Eine Aufführung der Metropolitan Opera in New York live zu erleben, ist für den oberbergischen Musikfreund normalerweise mit einem erheblichen Aufwand verbunden.
In diesem Fall reicht ein Ticket für das Gummersbacher Seven-Kinocenter. Das kostet mit 32 Euro zwar doppelt so viel wie für den Actionfilm im Nachbarsaal. Dafür ist man tatsächlich zeitgleich dabei, wenn im Lincoln Center der Vorhang aufgeht.
Seit der Eröffnung 2019 ist das Seven eines von heute mehr als 220 Kinos allein in Deutschland und Österreich, die unter dem Titel "Met im Kino" Opernaufführungen aus New York live übertragen. Diese Aufführungen gibt es seit 2007. Bisher fanden knapp 120 Live-Sendungen statt, mit mehr als 2,5 Millionen Zuschauern in beiden Ländern. Dazu kommen Millionen Opernfans in den USA und anderswo in der Welt, die das Musiktheater vom bequemen Kinosessel aus miterleben.
In Gummersbach gibt es Cola statt Sekt
Statt Sekt wird im Gummersbach Cola angeboten, auf Popcorn sollte man verzichten, um sich in den Pianissimo-Passagen nicht unbeliebt zu machen. Es geht los mit Aufnahmen von den Platz nehmenden Zuschauern, im Hintergrund ertönt die Kakophonie der Instrumentenstimmung, die einen großartigen Abend verheißt. Der Klang der Lautsprecheranlage ist satt, die Bildübertragung in HD und mehrere Kameras sorgen später für Nahaufnahmen von den Tränen der Hauptdarstellerin, die man vor Ort mit dem stärksten Opernglas nicht sehen würde.
Das überzeugt auch ausgewiesene Kenner: Zu den regelmäßigen Besuchern der Übertragungen zählen Gus Anton, der als früherer Intendant im Gummersbacher Theater selbst viele Opern dirigiert hat, und seine Frau Ursula, Geigerin und Vorsitzende des Kreissinfonieorchesters. Die beiden sind auch nach der jüngsten Aufführung am vergangenen Samstag begeistert. Gegeben wurde Verdis Prunkoper "Aida", ein Spektakel voller Belcanto-Arien wie gemacht für "die Met", die neben der Wiener Staatsoper und dem Teatro alla Scala in Mailand zu den führenden Opernhäusern der Welt zählt.
Indiana Jones ist auch dabei
Ein hundertköpfiger Chor und eine große Tanzcompagnie tummeln sich vor einem spektakulären Bühnenbild. Das antike Ägypten erwacht in hoch aufragenden Kulissen und historisch inspirierten Kostüme zum Leben. Ausgelöst wird die Erweckung des tragischen Liebespaares in der Inszenierung von Regisseur Michael Mayer von einem Archäologen, der sich während der Ouvertüre nach Indiana-Jones-Manier von der Decke abseilt. Langweilig wird es nicht in den folgenden dreieinhalb Stunden.
Während das New Yorker Publikum sich in der Pause ein Lachs-Sandwich gönnt – dort ist es Mittagszeit – bekommt das Gummersbacher Publikum exklusive Einblicke hinter die Kulissen, ist live dabei beim Szenenumbau und erfährt Hintergründiges in Interviews mit den Stars.
So verrät Sopranistin Angel Blue, die ihr lang erwartetes Rollendebüt an der Met als äthiopische Prinzessin gibt, dass sie bei der Trauerarie "O patria mia" an ihren verstorbenen Vater denkt. Auch die Mezzosopranistin Judit Kutasi als Aidas ägyptische Rivalin Amneris und Tenor Piotr Beczała als doppelt geliebter Kriegsheld Radamès werden am Rande der Aufführung befragt, als wäre es eine Sportübertragung.
Am Ende des vierten Akts werden alle tot sein. Das Gummersbacher Publikum ist ergriffen. Niemand klatscht mit, als sich in New York das Publikum zu Standing Ovations erhebt. Aber alle bleiben sitzen, bis der letzte Vorhang fällt.
Mehr Oper
Die weiteren Aufführungen der Reihe "Met im Kino" in dieser Saison sind Beethovens "Fidelio" am 15. März, Mozarts "Le nozze di figaro" am 26. April, Strauss' "Salomé" am 17. Mai und Rossinis" "Il barbiere di Seviglia" am 31. Mai. © Kölner Stadt-Anzeiger
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