefühl, dass Hillary Clinton gewinnen würde, und das war nicht so.

Mein Mann und ich haben damals im Staat New York gelebt, wo das Wahlergebnis weniger Einfluss auf unseren Alltag hatte, aber wir konnten trotzdem nicht mehr dort wohnen. Da war auf einmal das Gefühl, dass die Nachbarn vielleicht nicht so sind, wie man dachte, man verstand sie nicht mehr. Mein Mann hat dann angefangen, nach Stellenangeboten in Deutschland zu suchen und wurde in Düsseldorf fündig.

In New York hat die einzelne Stimme keinen Wert

Dass ich in New York zum Wählen registriert bin, heißt: Meine Stimme hat keinen Wert. Ich wähle, weil das für mich eine persönliche Bedeutung hat, aber der Staat New York wird ziemlich sicher an die Demokraten gehen. Auch ich wähle demokratisch, wie die meisten Amerikaner, die außerhalb der USA leben.

In den USA habe ich sehr enge Familienmitglieder, die andere Informationsquellen nutzen und sehr davon überzeugt sind, dass es rational und gut und ethisch ist, Trump zu wählen. Das ist sehr schwierig, weil man unterschiedliche politische Sprachen spricht. Wir sind zwar immer noch miteinander verbunden. Aber es gibt diese riesengroße kognitive Dissonanz.

Am Wahltag ist es nicht einfach, so weit weg zu sein von Amerika. Man fühlt sich ein bisschen isoliert – obwohl Amerikanerinnen und Amerikaner in Deutschland viele Privilegien haben: Es gibt so viele Möglichkeiten, Englisch oder über amerikanische Politik zu sprechen und es gibt so viel amerikanische Kultur hier. Deutschland hat immer noch eine positive Verbindung zu Amerika, das finde ich sehr berührend. (km)

"Ich wünsche mir, dass das Land den ‚American Dream‘ nicht beerdigt"

Prof. Dr. Anke Ortlepp, 1968 geboren, kam 2018 als Professorin nach Köln. Sie war von 2005 bis 2010 am Deutschen Historischen Institut in Washington D.C. tätig, zeitweilig als Acting Director. Zudem war sie seit den 1990er-Jahren für zahlreiche Forschungsaufenthalte in den USA.

Die Menschen in unserem Viertel von Washington, D.C. liefen auf die Straßen. Sie feierten und tanzten. Sie kletterten auf Ampeln und Bushaltestellen. Der Verkehr kam zum Erliegen. Partystimmung. Als wären Rosenmontag und Halloween auf einen Abend gefallen. Am 4. November 2008, dem Tag, an dem Barack Obama als erster Afroamerikaner eine Präsidentschaftswahl gewann. Viele Stunden hatte ich mit Freunden vor dem Fernseher die Berichterstattung und die ersten Hochrechnungen verfolgt. Als verschiedene Sender dann gegen 23 Uhr Obama zum Sieger erklärten, gab es kein Halten mehr.

Zu diesem Zeitpunkt lebte ich schon seit mehr als drei Jahren in der Hauptstadt der USA. Am heutigen Wahltag wünsche ich mir ein wenig von der Aufbruchstimmung und positiven Energie zurück, die damals im Land zu spüren war. Einem Land, dessen Menschen und Kultur ich mich noch immer sehr verbunden fühle und dessen Geschichte ich seit Jahrzehnten beforsche und unterrichte.

Auch damals gab es viele Probleme, die vielen Einwohnern Washingtons – einer multikulturellen, aber von Klassendifferenzen und dem Erbe der Rassentrennung gezeichneten Stadt – zu schaffen machten. Hohe Lebensmittel- und Benzinpreise, teure Mieten, Waffengewalt, hohe Mordraten, Klimawandel. Darüber hinaus waren auch sie von internationalen Konflikten betroffen, ob als Militärangehörige oder Regierungsbeamte.

Die gesellschaftlichen Verwerfungen und Kulturkämpfe haben jedoch seither zugenommen. Viele konservative Amerikaner fühlten sich Obamas liberaler "Yes we can"-Agenda nicht verpflichtet. Sie zogen sich in rechte Milieus und eigene Echokammern zurück. Polarisierende Rhetorik und öffentliche Hetze gegen Minderheiten und Andersdenkende taten ihr Übriges. Heute stehen sich Vertreter der beiden politischen Lager unversöhnlich gegenüber.

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Ich wünsche mir, dass die heutige Wahl eine Zäsur markiert. Dass das Land zum Dialog zurückfindet und den "American Dream" nicht beerdigt. Wie heißt es doch im Lied "Lift every voice and sing", das auch als afroamerikanische Nationalhymne bezeichnet wird: "Erhebt jede Stimme und lasst uns singen, bis Erde und Himmel erklingen, mit den Harmonien der Freiheit" ("Lift every voice and sing/ 'Til earth and heaven ring/ Ring with the harmonies of Liberty”).  © Kölner Stadt-Anzeiger

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