Während einer Grippewelle eine Kinderarztpraxis ans Telefon zu bekommen, ist nicht immer leicht. Wer die zwei drückt, um mit einer Mitarbeiterin zu sprechen, hört oft nur das Tuten einer besetzten Leitung.

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Und die erste Kinderarztpraxis, zu der dieser Autor während seiner Recherche durchdringen konnte, vermeldete, dass der Arzt selbst krankheitsbedingt ausfällt.

Damit ist er in guter Gesellschaft. Laut eines Wochenberichts des Robert-Koch-Instituts (RKI), der auf Selbstauskunft der Bevölkerung über das GrippeWeb-Portal beruht, litten vom 20. bis zum 26. Januar bundesweit in etwa 7,9 Millionen Menschen an einer akuten Atemwegserkrankung.

Rhein-Erft-Kreis: Derzeitige Grippewelle im Normbereich

Verengt man das Feld auf Grippe-Fälle in NRW, kommt man laut Landeszentrum für Gesundheit (LZG) in der fünften Kalenderwoche (27. Januar bis 2. Februar) auf 8.266 Fälle. Im Rhein-Erft-Kreis verzeichnet das LZG in den ersten fünf Wochen dieses Jahres 449 Influenza-Meldungen, 2024 waren es im gleichen Zeitraum 378 gewesen. In der fünften Kalenderwoche waren es 185 Fälle.

Doch was sagen diese Statistiken aus? Dr. Matthias Schlochtermeier, Hausarzt in Hürth-Efferen, meldet Bedenken bezüglich der Aussagekraft der Zahlen an. Zum einen rechnet er mit einer hohen Dunkelziffer. Zum anderen gebe es seit 2024 einen Tripletest für Corona, Grippe und RSV. Das sei ein Grund dafür, dass mehr Patienten mit der Diagnose Influenza in einer Praxis auftauchen. "Mit Einführung der Ultraschallgeräte haben wir natürlich auch mehr Gallensteine gefunden", sagt Matthias Schlochtermeier. "Ich halte das Influenza-Geschehen für vollkommen normal und in keiner Weise außergewöhnlich."

Hürther Arzt bricht eine
Lanze für die Videosprechstunde

Und auch wenn die Frequenz im Januar und Februar jedes Jahr besonders hoch sei, sei seine eigene Praxis in Hürth bisher nicht überlaufen. Das sei auch ein Resultat der Einführung von Telefon- und Videosprechstunden, die verhindern, dass Influenza-Patienten mit Fieber im Wartezimmer sitzen müssen. So könne Schlochtermeier seine Patienten auch "auf infektiologisch sinnvolle Distanz behandeln".

Sprich: Hat ein Patient die für Grippe typischen Symptome, also hohes Fieber über 39 Grad gepaart mit typischen Erkältungssymptomen wie Schnupfen oder Husten, kann er seine Symptome abklären lassen, ohne sich in die Praxis zu schleppen und andere Patienten zu gefährden. Sollte es den Bedarf für eine persönliche Vorstellung geben, könne Schlochtermeier das auch auf Distanz erkennen. Und für die dringenden Fälle gebe es immer noch die Akutsprechstunden. "Jeder Patient, der gesehen werden muss, wird gesehen. Hier braucht man keine Terminvereinbarung, das ist in allen Hausarztpraxis üblich."

Im Maria-Hilf-Krankenhaus in Bergheim keine ungewöhnlichen Zahlen

Auch im Maria-Hilf-Krankenhauses in Bergheim ist die Anzahl der Influenzia-Patienten im Vergleich zu den Vorjahren nicht wesentlich erhöht, wie Pressesprecherin Ronja Läufer mitteilt. "Die Winterzeit war und ist immer die Hauptsaison der Influenza." Die Zahlen lägen nach ihrem Kenntnisstand im saisonalen Normbereich. Es seien derzeit auch keine Fälle mit einem schweren Verlauf zu vermelden. Aufgrund der Schließung des Bedburger Krankenhauses seien aber mehr stationäre und Notfallpatienten aufgenommen worden.

Im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße in Köln wiederum sieht es anders aus. Prof. Dr. Michael Weiß, Ärztlicher Direktor des Kinderkrankenhauses, erkennt seit Jahresbeginn eine deutliche Zunahme von akuten viralen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen, die über die Notaufnahme in die Kölner Klinik kommen. "Wir können von einer deutlichen Welle von viralen Atemwegserkrankungen durch Influenzaviren, RSV u.a. sprechen, die nicht nur Köln betrifft, sondern auch im Umland sowie NRW-weit aktuell festgestellt wird." Die Versorgung der Patienten sei im Kinderkrankenhaus nach wie vor gesichert, es könne aber zu längeren Wartezeiten kommen.

Es sind aktuell knapp 15 Prozent der Mitarbeitenden erkrankt, aber seit dem Wochenende mit der erkennbaren Tendenz nach oben

Sabine Fusshoeller-Kleinert

Unabhängig davon, ob es sich bei der jetzigen Influenzawelle nur um ein alljährliches Phänomen handelt: Bei der Arbeit können Ausfälle durch Krankheit für zusätzliche Belastungen sorgen. So zum Beispiel bei der Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft (REVG). "Es sind aktuell knapp 15 Prozent der Mitarbeitenden erkrankt, aber seit dem Wochenende mit der erkennbaren Tendenz nach oben", sagt Sabine Fusshoeller-Kleinert, Pressesprecherin der REVG. "Es werden also täglich mehr Krankmeldungen eingereicht, heute waren es 18. Das ist für die Besetzung der Fahrten schon herausfordernd."

Die REVG beschäftigt 309 Mitarbeitende, davon 216 im Fahrdienst, die damit besonders viel Kontakt zu den Fahrgästen haben. Bisher komme es dadurch nicht zu größeren Einschränkungen. Die Belastung unter der Belegschaft nehme aber zu. Um die Fahrer zu schützen, setzt die REVG weiterhin auf die Schutzscheiben, die während der Corona-Pandemie angeschafft wurden.

Schulen geht wegen Lehrermangels die Luft aus

Engpässe gibt es in vielen Grundschulen. Aktuell seien viele Kinder und auch Lehrkräfte erkrankt, berichtet Sandra Zieße-Junghans, Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) im Rhein-Erft-Kreis: "Hier wird das Problem doppelt deutlich: Die Personallücken müssen mit qualifiziertem Personal geschlossen werden. Es kann ja nicht sein, dass eine ganze Klasse zu Hause bleiben muss, sobald Lehrkräfte erkranken. Aber wohin mit den Kindern, wenn eine Lehrkraft erkrankt? Vertretungskonzepte stoßen so schnell an Ihre Grenzen."

Ohne Personal bleibe oft als einzige Lösung, Kinder auf andere Klassen aufzuteilen. Aber: In den Klassen sei oft kein Platz für weitere Kinder, auf die Flure könne auch niemand mehr aufgrund von Brandschutzauflagen, sagt Zieße-Junghans, "uns geht die Luft aus".

Doch wie kann man sich selbst schützen? Die Empfehlungen der Pressesprecherin des Bergheimer Krankenhauses sollten den meisten aus der Pandemie vertraut sein: Abstand halten, regelmäßig lüften, in die Armbeuge niesen, Hände regelmäßig und gründlich desinfizieren und im Zweifel eine Maske tragen, insbesondere zum Schutz älterer oder erkrankter Menschen.

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Matthias Schlochtermeier empfiehlt zudem Menschen über 60 Jahren und Patienten mit Vorerkrankungen die Grippe-Impfung, vorsorglich schon im Oktober. Ansonsten könne man nicht viel tun, um einer Grippe vorzubeugen: Es gebe schwache Daten, dass Zink und Vitamin C hochdosiert hilfreich seien, er arbeite auch mit Thymianpräparaten.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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