Man hätte von der Sängerin und Schauspielerin Gitte Hænning, besser bekannt als "Gitte", die üblichen Schlager erwarten können, mit denen sie berühmt geworden ist.
Ihr Auftritt im Euskirchener Stadttheater legt aber eine völlig andere Seite offen: die sensible, gebildete, musikalisch vielseitige und mit 78 Jahren altersreif gewordene Gitte.
"Die wollen doch Schlager", bemerkt sie noch nach dem Auftaktstück im Gespräch mit den Spitzenmusikern Sebastian Weiss am Flügel und Olaf Casimir am Bass. Und prompt liefert sie kurz angespielte Gassenhauer unter anderem "Ich hab die Liebe verspielt in Monte Carlo". Sofort springen die Zuhörer an und klatschen und singen eifrig mit.
Doch der Abend soll ganz anders werden. Zwar gibt es in der Zugabe noch einmal den Griff in die Schlagerkiste, aber ansonsten wird das Konzert jazzig, bluesig und besinnlich. Hænning sitzt fast durchgängig und schaut viel in ihre Noten. Sie interpretiert Balladen, bekannte Lieder, unter anderem von
Der Pianist Weiss begleitet sie dabei hochprofessionell und einfühlsam. Mit dem Bassisten Casimir entsteht eine harmonische Einheit zu Gittes hauchiger Stimme. Nur in einigen wenigen Momenten lässt sie ihre gewohnt klare Stimme aufblitzen, um im nächsten Moment wieder leise, halb sprechend, halb singend, Texte in den Raum zu stellen, die sie selbst bewegen. Das sei ihr wichtig, betont sie im Konzert: "Mir wurden Lieder angeboten, die waren nicht reif genug. Die habe ich abgelehnt."
Ihre alten Gassenhauer nahmen keinen großen Raum im Programm ein
Die Faszination ihres Auftritts liegt an diesem Abend nicht in ihrer Liederauswahl oder ihrem Musikstil, sondern in der persönlichen Ausstrahlung. Wenn sie davon erzählt, welche Stücke ihr besonders gefallen, ist das der Art ihrer Interpretation anzumerken. Sie geht in ihrer Musik auf. Sie vermittelt den Eindruck, man wäre gerade mit ihr allein in einem Raum, um eine persönliche Botschaft mitgeteilt zu bekommen.
Zuhörerin Lucia Schumacher staunt: "Diese prägnante Stimme ist echt irre. Sie versteht ihr Handwerk. Sie fühlt die Musik." Mit nur zwei Musikern aufzutreten, unterstreicht an diesem Abend, dass sie nicht in Stimmung bringen, sondern etwas bewegen möchte. Dabei beziehen sich die Texte doch etwas einseitig auf Themen rund um Liebe und Beziehung.
Unterlegt von einem wunderschön gespielten Bass, werden Sehnsucht und Nachdenklichkeit ausgelöst. Leider sind nicht alle Texte zu verstehen. Manche Worte fallen, gewollt oder nicht, der hauchigen Vortragsweise zum Opfer. Es ist faszinierend zu sehen, wie professionell Hænning mit kleinen Fauxpas umgeht. Mitten im Gesang spricht sie zum Tontechniker: "Zu hallig" und singt unbeschwert weiter.
Gitte überspielte jede Peinlichkeit, bevor sie überhaupt aufkam
Als sie in ihrer Kladde nach einem Songtext sucht, der sich irgendwie verkrümelt hat, bleibt sie gelassen und lacht über das Missgeschick: "Ach – Sie kennen den Text ja besser als ich. Helfen Sie mir einfach und singen Sie mit", überspielt sie jede Peinlichkeit, bevor sie aufkommen kann. In solchen Momenten wird klar, dass Gitte nichts mehr zu beweisen hat. Sie ist der ehemalige Schlagerstar, aber sie weiß auch, was sie kann und zu bieten hat. "Sie kümmert sich um nichts", bemerkt Schumacher, "das ist mir sehr sympathisch."
Sie und ihre Freundinnen haben von diesem Abend etwas anderes erwartet. Gern hätten sie mit Gitte alte Schlager in den Saal gesungen und geklatscht. So geht es vielen der Zuschauer, die Gitte noch aus Jugendzeiten kennen. Die wenigen Mitsingmomente werden mit Begeisterung aufgenommen. Dennoch ist der Abend keine Enttäuschung.
"Es war nicht das, was ich erwartet hatte, aber es war ein guter Abend," schließt Schumacher ihre Eindrücke, "Ich würde aber kein zweites Mal in diesen Abend gehen." Einen Schlagerabend im Euskirchener Stadttheater mit Feierlaune haben die Zuschauer nicht erlebt, aber einen angenehmen Abend mit Gitte und tollen Musikern. © Kölner Stadt-Anzeiger
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