Aus dem mageren Ermittlungsergebnis eines Kölner Polizisten wurde wie durch Zauberhand eine dicke Akte des Militärischen Abschirmdienstes (MAD).

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Die Suche nach kompromittierenden Fotos in der Kölner Schwulenszene führte zur Rehabilitierung eines zu Unrecht Verdächtigten, den der Verteidigungsminister aufgrund der falschen MAD-Akte entlassen hatte. Auch über 50 Jahre nach der so genannten Kießling-Affäre kommt man aus dem Staunen kaum heraus, wenn sich zwei Hauptbeteiligte erinnern. "True Crime Köln" erzählt mit Hilfe des damaligen Polizei-Ermittlers Helmut Simon und dem Reporter Udo Röbel die Geschichte eines der größten Bundeswehr-Skandale der Nachkriegsgeschichte.

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Beide waren mit einem Foto durch die Lokale der Kölner Schwulenszene gelaufen. Helmut Simon war losgeschickt worden, um einen Verdacht zu prüfen. Um was oder wen es ging, hatte man ihm nicht gesagt. Dass er nicht nachgefragt habe, nennt er einen seiner "größten Fehler". Ein Polizist müsse Aufträge von Vorgesetzten – selbst wenn er ihm voll vertraue – immer hinterfragen, sagt der pensionierte Ermittler im Gespräch mit Helmut Frangenberg.

"Das war alles gelogen"

Das dürftige Ergebnis seiner Recherchen im Milieu führte dazu, dass er ein halbes Jahr später beim damaligen Verteidigungsminister Manfred Wörner vorsprechen musste. Da staunte Simon nicht schlecht: Eine dicke Ermittlungsakte beschrieb, was er angeblich alles zusammengetragen haben sollte. "Das war alles gelogen", so Simon. Der deutsche Nato-General Günther Kießling sollte in Bars der Kölner Schwulenszene verkehrt und dort Kontakt zu Stichjungen gesucht haben. Ein homosexueller General galt als erpressbar und somit als Sicherheitsrisiko.

Auch der spätere stellvertretende Express-Chefredakteur Udo Röbel wunderte sich, als er – genau wie Simon - mit einem Bild des Generals durch die gleichen Lokale zog. Eigentlich war man auf der Suche nach Fotos von "einem General im Tütü oder in Lack und Leder". Stattdessen deckten Röbel und seine Redaktion eine skandalöse Verwechslung auf. Alles, worauf sich der Verteidigungsminister bei seiner Entscheidung, Kießling zu entlassen, gestützt hatte, löste sich in Luft auf. "Wir haben aus unlauteren Motiven gehandelt", räumt Röbel im Gespräch für die neue Folge der Podcastreihe des Kölner Stadt-Anzeiger über wahre Verbrechen aus Köln und der Region ehrlich ein. "Dadurch haben wir den General dann aber aus einer sehr misslichen Situation befreit."

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Der Fall bleibt bis heute mysteriös. Wie es zu den falschen Verdächtigungen gegen den General und zu einer Akte mit frei erfundenen Ermittlungsergebnissen kam, ist nie richtig aufgeklärt worden. "True Crime Köln" sucht nach Erklärungen. Simons und Röbels Berichte bieten zudem einen Einblick in das gesellschaftliche Klima der 80er Jahre, in denen Homosexualität immer noch ein Tabuthema war und schwule Männer auf der Kontaktsuche schnell mit einem gewaltbereiten, kriminellen Milieu zu tun bekamen. Wenn es darum ging, Straftaten aufzuklären, habe man hinter einer "Mauer des Schweigens" ermittelt, so Helmut Simon.

"True Crime Köln" kann man über die Homepage des Kölner Stadt-Anzeiger und überall dort hören, wo es Podcasts gibt.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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