Die gute Nachricht zuerst: In deutschen Innenstädten war 2024 einer Analyse zufolge etwas mehr los als im Vorjahr.
Die Passantenfrequenzen lagen laut einer Auswertung des Datenportals Hystreet bundesweit rund 1,5 Prozent höher. In der Adventszeit wurde ein Plus von vier Prozent verzeichnet. Auch die Kölner Einkaufsstraßen waren voll: Im Dezember zählte Hystreet auf der Schildergasse knapp 2,5 Millionen Passanten, mehr waren es nur in München. Der Black Friday am 29. November lockte ebenfalls hunderttausende Menschen in die Kölner Innenstadt. Auch im Sommer kamen infolge der Fußball-Europameisterschaft deutlich mehr Besucher nach Köln: Das Fußballfest lockte rund 625.000 Fans an.
In den Innenstädten war im vergangenen Jahr zwar mehr Betrieb, viele Einzelhändler waren dennoch nicht zufrieden mit ihrem Geschäft. Die Ursache: Viele Menschen sparen, statt ausgiebig zu konsumieren. Die gestiegenen und als hoch empfundenen Preise, Kriege und wirtschaftliche Verunsicherung drücken jedoch weiterhin auf Stimmung und Kauflaune.
Das hat auch Folgen für die Innenstädte: Während asiatische Shoppingportale wie Temu stark zulegen, ist die Lage vieler etablierter Unternehmen schwierig. Einige haben - auch infolge von Insolvenzen - zuletzt ihr Filialnetz ausgedünnt oder gleich alle Läden geschlossen. Andere Unternehmen drängen dafür nun in die Innenstädte.
2024: Das Jahr der Insolvenzen
Galeria, die KaDeWe-Gruppe, Esprit, Scotch & Soda, Depot – das sind nur einige große Namen, die 2024 zahlungsunfähig wurden oder waren. Die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte ist seit 2015 nach HDE-Angaben von 372.000 auf 306.000 gesunken. Für 2024 rechnete der Verband mit rund 5000 Schließungen. Für 2025 gibt es noch keine Schätzung.
Viele der Pleiten trafen auch Köln: Allen voran Galeria, die sich zwar erneut aus der Insolvenz gerettet und in Köln wider Erwarten alle Standorte halten konnten. Doch die Schwäche der Warenhäuser und des Fachhandels belasten die Branche. Samsonite beispielsweise hat Ende des Jahres einen eigenen Laden an der Ehrenstraße eröffnet und will so zumindest teilweise die schwächeren Geschäfte bei Galeria ausgleichen.
Ende August hatte sich die niederländische Modemarke Scotch&Soda aus dem deutschen Markt verabschiedet, neben dem Store an der Kölner Schildergasse gab es Läden in Bochum, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Münster, Oberhausen und Ochtrup. Auch Esprit schloss alle eigenen Geschäfte, darunter auch die Kölner Läden an der Ehrenstraße und im Rhein-Center in Weiden.
Das sind die Neuen
Deichmann ist zwar kein neuer Name, aber zeigt sich in neuem Gewand: Noch diesen Monat in seinen neuen Flagship-Store an der Schildergasse, seinen bisherigen Standort gibt der Filialist auf. Auf dem Grundstück des ehemaligen Benetton-Hauses sind 7000 Quadratmeter Nutzfläche entstanden, in den oberen Stockwerken befinden sich Büros. Das Bestreben, mehr Büroraum an der Einkaufsstraße zu schaffen, entspricht den Zukunftsplänen der Stadt. In der Innenstadt soll ein Mix aus Arbeiten, Einkaufen, Gastronomie und Freizeit geschaffen werden. Man will weg von den reinen Einkaufsmeilen, die so nicht mehr funktionieren.
Benetton, die vor wenigen Jahren Schildergasse und Hohe Straße verlassen hatten, sind zum Jahresende an die Schildergasse zurückkehrt: Die Modemarke hat ein Ladenlokal bezogen, in dem vorher Marc O‘Polo beheimatet war. Auch die Hohe Straße hat einen neuen Mieter: den Discounter Kik. Der dreistöckige Laden führt auf für Kiks Verhältnisse überschaubaren 950 Quadratmetern das komplette Sortiment, das es sonst so nur außerhalb der Innenstadt gibt.
Die Ehrenstraße entwickelt sich indes immer mehr zum Experimentierfeld. Zuletzt zogen gleich mehrere Pop-up-Stores ein – also Läden, in denen Marken für eine gewisse Zeit erst einmal testen wollen, ob sie an dieser Stelle funktionieren. Einer der auffälligsten Neuzugänge ist die Kölner Firma Oace. Sie wurde erst 2020 gegründet und verkaufte ihre minimalistischen Fitness-Outfits bisher ausschließlich online und mithilfe von Influencern. Der Shop an der Ehrenstraße ist der erste Schritt in den stationären Handel.
Nullwachstum und viel Unsicherheit
Der Handelsverband (HDE) hatte zunächst ein nominales Umsatzplus von 3,5 Prozent prognostiziert. Im Herbst musste die Jahresprognose dann aber deutlich nach unten korrigiert werden. Zuletzt erwartete der HDE ein nominales Umsatzplus von 1,3 Prozent auf 657 Milliarden Euro. Bereinigt um die gestiegenen Preise entspricht das im Vorjahresvergleich einem Nullwachstum. Auch mit dem Weihnachtsgeschäft waren viele Händlerinnen und Händler nicht zufrieden. Endgültige Zahlen liegen bislang nicht vor. Wirklich gut lief es nur für den Parfümerie- und Kosmetikhandel, Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte sowie Buch-, Haushaltswaren- und Spielzeuggeschäfte.
Die Bundestagswahl am 23. Februar könnte nach Ansicht des HDE der Branche den ersehnten Aufschwung bringen. "Die Bundestagswahl kann wie ein Sektkorken wirken", sagt HDE-Präsident Alexander von Preen. "Wenn wir wieder Rahmenbedingungen haben, wo die Menschen sagen: "Jawohl, jetzt geht es in eine Richtung, jetzt sehen wir, wohin man will", dann wird das eine total befreiende Situation sein und extrem viel Dynamik in den Markt bringen." (mit dpa) © Kölner Stadt-Anzeiger
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.